21.03.2017

Muss Bruder die Bestattungskosten anstelle von Ehefrau und Kindern tragen?

Der VGH München (Beschl. vom 10.10.2016, Az. 4 ZB 16.1295) musste entscheiden, ob entfernte Verwandte die Bestattungskosten tragen müssen, wenn Ehefrau und Kinder als vorrangig Bestattungspflichtige im Ausland leben.

Bestattungskosten

Nach dem Tod eines Gemeindemitglieds forderte die Gemeinde dessen Bruder auf, den Verstorbenen zu bestatten. Der Bruder weigerte sich mit dem Argument, es seien vorrangig Bestattungspflichtige (die Ehefrau und ein Kind) vorhanden. Nach den Erkenntnissen der Gemeinde lebten aber beide in Polen. Sie reagierten nicht auf die Aufforderung zur Bestattung des Ehemanns bzw. Vaters. Gegen die Kostenforderung klagte der Bruder. Weil er vor dem Verwaltungsgericht unterlag, rief er den VGH München an.

Die Gerichtsentscheidung

  • Wenn eine Gemeinde, die im Wege der Ersatzvornahme (oder unmittelbaren Ausführung) für die Bestattung einer verstorbenen Person gesorgt hat, von einem der ursprünglich Bestattungspflichtigen Ersatz der angefallenen Kosten verlangen will, muss sie die in den Bestattungsgesetzen der Länder vorgeschriebene Reihenfolge beachten, wonach bei der Heranziehung der Verpflichteten der Grad der Verwandtschaft oder Schwägerschaft berücksichtigt werden „soll“ (siehe § 15 BestV Bayern).
  • Bei Sollvorschriften besteht im Regelfall die zwingende Verpflichtung, so zu verfahren, wie es im Gesetz bestimmt ist. Nur unter besonderen Umständen, die den Fall als atypisch erscheinen lassen, darf die Behörde von der gesetzlich vorgesehenen Verfahrensweise abweichen und nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden.
  • Für die Gemeinde kann diese Frage nur dann maßgebende Bedeutung erlangen, wenn die Realisierung ihres Zahlungsanspruchs von dieser Entscheidung abhängt.
  • Bei einer Inanspruchnahme von im Inland lebenden Angehörigen hat die Auswahl aus Sicht der Gemeinde keine Bedeutung, da bestattungsrechtliche Kostenbescheide im gesamten Bundesgebiet wirksam erlassen und gegebenenfalls vollstreckt werden können. Wegen des sozialrechtlichen Kostenübernahmeanspruchs aus § 74 SGB XII kann sich ein Verpflichteter auch nicht auf seine fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit berufen.
  • Im Normalfall muss die Gemeinde daher entsprechend der gesetzlichen Reihenfolge der Bestattungs- und Kostenpflichtigen den Grad der familiären Nähe berücksichtigen, sodass ebenso wie bei der privatrechtlichen Totenfürsorge die Ehegatten oder Lebenspartner vorrangig gegenüber den Verwandten und innerhalb der Verwandtschaft die Eltern und Kinder des Verstorbenen vorrangig gegenüber seinen Geschwistern heranzuziehen sind.
  • Eine Ausnahme von dieser gesetzlichen Rangfolge kann allerdings dann vorliegen, wenn die Anschrift eines bestattungspflichtigen näheren Angehörigen der Gemeinde nicht bekannt ist und auch nicht durch eine Melderegisterabfrage oder durch Nachfrage bei den weiteren Angehörigen des Verstorbenen ermittelt werden kann.
  • Da hier der vorrangige Kostenersatzanspruch entweder gar nicht oder nur mit erheblichem und im Vorhinein nicht absehbarem Verwaltungsaufwand – zum Beispiel durch Ermittlungen im privaten Umfeld des Verstorbenen – durchgesetzt werden kann, ist es der Gemeinde in einer solchen Situation nicht zumutbar, bis zum endgültigen Scheitern solcher Bemühungen von der Inanspruchnahme eines entfernteren Verwandten abzusehen.
  • Das Gleiche muss gelten, wenn ein vorrangig verpflichteter Angehöriger, dessen Adresse feststeht, einer schriftlichen Aufforderung zur Erstattung der gemeindlichen Aufwendungen nicht freiwillig nachkommt und zu der Zahlung auch rechtlich nicht gezwungen werden kann, weil er zum Beispiel weder einen Wohnsitz noch pfändbares Vermögen im Bundesgebiet besitzt.
  • Wohnt der vorrangig zur Bestattung verpflichtete Angehörige im Ausland, stellt sich die Sach- und Rechtslage schwieriger dar. Die Aufforderung zur Bestattung könnte zwar in den meisten Staaten zugestellt werden, der Bescheid kann aber nicht im Ausland vollstreckt werden, da deutsche Behörden im Ausland grundsätzlich keine hoheitlichen Befugnisse ausüben können. Selbst im Verhältnis zu den anderen Mitgliedstaaten der EU besteht kein Anspruch auf Vollstreckungshilfe, da es an einer entsprechenden unions- oder völkervertragsrechtlichen Verpflichtung fehlt.
  • Mit dem Erlass eines vollstreckbaren Bescheids kann eine Gemeinde daher ihren Kostenersatzanspruch gegen einen im Ausland wohnhaften Bestattungspflichtigen nicht zwangsweise durchsetzen, sofern sie nicht (ausnahmsweise) auf einen vollstreckungsrechtlich verwertbaren inländischen Vermögensgegenstand zugreifen kann.
  • Der Gemeinde war es folglich wegen fehlender Erfolgsaussichten nicht zuzumuten, weitere Verfahrensschritte zur Durchsetzung ihrer Forderung gegenüber den vorrangig bestattungspflichtigen Personen im Ausland zu unternehmen.

Ergebnis

Der Kostenfestsetzungsbescheid gegen den nachrangig bestattungspflichtigen Bruder erging rechtmäßig. Dieser muss die Kosten der Bestattung anstelle von Ehefrau und Kind tragen.

 Auswirkungen auf die Verwaltungspraxis

Wir empfehlen Ihnen, dieses Urteil in Erinnerung zu behalten. Eine Folge der Globalisierung und weltweiten Arbeitsteilung ist es, dass Familien getrennt werden und Teile von ihnen im Ausland leben und arbeiten. Es ist davon auszugehen, dass sich Fälle dieser Art künftig häufen und zu rechtlichen Auseinandersetzungen führen können. Argumentieren Sie so haarscharf wie der VGH München und entscheiden Sie nach diesen Kriterien, dann sind Sie auf der sicheren Seite.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)