12.01.2022

Rechtsprechungsübersicht zu Corona

Mit den Wellen der Corona-Pandemie einher geht auch die Zahl der Gerichtsentscheidungen zu den Schutzmaßnahmen von Bund und Ländern. Wir haben die wichtigsten Beschlüsse bzw. Urteile für Sie in Kurzform aufbereitet.

Rechtsprechungsübersicht Corona

2G als Ersatz für die Öffnungsuntersagung von Kultur- und Freizeiteinrichtungen?

Bei der angeordneten Öffnungsuntersagung von Kultur- und Freizeiteinrichtungen, Diskotheken, Clubs und Bars für Publikumsverkehr wie auch der Verpflichtung zum Tragen eines medizinischen Mund-Nasen-Schutzes in öffentlich zugänglichen Verkehrsflächen von geschlossenen Räumen von Einrichtungen, Betrieben, Läden, Angeboten, Behörden und Gerichten handelt es sich auch nach dem Ende der epidemischen Lage von nationaler Tragweite um notwendige Schutzmaßnahmen i. S. v. § 28 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 28a Abs. 1 IfSG.

Auch die Anwendung einer „2G-Regel“ oder „2G+-Regel“ erweist sich nicht als gleich geeignetes Mittel. Dies gilt schon deshalb, weil auch Geimpfte und Genesene zumindest, wenn Infektion oder Impfung schon einige Monate zurückliegen, wenn auch wohl im geringeren Umfang als Ungeimpfte, Überträger des Coronavirus sein können.

(OVG Bautzen, Beschl. vom 09.12.2021, Az. 3 B 428/21)

Ist die Sperrfrist für den Gastronomiebetrieb und das Beherbergungsverbot gerechtfertigt?

Die Möglichkeit zur Öffnung von Gastronomiebetrieben für den Publikumsverkehr beschränkt auf die Zeit zwischen 6.00 Uhr und 20.00 Uhr und das Untersagen von Beherbergungen zu touristischen Zwecken ist eine notwendige Schutzmaßnahme i. S. v. § 28 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 28a Abs. 1 IfSG. Im Rahmen der Prüfung, ob Schutzmaßnahmen danach veranlasst sind, kommt dem Verordnungsgeber ein Einschätzungs-, Wertungs-, und Gestaltungsspielraum zu.

Es lassen sich nicht alle Infektionsketten nachvollziehen, Ausbrüche treten in vielen verschiedenen Umfeldern auf. Das Virus verbreitet sich überall dort, wo Menschen zusammenkommen, insbesondere in geschlossenen Räumen. Häufungen werden oft in Privathaushalten und in der Freizeit dokumentiert, Übertragungen und Ausbrüche finden aber auch in anderen Zusammenhängen statt, z. B. im Arbeitsumfeld, in Schulen, bei Reisen, bei Tanz- und Gesangsveranstaltungen und anderen Feiern, besonders auch bei Großveranstaltungen und in Innenräumen. Vor diesem Hintergrund sind die Sperrfrist für den Gastronomiebetrieb und das Beherbergungsverbot gerechtfertigt.

(OVG Bautzen, Beschl. vom 09.12.2021, Az. 3 B 420/21)

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2G Plus bei körpernahen Dienstleistungen unangemessen

Der vollständige Ausschluss ungeimpfter Personen von Dienstleistungen und Betätigungen ist unangemessen, da er grundlegende Bedürfnisse nicht genügend berücksichtigt. Die bei körpernahen Dienstleistungen geltende 2G Plus Regelung hielt einer gerichtlichen Prüfung nicht stand. 2G Plus in Theatern, Kinos und Diskotheken wurde hingegen nicht beanstandet.

(OVG Lüneburg, Beschl. vom 13.12.2021; Az. 13 MN 462/21; 13 MN 463/21; 13 MN 464/21)

2G im Einzelhandel in den Bundesländern umstritten

OVG Lüneburg, Beschl. vom 16.12.2021, Az. 13 MN 477/21

In Niedersachsen wurde die Vorschrift der Corona-Verordnung, die ein Zutrittsverbot für Kunden anordnet, die weder über einen Impf- noch über einen Genesenennachweis verfügen, auf Antrag einer Ladenbetreiberin vorläufig außer Vollzug gesetzt. Die Infektionsschutzmaßnahme ist weder notwendig noch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar, urteilte das OVG Lüneburg (Beschl. vom 16.12.2021, Az. 13 MN 477/21). Die Kunden könnten, wie in vielen anderen Alltagssituationen auch, im Einzelhandel verpflichtet werden, eine FFP2-Maske zu tragen.

OVG Schleswig, Beschl. vom 14.12.2021, Az. 3 MR 31/21

Demgegenüber entschied das OVG Schleswig (Beschl. vom 14.12.2021, Az. 3 MR 31/21), 2G im Einzelhandel stellt voraussichtlich ein rechtmäßiges und insbesondere verhältnismäßiges Mittel zum Schutz der Bevölkerung vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 und zur Verhinderung der Überlastung intensivmedizinischer Kapazitäten dar. Eine Differenzierung ist dadurch gerechtfertigt, dass die von der Beschränkung ausgenommenen Einzelhandelsbetriebe der Deckung eines häufiger auftretenden und in der Regel durch schnellen Einkauf zu deckenden Bedarfs, mithin der Grundversorgung im weiteren Sinne, dienen.

OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. vom 30.12.2021, Az. OVG 11 S 109/21

In der gleichen Tendenz urteilte das OVG Berlin-Brandenburg (Beschl. vom 30.12.2021, Az. OVG 11 S 109/21): Den Betreibern von Verkaufsstellen im Einzelhandel ist es zuzumuten, durch Kontrolle der Impf- bzw. Genesenennachweise und den Abgleich mit amtlichen Ausweispapieren sicherzustellen, dass Zutritt zu ihren Verkaufsräumen nur nach der 2G Regelung gewährt wird.

OVG Saarlouis, Beschl. vom 20.12.2021, Az. 2 B 278/21; 2 B 289/21

Das zeitlich befristete 2G-Modell ist notwendig und auch verhältnismäßig, entschied das OVG Saarlouis (Beschl. vom 20.12.2021, Az. 2 B 278/21; 2 B 289/21). 2G im Einzelhandel ist erforderlich, weil mildere Mittel, die gleichermaßen geeignet seien, nicht ersichtlich sind. Darüber hinaus ist die beim 2G-Modell vorgenommene Differenzierung zwischen vollständig Geimpften und Genesenen einerseits und noch nicht vollständig geimpften beziehungsweise ungeimpften Personen andererseits nicht willkürlich. Hierfür liegt vielmehr ein sachlicher Grund vor.

OVG Münster, Beschl. vom 23.12.2021, Az. 13 B 1858/21

Das OVG Münster (Beschl. vom 23.12.2021, Az. 13 B 1858/21) hat den Eilantrag einer Warenhauskette gegen die 2G-Regel abgelehnt. Die angegriffene Zugangsbeschränkung zu den Verkaufsstellen des Einzelhandels ist nicht offensichtlich unverhältnismäßig. Der Verordnungsgeber kann davon ausgehen, dass die 2G-Regelung im Einzelhandel dazu beiträgt, Leben und Gesundheit der Bevölkerung zu schützen und eine Überlastung der intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten zu vermeiden. Nach den bisherigen Erkenntnissen spricht viel dafür, dass die Impfungen weiterhin einen Schutz vor schweren Krankheitsverläufen bieten und damit auch bei einer zunehmenden Verbreitung der Omikron-Variante zu einer Schonung der intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten beitragen werden. Testpflichten oder das Tragen von FFP2-Schutzmasken stellen kein ebenso geeignetes Mittel dar, dieses Ziel zu erreichen.

Bayern: 2G gilt nicht für Spielzeugläden

Spielzeugläden dienen der Deckung des täglichen Bedarfs und unterliegen deshalb nicht der 2G-Regel. Diese haben, so die Richter, für Kinder mindestens dieselbe Bedeutung wie für Erwachsene Bücher, Schnittblumen und Gartengeräte, die als Geschäfte zur „Deckung des täglichen Bedarfs“ von der 2G-Regel ausgenommen sind. Dies gelte erst recht in der Weihnachtszeit. Weder der bayerischen Corona-Verordnung, noch deren Begründung sei zu entnehmen, wie wichtig und dringlich ein täglicher Bedarf sein müsse, damit das Geschäft nicht der 2G-Regel unterliegt

(VGH München, Beschl. vom 17.12.2021, Az. 20 NE 21.3012).

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Schließen von Clubs und Diskotheken in NRW bestätigt

Nach der aktuellen Corona-Verordnung des Landes NRW (wie auch in anderen Bundesländern) sind der Betrieb von Clubs, Diskotheken und vergleichbaren Einrichtungen und Veranstaltungen (öffentliche Tanzveranstaltungen, private Tanz- und Diskopartys und ähnliches) untersagt. Clubs und Diskotheken würden typischerweise unter besonders infektionsträchtigen Umständen betrieben. Ein Offenhalten unter 2G- oder 2G-Plus-Bedigungen stellt daher kein gleich wirksames Mittel zur Eindämmung der Infektionstätigkeit dar. Die Betreiber von Clubs und Diskotheken sind zwar durch die langen Schließungen bereits in früheren Phasen der Pandemie wirtschaftlich ganz erheblich betroffen. Dennoch müssen ihre Interessen zum gegenwärtigen Zeitpunkt erneut vorübergehend, auch wegen der zu erwartenden Omikron-Welle, hinter den mit der Betriebsuntersagung verfolgten Interessen zurücktreten.

