Rechtsprechung in Kürze: Wichtige Entscheidungen (Januar 2024)
Uns erreichen immer wieder viele Nachrichten, die für die Mitarbeiter der Ordnungs- und Gewerbeämter von Interesse sind. Leider können wir wegen des begrenzten Umfangs des Newsletters nicht alle Informationen hier ausführlicher darstellen. Wir geben Ihnen daher einen kurzen Überblick über weitere wichtige Entscheidungen aus der Rechtsprechung:
Gericht | Datum | Az. |
BGH | 10.10.2023 | VI ZR 287/22 |
Ein Fahrzeugführer, der in einer Einbahnstraße rückwärtsfährt, handelt ordnungswidrig gegen das Vorschriftszeichen 220 i.V. mit § 41 Abs. 1 StVO („Wer am Verkehr teilnimmt, hat die durch Vorschriftzeichen nach Anlage 2 angeordneten Ge- oder Verbote zu befolgen“). Das Rückwärtsfahren in einer Einbahnstraße ist auch dann unzulässig, wenn es dazu dient, einem ausparkenden Fahrzeug Platz zu machen. Ein entgegenkommender Autofahrer muss grundsätzlich nicht damit rechnen, dass die Einbahnstraße in unzulässiger Richtung genutzt wird. | ||
BGH | 21.09.2023 | VI ZR 357/21 |
Das Betreten eines Waldwegs erfolgt auf eigene Gefahr. Wird der Wanderer durch einen umstürzenden Baum verletzt, handelt es sich um „waldtypische Gefahren“, mit denen Wanderer rechnen müssen. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei dem Wanderweg um einen touristisch stark frequentierten Weg handelt (hier: Harzer Hexenstieg). | ||
VGH München | 30.06.2023 | 22 ZB 22.2158 |
An der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit, die sich auf steuerliche Rückstände gründet, ändert ein Vollstreckungsaufschub (§ 258 AO) grundsätzlich nichts, es sei denn, ein solcher Aufschub ist Teil eines sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzepts, nach dem der Gewerbetreibende arbeitet. | ||
OVG Bremen | 18.04.2023 | 1 LB 27/23 |
Auch ein Verhalten außerhalb der Gewerbeausübung kann für die Beurteilung der Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden (hier eines Gastwirts) herangezogen werden, soweit sich daraus Rückschlüsse auf Charakter oder Verhaltensweisen des Gewerbetreibenden ziehen lassen, die ihrerseits auch für sein Gewerbe relevant werden können. Wer die Gefahrenquelle Gaststätte eröffnen will, muss sie beherrschen können und wollen. Dabei ist von einem Gaststättenbetreiber unter anderem deeskalierendes und gewaltvermeidendes Verhalten zu erwarten. | ||
BGH | 29.11.2023 | 1 StR 146/23 |
Der BGH entschied nun endgültig über die zwischen den Gerichten strittige Frage, ob das Fälschen digitaler Impfzertifikate ein Allgemeindelikt ist, das von Jedermann begangen werden kann, ohne Arzt oder Apotheker zu sein: Die vom Gesetzgeber genutzte Verweisungstechnik auf § 22 Abs. 5 Satz 1 IfSG a.F. schränkt den möglichen Täterkreis nicht ein. Bei § 75a Abs. 1 IfSG a.F., der fehlerhaften Bescheinigung einer Schutzimpfung, handelt es sich um ein Allgemein- und nicht um ein Sonderdelikt, das den Täterkreis auf Ärzte und Apotheker beschränkt. Daraus folgt, dass sich jedermann strafbar machen kann, der eine gefälschte Bescheinigung ohne eine Schutzimpfung ausstellt. | ||
VG Göttingen | 30.11.2023 | 4 A 212/20 |
Die Abriegelung eines Wohnkomplexes zum Zweck der Quarantäne der Bewohner im Juni 2020 wegen zahlreicher positiv auf Corona getesteter Bewohner war rechtswidrig. Das Infektionsschutzgesetz sieht diese Maßnahme nicht vor. | ||
OLG Frankfurt a. M. | 20.11.2023 | 17 U 121/23 |
Ein Fahrzeug des Rettungsdienstes ist bei einer Einsatzfahrt von den Vorschriften der StVO befreit. Die Verkehrssicherheit geht aber vor und hat Vorrang gegenüber dem Interesse des Einsatzfahrzeugs am raschen Vorwärtskommen. Je mehr der Fahrer eines Krankenwagens von den Verkehrsregeln abweicht, umso sorgfältiger muss er fahren. Überquert ein Rettungswagen mit Blaulicht und Martinshorn bei Rot eine Kreuzung und kollidiert mit einem bei Grün querenden Fahrzeug, beträgt die Haftungsquote 50:50. | ||
LSG Hessen | 18.10.2023 | L 4 SO 180/21 |
Das Erfordernis einer qualifizierten elektronischen Signatur gilt auch für schwerbehinderte Menschen. Bei der elektronischen Übermittlung muss sichergestellt sein, dass nur solche Schreiben als Widerspruch gewertet werden, aus denen sich klar ergibt, dass sie von dem Betreffenden willentlich in den Verkehr gebracht worden sind. Dies ist bei einer einfachen E-Mail nicht der Fall. | ||
OVG Bautzen | 04.12.2023 | 6 B 55/23 |
Verwenden Gefahrenabwehrbehörden personenbezogene Daten, die von Verfassungsschutzbehörden mit nachrichtendienstlichen Mitteln ersterhoben wurden, liegt ein geänderter Verwendungszweck (hier i.S. von § 5 Satz 1 SächsDSUG) vor. Bezweckt ihre Verwendung durch Gefahrenabwehrbehörden die Verhinderung von Straftaten, ist dies – jedenfalls bei Fehlen einer spezifischen verfassungskonformen Datenübermittlungs- und ‑verwendungsvorschrift – nur verhältnismäßig, wenn sie der Verhinderung besonders schwerer Straftaten dient. | ||
VG Schleswig | 30.11.2023 | 8 B 32/23 |
Detailliert beschriebene brandschutztechnische Mängel sowie eine fehlende Baugenehmigung für vorgenommene bauliche Änderungen begründen einen Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften und rechtfertigen eine Nutzungsuntersagung mit Anordnung der sofortigen Vollziehung. | ||
OVG Magdeburg | 24.04.2023 | 3 M 6/23 |
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