16.12.2019

Rechtsprechung in Kürze: wichtige Entscheidungen (Dezember 2019)

Unterliegt der Ausschank dem Ladenschluss, wenn er im selben Raum wie der Einzelhandel betrieben wird? Das beantworten wir in der Rechtsprechungsübersicht.

Gericht Datum Aktenzeichen
Senat der Hansestadt Hamburg 30.10.2019 HmbGVBl. S. 349

Hamburg: Verordnung zum Schutz der öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen geändert

Der Hamburger Senat hat am 30.10.2019 die Verordnung zum Schutz der öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen vom 26.08.1975 geändert und einen § 10a eingefügt (HmbGVBl. S. 349).

Die Änderung untersagt es nun, auf Spielplätzen zu rauchen oder alkoholische Getränke bereitzustellen oder zu konsumieren.

Hinweis: Dies ist eine sinnvolle Regelung, welche auch in anderen Bundesländern in den örtlichen Polizei-/Ordnungsverordnungen Platz finden kann.

VGH München 05.11.2019 11 B 19.703

Anfechtungsklage gegen Zusatzzeichen

Eine Anfechtungsklage gegen ein Zusatzzeichen i.S.d. § 39 Abs. 3 Satz 1 StVO ist auch dann zulässig, wenn das Zusatzzeichen mit dem nicht angefochtenen Verkehrszeichen, auf das es sich bezieht, eine einheitliche Regelung bildet.

§ 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO regelt das Verhalten der Verkehrsteilnehmer an engen Straßenstellen, enthält aber keine Vorgabe an die Straßenverkehrsbehörde, durch Verkehrsregelungen die Entstehung von Engstellen durch parkende Fahrzeuge in schmalen Wohnstraßen zu verhindern. Erst wenn durch das Parkverhalten Gefahren für die Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs i.S.d. § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO entstehen, muss die Straßenverkehrsbehörde Maßnahmen erwägen.

VG Kassel 29.10.2019 3 L 2280/19.KS

Ausschank und Ladenschluss

Wird in demselben Raum Einzelhandel und Ausschank betrieben, so unterliegt der Ausschank dem Ladenschluss nicht. Ein begehbarer Raum in einem Gebäude ist kein Kiosk.

OLG Karlsruhe 10.10.2019 7 U 86/18

Schadensersatz nach Bissverletzung

Ein Hundehalter kann wegen einer Bissverletzung am Kopf durch einen freilaufenden Hund Schadensersatz und Schmerzensgeld verlangen, auch wenn nicht feststellbar ist, ob er im Rahmen des Gerangels zwischen beiden Hunden von seinem eigenen Hund oder dem freilaufenden Hund gebissen wurde.

VG Mainz 09.10.2019 3 K 25/19.MZ

Schutz vor ablaufendem Regenwasser

Der Eigentümer einer landwirtschaftlichen Hofstelle kann von der Gemeinde grundsätzlich keinen Schutz vor aus einem angrenzenden Wirtschaftsweg ablaufendem Regenwasser verlangen. Ein Wasserübertritt bei stärkeren Regengüssen ist als ortsüblich zu dulden. Auch ein Anspruch auf Vermeidung des Übertritts von auf dem Wirtschaftsweg stehendem Oberflächenwasser auf das angrenzende klägerische Grundstück besteht nicht. Der Kläger ist zu zumutbaren Vorsorgemaßnahmen selbst verpflichtet.

VG Hannover 17.07.2019 7 A 7457/17

Fahrradstraße

Die verkehrsbehördliche Anordnung einer „Fahrradstraße“ ist mit dem Zusatzzeichen „Kraftfahrzeuge frei“ in beiden Richtungen untrennbar verbunden. Das Zusatzzeichen „Kraftfahrzeuge frei“ in beiden Richtungen stellt in dieser konkreten Konstellation keinen eigenständigen, angreifbaren Verwaltungsakt, sondern vielmehr einen Bestandteil einer einheitlichen Gesamtregelung dar. Die Anordnung einer Fahrradstraße ist in einer gesondert angeordneten Tempo-30-Zone mit einer – wegen des zugelassenen ruhenden Verkehrs verbleibenden – Fahrgasse mit einer Breite zwischen etwa 3,00 bis 3,45 m bei gleichzeitig mit Zusatzzeichen zugelassenem und nicht auf Anlieger beschränktem Zweirichtungsverkehr von Kraftfahrzeugen wegen der Nichtgewährleistung des erforderlichen seitlichen Mindestsicherheitsabstandes zu entgegenkommenden Radfahrern bereits nicht zwingend erforderlich im Sinne des § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO.

OVG Bautzen 23.05.2019 3 B 155/19

Wahlwerbung

Derjenige, dessen Wahlvorschlag zugelassen wurde, kann sich für seine Wahlwerbung auf Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG berufen. Hiervon ist auch das Recht umfasst, Kritik auch in überspitzter und polemischer Form zu äußern. Dass eine Aussage scharf und übersteigert formuliert ist, entzieht sie nicht schon dem Schutzbereich des Grundrechts. Eine Entfernung von Wahlplakaten ist hiernach nur zulässig, wenn durch sie gegen allgemeine Strafgesetze verstoßen wird, die kein Sonderrecht gegen die Parteien enthalten, und wenn dieser Verstoß evident ist und nicht leicht wiegt, so dass kein Zweifel bestehen kann, dass im konkreten Fall eine ins Gewicht fallende Verletzung des vom Strafrecht geschützten Rechtsguts vorliegt.

KG 13.05.2019 3 Ws (B) 111/19 – 162 Ss 46/19

Fahrverbot für freiberuflichen Zahnarzt

Von der Anordnung eines Fahrverbots kann nur dann abgesehen werden, wenn der Sachverhalt so erheblich vom Regelfall abweicht und deswegen Ausnahmecharakter hat, dass es eine unangemessene Härte darstellt. Dass die Anordnung des Fahrverbots eine solche ganz außergewöhnliche Härte darstellt, ist bei einem freiberuflichen Zahnarzt, der außerhalb der Sprechzeiten seiner Praxis auch Hausbesuche durchführt, nicht ersichtlich.

BVerwG 27.03.2019 6 C 2.18

(Private) Videoüberwachung

Die (private) Videoüberwachung ist zur Verhinderung von Straftaten erforderlich, wenn in Bezug auf die beobachteten Räume eine erheblich über das allgemeine Lebensrisiko hinausgehende Gefährdungslage besteht. Die DSGVO der EU gilt nicht für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Anordnungen zur Beseitigung datenschutzrechtlicher Verstöße, die die Behörden vor deren Geltungsbeginn auf der Grundlage des nationalen Rechts getroffen haben. Die Zulässigkeit von Videoüberwachungen zu privaten Zwecken richtet sich nunmehr nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1f DS-GVO.

OLG Brandenburg 25.02.2019 (1 B) 53 Ss-OWi 41/19 (45/19)

Höchstgeschwindigkeit wegen Notdurft überschritten

Ein Autofahrer, der die Höchstgeschwindigkeit überschreitet, weil er dringend auf die Toilette muss, muss trotzdem mit einem Bußgeld und einem Fahrverbot rechnen, denn eine Notdurft ist nicht ohne weiteres ein Notstand.

Autor*in: Georg Huttner / Uwe Schmidt