Neue Rechtsgrundlagen zum Schutz vor SARS-CoV-2
Der neu gewählte Bundestag hat die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ beendet. Was sich zunächst bei den aktuell hohen Fallzahlen als fahrlässig und als falsches Signal anfühlt, hat aber einen tieferen Sinn. Wir erläutern die neuen Rechtsgrundlagen und deren Bedeutung für die Praxis.
Unterschiedliche Lage in den Bundesländern
Annähernd 70% der Bevölkerung sind gegen SARS-CoV-2 geimpft und das Infektionsgeschehen ist in den Ländern so unterschiedlich, dass es fraglich ist, ob die bisherigen Rechtsgrundlagen weiterhin vor den Gerichten bestehen können. Die Ampel-Koalition hat dies erkannt und schon vor ihrer formalen Bildung ein Gesetz zur Änderung des IfSG in den Bundestag eingebracht.
Was ist neu?
§ 28a IfSG
§ 28a enthält nunmehr einen bundeseinheitlich anwendbaren Katalog als Rechtsgrundlage von Schutzmaßnahmen. Je nach dem Stand des Infektionsgeschehens können die erforderliche Schutzmaßnahmen getroffen werden. Die Vorschrift erlaubt die behördliche Anordnung von
- Abstandsgeboten im öffentlichen Raum,
- Kontaktbeschränkungen im privaten und öffentlichen Raum,
- Maskenpflicht sowie die Pflicht zur Vorlage von Impf-, Genesenen- oder Testnachweisen, Hygienekonzepten – auch unter Vorgabe von Personenobergrenzen,
- Auflagen für den Betrieb von Gemeinschaftseinrichtungen wie Hochschulen oder Einrichtungen der Erwachsenenbildung sowie
- Verarbeitung von Kontaktdaten von Kunden, Gästen oder Teilnehmern einer Veranstaltung.
§ 28a Abs. 7 IfSG
§ 28a Abs. 7 IfSG zählt die Schutzvorkehrungen auf, die bundesweit bis zum 19. März 2022 unabhängig von der festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite ergriffen werden können.
§ 28b IfSG
§ 28b (neu) führt die 3G-Regelung am Arbeitsplatz und im öffentlichen Nah- und Fernverkehr ein.
Beschäftigte sollen soweit wie möglich von zu Hause aus arbeiten.
Um vulnerable Gruppen besser zu schützen, gilt in Krankenhäusern, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen eine Testpflicht für Arbeitgeber, Beschäftigte sowie Besucherinnen und Besucher.
Übergangsregelung
Eine Übergangsregelung stellt sicher, dass von den Ländern bereits beschlossene Maßnahmen bis zum 15. Dezember 2021 bestehen bleiben können. Besteht eine besondere konkrete epidemische Gefahr, können die Länder durch den Beschluss der Landtage weitere Anordnungen treffen. Die Schutzmaßnahmen sind grundsätzlich bis 19. März 2022 befristet. Eine Fristverlängerung um drei Monate ist nur mit Beschluss des Bundestages möglich.
In Grundrechte eingreifen
Maßnahmen, die besonders stark in Grundrechte eingreifen, wie z.B. Ausgangsbeschränkungen, Veranstaltungs- und Versammlungsverbote oder Verbote der Sportausübung, können nicht mehr angeordnet werden.
Ausgeschlossen sind auch Reiseverbote sowie flächendeckende Schließungen von Hotels, Gaststätten oder Verkaufsstellen. Im Einzelfall bei akutem Auftreten von Infektionen können auch Einrichtungen geschlossen werden. Die besonderen Belange von Kindern und Jugendlichen sind zu berücksichtigen.
Urkundenfälschung bzw. Fälschung von Gesundheitszeugnissen
Durch Änderung des StGB werden die Tatbestände der Urkundenfälschung bzw. Fälschung von Gesundheitszeugnissen erweitert und präziser formuliert. Strafbar ist nun das unbefugte oder unrichtige Ausstellen von Gesundheitszeugnissen sowie deren Gebrauch. Dies gilt auch für unrichtige Impf- und Test-Dokumentationen oder entsprechender Bescheinigungen sowie die Herstellung von Blankett-Impfausweisen.
Prüfen, weiterentwickeln, evaluieren
Am 9. Dezember 2021 werden die Gesetzesänderungen auf seine Wirksamkeit hin geprüft und ggf. weiterentwickelt, mithin „evaluiert“.
Die Änderung des IfSG ist mit Wirkung vom 25. November 2021 in Kraft getreten. Bis zu diesem Datum erlassene Rechtsverordnungen der Bundesländer, die landesweit beispielsweise das Schließen von Gaststätten oder Hotels anordnen, gelten noch im Rahmen der Übergangsregelung bis 15. Dezember 2021.
Beschlüsse der Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen mit der Bundeskanzlerin
Die Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen haben zusammen mit der geschäftsführenden Bundeskanzlerin am 18. November beschlossen, unter welchen Voraussetzungen die Länder entsprechend § 28a Abs. 3 IfSG Schutzmaßnahmen aus dem Katalog des § 28a Abs. 7 IfSG anzuwenden haben:
- Ab einer Hospitalisierungsrate von 3 (Schwellenwert) müssen die Bundesländer jeweils landesweit die 2G-Regel für Freizeiteinrichtungen, Kultur- und Sportveranstaltungen, Gaststätten, Hotels und körpernahe Dienstleistungen einführen.
- Übersteigt der Schwellenwert 6, gilt 2G plus vor allem an Orten, an denen das Infektionsrisiko aufgrund der Anzahl der Personen und der schwierigeren Einhaltung von Hygienemaßnahmen besonders hoch ist, insbesondere in Diskotheken, Clubs und Bars.
- Ab einem Schwellenwert von 9 müssen die Länder das volle Instrumentarium des IfSG zum Einsatz bringen, insbesondere Kontaktbeschränkungen sowie Festlegen der maximalen Anzahl von Besuchern für Kultur- und Sportveranstaltungen, Hotels und Gaststätten.
- Je nach dem Infektionsgeschehen in den Bundesländern können diese landesweit die epidemische Lage ausrufen und weitere Einschränkungen treffen, z.B. untersagen von Kultur-, Freizeit- und Sportveranstaltungen.