Obdachlosigkeit: Anspruch auf Wiedereinweisung in die frühere Wohnung?
Hat ein Obdachloser nach Bezug einer Gemeinschaftsunterkunft einen Anspruch auf Wiedereinweisung in die zuletzt bezogenen Wohnung (VG München, Beschluss vom 30.07.2019, Az. M 22 E 19.3507)?
Räumung der Wohnung wegen Mietschulden
Nach einer vereinfachten Räumungsvollstreckung, d.h. ohne Wegschaffen der in der Wohnung befindlichen Sachen, wurde ein säumiger Mieter aus dem Besitz der von ihm bislang genutzten Wohnung gesetzt. Auf seinen Antrag hin stellte ihm die Gemeinde eine Notunterkunft in der von ihr betriebenen Einrichtung zur Unterbringung von Obdachlosen zur Verfügung.
Nach seiner zweiwöchigen Unterbringung im Obdachlosenheim beantragte er die Einweisung in seine vorherige Wohnung, aus der er ausziehen musste. Seinen Antrag begründete er mit den gesundheitlichen Folgen nach dem Verlassen der gewohnten Umgebung und den negativen Auswirkungen der Unterbringung im Obdachlosenheim. Außerdem drohe der Verlust seiner in der Mietwohnung zurückgebliebenen Habe.
Klage gegen Weigerung der Ordnungsbehörde
Die Gemeinde lehnte den Antrag ab. Gegen die Ablehnung klagt der vor die Tür gesetzte Mieter.
Obdachlosigkeit ist beseitigt
Der Ordnungsbehörde ist nach den Polizei- und Ordnungsbehördengesetzen der Bundesländer Ermessen eingeräumt (hier: Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG), das sich in Obdachlosenfällen regelmäßig auf die Frage beschränkt, in welcher Weise der Gefahr zu begegnen ist.
Dieses Ermessen, so das VG München, hat die Gemeinde mit dem Zuweisen einer Notunterkunft ausgeübt. Die Obdachlosigkeit wurde damit beseitigt.
Rechte des Vermieters beachten
Bei einer Wiedereinweisung eines Räumungsschuldners in seine bisherige Wohnung wäre gegenüber dem Hauseigentümer bzw. Vermieter eine Beschlagnahmeverfügung zu erlassen. Aus diesem Grund ist die Wiedereinweisung in seine bisherige Wohnung zur Abwendung der Obdachlosigkeit wegen des damit verbundenen Eingriffs in das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsrecht des Hauseigentümers bzw. Vermieters nur ausnahmsweise in Fällen schwerster Notlagen und nur für einen eng begrenzten Zeitraum zulässig. Zudem setzt die Wiedereinweisung auch voraus, dass die Ordnungsbehörde der Gefahr nicht auf andere Weise – insbesondere durch Unterbringung des Betroffenen in einer kommunalen Obdachlosenunterkunft oder durch die Zurverfügungstellung angemieteter Räumlichkeiten – abhelfen kann. Diese Voraussetzungen liegen aber nicht vor.
Ergebnis: kein Anspruch auf Wiedereinweisung in frühere Wohnung
Die Befürchtung, dass die Entsorgung der bei dem Auszug dort verbliebenen Habe droht, und negative gesundheitliche Folgen nach dem Verlassen der gewohnten Umgebung begründen keinen Anspruch auf Wiedereinweisung in die frühere Wohnung. Einer Wiedereinweisung steht zudem das Eigentumsrecht des Vermieters entgegen.
Der Beschluss ist abrufbar unter https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2019-N-16507?hl=true