Müssen Nachbarn eine Flüchtlingsunterkunft im Gewerbegebiet dulden?
Es häufen sich die Klagen von Anwohnern gegen das Unterbringen von Flüchtlingen in der Nachbarschaft. Das Verwaltungsgericht Schwerin musste entscheiden, ob eine Flüchtlingsunterkunft in einem Gewerbegebiet zulässig ist (Beschl. vom 19.01.2016, Az. 2 B 3825/15 SN).
In einer Gemeinde in Mecklenburg-Vorpommern wollte der Eigentümer ein Gebäude, das bisher als Pension genutzt wurde, in eine Unterkunft für Flüchtlinge und Asylbegehrende mit 41 Plätzen umbauen. Das betreffende Grundstück liegt in einem Gewerbegebiet. Der Nachbar, der auf dem angrenzenden Grundstück ein Gewerbe betreibt, erhob einen Drittwiderspruch gegen die Genehmigung der Nutzungsänderung.
Entscheidungsgründe
- Ein Gebietserhaltungsanspruch beruht darauf, dass die Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung (§ 1 Abs. 2 BauNVO) innerhalb eines Baugebiets nachbarschützend sind. Der Anspruch trägt dem Umstand Rechnung, dass die Planbetroffenen im Hinblick auf die Nutzung ihrer Grundstücke zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft verbunden sind.
- Ein Asylbewerberheim stellt keine der in § 8 Abs. 2 BauNVO genannten Nutzungsarten dar (Gewerbebetriebe aller Art, Lagerhäuser, Lagerplätze und öffentliche Betriebe, Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäude, Tankstellen und Anlagen für sportliche Zwecke) und ist mithin innerhalb des durch Bebauungsplan festgesetzten Gewerbegebiets nicht allgemein zulässig.
- Die geplante Asylunterkunft ist auch nicht nach § 8 Abs. 3 BauNVO ausnahmsweise zulässig, da es sich aufgrund der wohnähnlichen Nutzung solcher Unterkünfte nicht um Anlagen für soziale Zwecke handelt.
- Das Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen vom 20.11.2014 (BGBl. I 2014, Seite 1748) enthält Erleichterungen zur Bauleitplanung und zur planungsrechtlichen Zulässigkeit von Flüchtlingsunterkünften und stellt eine Reaktion auf die dramatische Zunahme von Flüchtlingsbewegungen in die Bundesrepublik mit dem Ziel dar, die Schaffung von menschenwürdigen Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge und Asylbewerber baurechtlich zu erleichtern.
- Nach Ermessen der Bauaufsichtsbehörde können nach § 246 Abs. 10 BauGB Ausnahmen für Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte oder sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende zugelassen werden, wenn an dem Standort Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können oder allgemein zulässig sind und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Ergebnis des Beschlusses vom 19.01.2016, Az. 2 B 3825/15 SN
Da die Gemeinde im konkreten Bebauungsplan Anlagen für soziale Zwecke im betreffenden Gebiet nicht ausgeschlossen hat, das Vorhaben keine Unruhe in der baulichen Situation des Gewerbegebiets stiftet und öffentliche Belange (siehe § 31 Abs. 2 BauGB) nicht betroffen sind, wurde der Antrag des Nachbarn zurückgewiesen.