23.01.2020

Obdachloser Rettungssanitäter: Anspruch auf ein Einzelzimmer?

Ein an AIDS erkrankter Rettungssanitäter wollte ein Einzelzimmer in der Obdachlosenunterkunft der Gemeinde erstreiten. Weil die Ordnungsbehörde dies verweigerte, rief der Obdachlose das VG München an (Beschl. vom 05.12.2019; Az. M 22 E 19.5853).

obdachloser Rettungssanitäter Einzelzimmer

Antrag auf Obdachlosenunterbringung im Einzelzimmer

Ein obdachloser Rettungssanitäter beantragte bei der zuständigen Ordnungsbehörde eine Unterbringung in einem Einzelzimmer. Er habe seine Wohnung verloren und könne bei der derzeitigen Kälte nunmehr nicht mehr draußen nächtigen, begründete er seinen Antrag. Außerdem erfordere seine Arbeit ein ruhiges Zimmer. Er sei homosexuell sowie HIV-positiv. Aus diesen Gründen komme eine Unterbringung in einem Mehrbettzimmer nicht in Betracht.

Die Gemeinde wies dem Rettungssanitäter ein Mehrbettzimmer zu. Der Rettungssanitäter klagte vor dem VG München.

Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung

Die Gemeinde hat als örtlich zuständige Ordnungsbehörde (hier nach Art. 6 LStVG Bayern) die Aufgabe der Gefahrenabwehr. Hierzu zählt auch die Beseitigung einer – unfreiwilligen – Obdachlosigkeit. Aus dieser gesetzlichen Verpflichtung ergibt sich ein Anspruch des Betroffenen auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Unterbringung. Ein solcher Anspruch kann allerdings nur dann angenommen werden, soweit und solange der Betroffene die Gefahr nicht selbst aus eigenen Kräften oder mithilfe der Sozialleistungsträger beheben kann.

Obdachloser Rettungssanitäter kann Unterbringung in gewünschter Unterkunft nicht geltend machen

Die von der Ordnungsbehörde zu leistende Obdachlosenfürsorge dient dabei nicht der „wohnungsmäßigen Versorgung“, sondern der Verschaffung einer vorübergehenden Unterkunft einfacher Art. Obdachlose Personen müssen, weil ihre Unterbringung nur eine Notlösung sein kann, eine weitgehende Einschränkung ihrer Wohnansprüche hinnehmen, wobei die Grenze zumutbarer Einschränkungen dort liegt, wo die Anforderungen an eine menschenwürdige, das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit achtende Unterbringung nicht mehr eingehalten sind.

Der Betroffene kann grundsätzlich nicht die Unterbringung in einer bestimmten oder von ihm gewünschten Unterkunft geltend machen. Die Zurverfügungstellung eines Bettplatzes in einem Mehrbettzimmer ist zur Abwehr der sich aus der Obdachlosigkeit ergebenden Gefahren grundsätzlich ausreichend. Ein Anspruch auf Unterbringung in einem Einzelzimmer ist nur unter engen Voraussetzungen denkbar, etwa wenn dies gesundheitlich notwendig ist.

Besteht gesundheitliche Notwendigkeit zum Unterbringen im Einzelzimmer?

Allein aus der sexuellen Orientierung sowie einer (nachgewiesenen) HIV-Infektion lässt sich keine Indikation für die Zurverfügungstellung eines Einzelzimmers ableiten, entschied das VG. Auch die Tätigkeit als Rettungssanitäter in der Nachtschicht und der damit nachvollziehbare Wunsch nach einem ruhigen (Einzel-)Zimmer führt zu keiner anderen Beurteilung. Derartige Unannehmlichkeiten sind, zumal es sich im Rahmen der obdachlosenrechtlichen Unterbringung immer nur um eine vorübergehende Notmaßnahme handelt, hinzunehmen.

Folglich ist eine medizinische Notwendigkeit, die die Unterbringung in einem Einzelzimmer zulassen würde, nicht ersichtlich.

Ergebnis: Klage abgewiesen

Die Klage des obdachlosen Rettungssanitäters wurde abgewiesen. Die Ordnungsbehörde hat dem Obdachlosen ermessensfehlerfrei ein Mehrbettzimmer zugewiesen.

Der Beschluss ist abrufbar unter https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2019-N-31539?hl=true

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)