(OVG Münster, Beschl. vom 22.12.2021, Az. 13 B 1867/21.NE; 13 B 1907/21.NE)

Coronabedingtes Alkoholverbot in Thüringen war verfassungswidrig

Gleich in mehrfacher Hinsicht las der Verfassungsgerichtshof des Landes Thüringen (VerfGH) der Landesregierung die Leviten:

  • Das Verbot des Ausschanks und des Konsums von Alkohol in der Öffentlichkeit nach § 3a der Corona-Verordnung vom 14.12.2020 hat gegen die gesetzliche Vorgabe verstoßen, dass solche Verbote nur an bestimmten bezeichneten Orten festgelegt werden durften. Das ausgesprochene flächendeckende Verbot war durch § 28a IfSG nicht gedeckt.
  • Im Hinblick auf die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen in der Zeit zwischen 22 und 5 Uhr nach § 3b der Verordnung entschied der VerfGH, dass diese sich nicht auf das befriedete Besitztum erstreckten durften, weil hier das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung gilt.
  • Soweit die Verordnung darauf zielte, ein nächtliches Aufenthaltsverbot im Freien festzulegen, habe der Wortlaut der Verordnung das nicht mit der gebotenen Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht. Verboten war ausdrücklich nur das „Verlassen“ der Wohnung, sodass kein mit Bußgeld zu ahndender Rechtsverstoß begangen wurde, wenn eine Person vor 22 Uhr die Wohnung verlassen hatte und sich danach im Freien aufhielt.
  • Der VerfGH entschied ferner, dass die Beweislast für Verstöße gegen die Verordnung bei der zuständigen Verwaltungsbehörde und nicht beim Bürger liegt.
  • Allgemeine Ausgangsbeschränkungen kommen nur als ultima ratio in Betracht, wenn andere Schutzmaßnahmen nicht mehr ausreichen, um die Verbreitung einer Ansteckungskrankheit wirksam einzudämmen.
  • Es ist zudem zwingend geboten, Ausnahmen für grundrechtlich geschützte Tätigkeiten und für die Funktionsfähigkeit staatlicher Einrichtungen vorzusehen.

(VerfGH Thüringen, Urteil vom 14.12.2021, Az. VerfGH 117/20)

Fälschung von Impfpässen bis 23.11.2021 nur bedingt strafbar

Werden Eintragungen über eine nicht erfolgte Schutzimpfung gegen SARS-CoV-2 in Impfpässen vorgenommen und dazu ein Stempel mit der Aufschrift „Impfzentrum …“ sowie Klebezettel mit erfundenen Impfstoffchargennummern verwendet und eine angeblich von einem Arzt stammende Unterschrift mit dem Ziel angebracht, diese von anderen Personen in Apotheken vorzulegen, um ein digitales Impfzertifikat zu erhalten, ist dies nicht strafbar. Nach § 277 StGB in der bis zum 23.11.2021 geltenden Fassung ist der Straftatbestand nur erfüllt, wenn ein in dieser Weise gefälschter Impfpass zur Täuschung von Behörden oder Versicherungsgesellschaften genutzt wurde.

(LG Landau in der Pfalz, Urteil vom 21.12.2021, 5 Qs 93/21)

Strafbarkeit der Fälschung von Corona Antigentests

Bei einem Beschuldigten waren am Arbeitsplatz auf seinem Schreibtisch ein Stapel mit Blankoformularen für die Bescheinigung über die Durchführung eines Corona-Antigentests gefunden worden. Auf den Blankoformularen war er als für die Firma H. AG den Test ausführende Person ausgewiesen. Auf den Formularen befand sich auch ein Stempel der H. AG. Der Beschuldigte war zu keiner Zeit berechtigt gewesen, im Namen der H. AG Coronatests durchzuführen, Bescheinigungen hierüber auszustellen oder die Betriebsmittel hierfür zu verwenden.

Voraussetzung der Strafbarkeit ist, dass durch den Täter ein Gesundheitszeugnis unter der Bezeichnung als Arzt oder als eine approbierte Medizinalperson oder unter dem Namen einer solchen Person erstellt worden ist. Diese Voraussetzung war nicht erfüllt.

Hinweis

Corona-Antigentests sind Gesundheitszeugnisse im Sinne des § 277 StGB. Strafbarkeit als Urkundenfälschung nach § 267 StGB besteht nur, wenn die Fälschung durch eine Person, die ein Arzt oder eine andere approbierte Medizinalperson ist, vorgenommen wurde.

(LG Karlsruhe, Beschl. vom 26.11.2021, Az. 16 Qs 90/21)

Verbot der „Corona Spaziergänge“

Die „Corona-Spaziergänge“ erreichen nun auch kleinere Städte. Sie dürfen als unangemeldete „Spaziergänge“ durch Allgemeinverfügung verboten werden, weil bewusst das Erfordernis der Anmeldung und die damit verbundenen Auflagen umgangen werden sollen.

Die Ordnungsbehörde konnte nach den bisherigen Erfahrungen auch zutreffend davon ausgehen, dass bei einer erneuten Durchführung der nicht angemeldeten „Spaziergänge“ gegen die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes verstoßen würde, so dass mit Blick auf das aktuelle Infektionsgeschehen bei weiteren „Spaziergängen“ die öffentliche Sicherheit erheblich gefährdet wird.

(VG Karlsruhe, Beschl. vom 22.12.2021, Az. 3 K 4579/21)

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)