21.10.2024

Muss ein Obdachloser auch bei sozialschädlichem Verhalten untergebracht werden?

Ein Obdachloser war nicht in der Lage, sich in der Obdachlosenunterkunft anzupassen. Die Gemeinde war nicht willens dies hinzunehmen, und zückte die rote Karte (VGH Mannheim, Beschl. vom 23.07.2024, 1 S 816/24).

Obdachlosenunterkunft

Rauswurf aus der Obdachlosenunterkunft

Die Ordnungsbehörde wies einen Obdachlosen, der zuvor in einem psychiatrischen Krankenhaus (PKH) untergebracht war und diese verlassen hatte, in eine gemeindeeigene Notunterkunft ein. Nach mehreren Polizeieinsätzen, die der Obdachlose verursacht hatte, ordnete sie sofort vollziehbar an, dass er die Notunterkunft zu verlassen habe. Er habe sowohl die Mitbewohner im Haus als auch die gesamte Nachbarschaft durch Lärm, Bedrohungen und sonstige Belästigungen massiv gestört. Er sei daher nicht unterbringungsfähig bzw. unterbringungswillig.

Rechtfertigt das sozialschädliche Verhalten den „Rauswurf“?

Der VGH runzelte erkennbar die Stirn: Eine aus einem sozialschädlichen Verhalten des Obdachlosen folgende „Unterbringungsunfähigkeit“ in einer Gemeinschaftseinrichtung lässt die grundsätzliche Verpflichtung der Ordnungs- bzw. Polizeibehörden zur Gefahrenabwehr unberührt. Nur in Ausnahmefällen kommt bei festgestellter Selbst- oder Fremdgefährdung vorrangig die Unterbringung in einem PKH nach den Vorschriften des § 1831 BGB oder des Psychisch-Kranke-Hilfe-Gesetzes in Betracht.

Bestand eine Eigen- bzw. Fremdgefährdung?

Ausweislich der Dokumentation der Vorfälle in der Behördenakte und in den Einsatzberichten haben die Polizeibeamten sowohl eine Eigen- als auch eine Fremdgefährdung verneint, fasste das Gericht den Inhalt der Behördenakte zusammen.

Ergebnis

Eine aus einem sozialschädlichen Verhalten des Obdachlosen folgende „Unterbringungsunfähigkeit“ in einer Gemeinschaftseinrichtung lässt die grundsätzliche Verpflichtung der Ordnungs- bzw. Polizeibehörden zur Gefahrenabwehr und damit zur Unterbringung des unfreiwillig Obdachlosen unberührt. Auch wenn feststeht, dass die Voraussetzungen seiner Unterbringung in einem PKH erfüllt sind, ist die drohende Obdachlosigkeit mit den Mitteln des Ordnungs- bzw. Polizeirechts zu verhindern, bis die Unterbringung im PKH vollzogen ist.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)