Glücksspielrecht: Diese neuen Urteile müssen Sie beachten
Wir stellen zwei Urteile von Obergerichten zum Glücksspielrecht mit Auswirkungen auf die Verwaltungspraxis vor:
Sind Ausnahmen von den Vorgaben des GlüStV im Rahmen einer Härtefallregelung bei Unterschreiten des Mindestabstands zu Schulen möglich?
Der Betreiber einer Spielhalle beantragte, ihn im Zuge einer Härtefallregelung befristet für einen angemessenen Zeitraum, der jedenfalls bis zum 30.6.2032 laufen solle, von der Einhaltung der Anforderungen des LGlüG und des Ersten GlüStV im Rahmen einer Härtefallregelung zu befreien. Der Antrag wurde unter Hinweis auf das Unterschreiten des Mindestabstandes zu einer Realschule und einem Gymnasium abgelehnt. Der Betreiber klagte gegen die Ablehnung.
Der VGH Mannheim (Urteil vom 09.12.2021, Az. 6 S 472/20) entschied:
Rechtsgrundlage für die Erteilung einer Erlaubnis für den Betrieb einer Spielhalle ist das LGlüG (hier: § 41 Abs. 1 Satz 1 BWGlüG). Die Erlaubnis nach dem LGlüG ersetzt die Erlaubnis nach § 33i GewO und umfasst die Erlaubnis nach Art. 1 § 24 Abs. 1 Erster GlüÄndStV. Das Erteilen der Erlaubnis setzt voraus, dass keiner der im LGlüG genannten Versagungsgründe vorliegt. Ein Versagungsgrund ist das Unterschreiten des Mindestabstandes zu einer Schule oder einer Jugendeinrichtung.
Der VGH Mannheim schloss sich der Rechtsprechung des BVerfG zu den entsprechenden Vorschriften der Länder Bayern, Berlin und Saarland an (BVerfG, Beschl. vom 07.03.2017, Az. 1 BvR 1694/13, 1 BvR 1314/12, 1 BvR 1630/12, 1 BvR 1694/13, 1 BvR 1874/13): Die Abstandsgebote verfolgen das legitime Ziel, zur Verhinderung der Entstehung von Glücksspielsucht beizutragen und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen.
Bedeutung für den konkreten Fall
Die Ablehnung des Antrags auf Erteilen der glücksspielrechtlichen Spielhallenerlaubnis wegen dem Unterschreiten des Mindestabstands erfolgte rechtmäßig. Auch das Ablehnen des Antrags auf Erteilen der Erlaubnis im Rahmen einer Härtefallregelung erfolgte zu Recht. Wegen der gebotenen Betrachtung des gesamten räumlichen Geltungsbereichs des LGlüG kommt es nicht darauf an, ob dem Betreiber für seine Spielhalle in der betroffenen Gemeinde wegen dieser Einschränkungen kein anderer Standort zur Verfügung steht. Denn er hat auch nicht substanziiert dargelegt, dass er im gesamten Bundesland keinen neuen Standort mehr in Betrieb nehmen kann.
Kann der Betrieb einer Spielhalle ohne Erlaubnis vorübergehend geduldet werden?
Ein Ausnahmefall, in dem ein Spielhallenbetrieb ohne die hierfür erforderliche Erlaubnis geduldet wird, kann insbesondere aus Gründen
- effektiven Rechtsschutzes anzunehmen sein oder
- sich daraus ergeben, dass die materiellen Erlaubnisvoraussetzungen offensichtlich, d. h. ohne weitere Prüfung erkennbar erfüllt sind,
entschied das OVG Münster (Beschl. vom 24.03.2022, Az. 4 B 1520/21).
Zu a): Ein Grund für den effektiven Rechtsschutz kann vorliegen, wenn ein Antrag auf Spielhallenerlaubnis abgelehnt wurde, weil die Auswahlentscheidung zwischen mehreren konkurrierenden Spielhallen rechtswidrig ist.
Seit dem 01.07.2021 kann in Nordrhein-Westfalen eine Duldung über die gesetzlich vorgesehenen Fälle fortgeltender Erlaubnisse nach § 18 Abs. 2 AG GlüStV NRW und Duldungen nach § 18 Abs. 3 AG GlüStV NRW hinaus etwa dann geboten sein, wenn Konkurrenzsituationen nach Ablauf der fünfjährigen Übergangsfrist nach § 29 Abs. 4 Satz 2 GlüStV a. F. vor Inkrafttreten der Neuregelung am 01.07.2021 nicht mehr abschließend aufgelöst werden konnten, obwohl der die Duldung begehrende Spielhallenbetreiber das ihm Mögliche zur Erlangung einer eigenen Spielhallenerlaubnis getan, insbesondere rechtzeitig um gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht hat.
Zu b): Ferner kann sich im Einzelfall aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine Pflicht ergeben, eine ohne Erlaubnis und damit formell illegal betriebene Spielhalle bis zu einer Entscheidung über den Erlaubnisantrag zu dulden. Dies ist nur dann anzunehmen, wenn die formell illegale Tätigkeit die materiellen Erlaubnisvoraussetzungen erfüllt und dies offensichtlich, d. h. ohne weitere Prüfung erkennbar ist, so dass die Untersagung nicht mehr zur Gefahrenabwehr erforderlich ist.
Bedeutung für den konkreten Fall
Der Spielhallenbetreiber hatte im Jahr 2012 eine wesentliche Änderung der Raumaufteilung seiner Spielhalle vorgenommen. Durch Änderungen im räumlichen Bestand, so das OVG, wird der frühere Vertrauensschutz aufgegeben und die Frage neu aufgeworfen, ob die Spielhalle erlaubnisfähig ist. Weil er keine Erlaubnis beantragte, betrieb der Betreiber seine Spielhalle über Jahre formell illegal. Daraus kann kein Vertrauensschutz erwachsen, befand das OVG und sah für keine der beiden Ausnahmen einen Grund.