Muss die Gemeinde den Familiennachzug von Flüchtlingen unterbringen?
Wie weit reicht die Verpflichtung der Gemeinde zum Unterbringen von Angehörigen anerkannter Flüchtlinge (VGH München, Beschl. vom 15.02.2024, Az. 4 CE 24.60)?
Nachzug zum Ehemann
Die Ehefrau eines anerkannten Asylbewerbers reiste mit zwei Kindern im Weg des Familiennachzugs in das Bundesgebiet ein und wollte bei ihrem Ehemann wohnen. Dieser war in einer Flüchtlingsunterkunft als „Fehlbeleger“ untergebracht. Die für die Flüchtlingsunterkunft zuständige Gemeinde wies dieses Ansinnen ab.
Hinweis: „Fehlbeleger“ sind Asylbewerber, die weiter in einer Flüchtlingsunterkunft untergebracht sind, weil sie keine andere Wohnung gefunden haben.
Die Ehefrau rief das VG München an. Das Gericht verpflichtete die Gemeinde, der Ehefrau und den Kindern im Ort eine Obdachlosenunterkunft zuzuweisen. Gegen die Eilentscheidung des VG erhob die Gemeinde Beschwerde vor dem VGH München.
Obdachlosigkeit nicht freiwillig
Die Frau und ihre beiden Kinder haben sich allein durch die Einreise nach Deutschland nicht freiwillig in die Obdachlosigkeit begeben, auch wenn sie hier über keine Unterkunft verfügen. Freiwillig wäre die Obdachlosigkeit nur dann, wenn sich die Betroffenen bewusst für ein „Leben auf der Straße“ entschieden hätten. Das kann hier aber nicht angenommen werden. Die entstandene Obdachlosigkeit war zwar möglicherweise vorhersehbar, nicht aber freiwillig.
Zugelassener Familiennachzug nicht entscheidend
Dass der Bundesgesetzgeber im vorliegenden Fall den Familiennachzug trotz fehlenden Wohnraums gestattet und so möglicherweise eine Ursache für die Obdachlosigkeit gesetzt hat, entbindet die Gemeinde nicht von ihrer Aufgabe zur Obdachlosenunterbringung. Sie ist auch nach einem Ortswechsel der Ehefrau und ihrer Kinder für deren Unterbringung zuständig. Denn der Ortswechsel beruht allein auf dem Umstand, dass die Gemeinde ihre damals schon bestehende Unterbringungsverpflichtung nicht erfüllt hat.
Ergebnis
Der VGH wies die Beschwerde ab und entschied:
- Für die Obdachlosenunterbringung ist die Gemeinde des jeweiligen Aufenthaltsorts auch bei Ausländern zuständig, denen die Einreise im Wege des Familiennachzugs unter Verzicht auf das Wohnraumerfordernis erlaubt wurde.
- Lehnt die Gemeinde einen Antrag auf Unterbringung zu Unrecht ab, so bleibt sie örtlich zuständig, wenn der Obdachlose trotz eines zwischenzeitlichen Ortswechsels weiterhin in ihrem Gebiet Aufenthalt nehmen will.