04.07.2023

Rechtsprechung in Kürze: wichtige Entscheidungen (Juli 2023)

Uns erreichen immer wieder viele Nachrichten, die für die Mitarbeiter der Ordnungs- und Gewerbeämter von Interesse sind. Leider können wir wegen des begrenzten Umfangs des Newsletters nicht alle Informationen hier ausführlicher darstellen. Wir geben Ihnen daher einen kurzen Überblick über weitere wichtige Entscheidungen aus der Rechtsprechung.

Richterhammer, Waage und Gesetzbücher

 

Gericht Datum Az.
BGH 15.03.2023 VIII ZR 99/22
Ein Zusteller muss bei einer Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten das Datum der Zustellung auf dem Umschlag vermerken. Andernfalls gilt es erst dann als zugestellt, wenn es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist. Behauptet der Empfänger eine frühere Kenntnisnahme, müsse er dies darlegen und beweisen. Das Bestreiten des späteren Zugangs genügt nicht.
VG Köln 20.03.2023 18 K 4062/21
Sucht ein Verein auf der Straße nach verletzten Tieren, damit sie medizinisch behandelt werden können, könnte dieser ausnahmsweise nach § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO berechtigt sein, eine gelbe Rundumleuchte am Fahrzeug zu führen. Über den Antrag ist fehlerfrei gemäß § 70 Abs. 1 StVZO nach Ermessen zu entscheiden. Dabei sind die wesentlichen Erwägungen berücksichtigen.
OVG Münster 11.05.2023 11 B 96/23
Für das Abstellen von E-Scootern im öffentlichen Straßenraum dürfen von den Betreibern gewerblicher Verleihsysteme Sondernutzungsgebühren erhoben werden, die pauschale Festsetzung einer Jahresgebühr auch bei einer nur fünfmonatigen Nutzung ist nicht zulässig.
OLG Karlsruhe 18.04.2023 1 ORbs 33 Ss 151/23
Der Führer eines Kraftfahrzeugs verstößt nicht gegen § 23 Abs. 1a StVO, wenn er während der Fahrt ein Smartphone, mit dem er gerade ein Gespräch über eine Bluetooth-Freisprecheinrichtung des Fahrzeugs führt, ausschließlich zu dem Zweck aufnimmt, es etwa zum Schutz vor Beschädigungen umzulagern.
OLG Karlsruhe 17.01.2023 12 U 92/22
Das Selbsthilferecht des Nachbarn in Bezug auf die Entfernung vom Nachbargrundstück her eingedrungener Baumwurzeln kann durch eine wirksame Baumschutzsatzung eingeschränkt werden. Den Bauherrn trifft auch bei Beauftragung eines fachkundigen Bauunternehmers eine eigenständige Verkehrssicherungspflicht zum Schutz nachbarlicher Bäume, erst recht dann, wenn die Baugenehmigung hierzu umfangreiche Auflagen enthält.
VG Düsseldorf 19.05.2023 28 L 533/23
Wird die einem Landwirt als Reitstall und für die Dienstleistung mit Pferdezucht und Ausbildung von Pferden genehmigte Reithalle durch eine Poloschule und für die Austragung von Poloturnieren genutzt, stellt dies eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung dar. Eine solche Nutzungsänderung ist nicht als ein dem landwirtschaftlichen Betrieb dienendes und daher privilegiertes Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB offensichtlich genehmigungsfähig. Die Inanspruchnahme des Eigentümers zur Gefahrbeseitigung ist – unter dem Gesichtspunkt der Störerauswahl – nicht zu beanstanden, wenn er sein Gelände verpachtet, daraus wirtschaftliche Vorteile zieht und die Gefahr bzw. Störung gerade in der Art der Nutzung des verpachteten Grundstücks zu erblicken ist.
Landgericht Koblenz 15.02.2022 1 O 72/20
Nach dem neuen Landeswaldgesetz liegt die Verkehrssicherungspflicht für Waldparkplätze bei dem Waldeigentümer. Diese sind für den Revierdienst zuständig, das Bundesland hat nur die forstfachliche Leitung des Waldes inne. Ist die Kommune die Waldeigentümerin, liegt bei ihr damit auch die Verantwortung für die Baumkontrolle.
VGH München 14.09.2022 4 B 22.898
Die Regelungen zur überörtlichen Hilfeleistung der Feuerwehr (hier: Art. 17 BayFwG) gelten entsprechend, wenn der Bedarf für ein sofortiges Eingreifen in der konkreten Situation nur von der irrtümlich alarmierten Feuerwehr einer anderen Gemeinde erfüllt werden kann. Eine im Wege der überörtlichen Hilfe tätig gewordene Feuerwehr kann in gleicher Weise wie bei Einsätzen im eigenen Gemeindegebiet Kostenersatz (hier nach Art. 28 BayFwG) verlangen. Ein Feuerwehreinsatz ist bei einem bereits niedergebrannten Feuer, mit dem Forstabfälle beseitigt wurden, nur notwendig, wenn anzunehmen ist, dass die verbliebenen Glutnester ungelöscht und unbeaufsichtigt bleiben werden.
OVG Münster 31.05.2023 8 A 2361/22
Eine Fahrtenbuchauflage für den Fahrzeughalter kommt nur dann in Betracht, wenn die Täterfeststellung nach einem Verkehrsverstoß unmöglich oder unzumutbar ist. Kommt ein am selben Wohnsitz lebendes Familienmitglied als Täter infrage, liegt diese Voraussetzung nicht vor. Der Täter hätte mit naheliegenden und wenig aufwendigen Ermittlungsansätzen im Umfeld des Halters ermitteln werden können.
AG Hamburg-Altona 23.01.2023 327b OWi 1/23
Wird ein E-Scooter auf einem Gehweg abgestellt und behindert sowie gefährdet er andere Verkehrsteilnehmer, liegt ein Halte- bzw. Parkverstoß vor, der mit einem Bußgeldverfahren geahndet werden kann. Macht der Anbieter des E-Scooter-Verleihs keine Angaben zum Fahrer, haftet er wie bei einem Verkehrsverstoß mit einem Pkw als Halter.
Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)