23.07.2018

Wann ist eine sonntägliche Ladenöffnung im öffentlichen Interesse?

Wie ist der Begriff des „öffentlichen Interesses“ nach der Änderung des LÖG NRW auszulegen? Dieser Frage musste sich das VG Düsseldorf (Beschl. vom 22.05.2018, Az. 3 L 1462/18) stellen.

Ladenöffnung Sonntag öffentliches Interesse

Anlässlich einer Motorshow gab der Rat einer Stadt in NRW die Ladenöffnung am Sonntag mit einer Rechtsverordnung frei. Die Beschlussvorlage an den Rat der Stadt enthielt lediglich den Gesetzestext und den Antrag von Autohäusern der Stadt und der Umgebung, die an dem Tag der Sonntagsöffnung eine gewerbliche Werbepräsentation von „Neuheiten aus der Motorwelt“ durchführen wollten. Gegen die Rechtsverordnung klagte eine Gewerkschaft.

Entscheidungsgründe

  • Eine Rechtsverordnung, mit der die Ladenöffnung an einem Sonntag erlaubt wird, muss dem verfassungsrechtlichen Schutzauftrag aus Art. 140 GG i.V.m. Art. 139 WRV, der ein Mindestniveau des Sonn- und Feiertagsschutzes gewährleistet und für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen ein Regel-Ausnahme-Verhältnis statuiert, gerecht werden.
  • Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 LÖG NRW dürfen Verkaufsstellen an jährlich höchstens acht Sonn- oder Feiertagen im öffentlichen Interesse ab 13 Uhr bis zur Dauer von fünf Stunden geöffnet sein. Satz 2 normiert als (jeweils nicht abschließende) Regelvermutung fünf Fälle, bei denen ein solches öffentliches Interesse insbesondere vorliegt. Dabei wird das Vorliegen eines Zusammenhangs i.S.d. Satzes 2 Nr. 1 vermutet, wenn die Ladenöffnung in räumlicher Nähe zur örtlichen Veranstaltung sowie am selben Tag erfolgt (gesetzliche Regelvermutung).
  • § 6 Abs. 4 LÖG NRW ermächtigt die zuständige örtliche Ordnungsbehörde u.a. dazu, die Tage nach Abs. 1 durch Verordnungen freizugeben. Die Freigabe kann sich auf bestimmte Bezirke, Ortsteile und Handelszweige beschränken.
  • Wegen des verfassungsrechtlichen Schutzauftrags der Sonn- und Feiertagsruhe ist für eine Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen ein besonderer Sachgrund erforderlich. Dieser ist von der zuständigen örtlichen Ordnungsbehörde im jeweiligen Einzelfall zu prüfen und in einer nachvollziehbaren – dokumentierten – Weise zu begründen.
  • Dabei muss berücksichtigt werden, ob der Sachgrund hinreichend gewichtig ist, um die konkret beabsichtigte Ladenöffnung auch hinsichtlich des räumlichen Geltungsbereichs zu rechtfertigen. Bei der Entscheidung ist dem verfassungsrechtlichen Regel-Ausnahme-Verhältnis Rechnung zu tragen.
  • Für die Annahme eines öffentlichen Interesses reicht weder die bloße Bejahung eines Zusammenhangs zwischen der anlassgebenden Veranstaltung und der Ladenöffnung gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LÖG NRW noch ein allgemeiner Verweis auf das Vorliegen der in Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bis 5 normierten Gründe.
  • Hierüber hat sich der Verordnungsgeber vor Erlass einer Verordnung – nachprüfbar – Gewissheit zu verschaffen, da nur auf einer solchen Grundlage die notwendige Abwägungsentscheidung möglich und gerichtlich überprüfbar ist.
  • Diese Vorgaben hat der Rat der Stadt nicht beachtet, denn ausweislich der Verwaltungsvorgänge hat er seine Entscheidung lediglich aufgrund einer Beschlussvorlage mit den beigefügten Anlagen des Verordnungstextes und des gestellten Antrags getroffen.
  • Zu prüfen ist, ob die im Satz 2 Nr. 1 aufgeführten Messen der Vorführung von (neuen) Waren und Produkten dienen. Von einem vom LÖG legalisierten Anlass kann auch wegen der Verbindung der Veranstaltung mit „umweltfreundlichen und innovativen Mobilitätsangeboten“ ausgegangen werden.
  • Es ist aber nicht ersichtlich, dass sich die Stadt nachvollziehbar Gewissheit darüber verschafft hat, ob die geplante Veranstaltung mehr bzw. wie viel mehr Besucher anlockt als die von der sonntäglichen Ladenöffnung erfassten Geschäfte, oder dass sie über diesbezügliche verlässliche und gesicherte – dokumentierte – eigene Erkenntnisse verfügt. Hiervon ist sie durch den aktuellen Gesetzestext (weiterhin) nicht entbunden. Denn nur auf einer gesicherten Tatsachengrundlage bezüglich Charakter, Größe und Zuschnitt der Veranstaltung kann verlässlich beurteilt werden, ob diese einen hinreichend gewichtigen Sachgrund darstellt, der die in der beabsichtigten Ladenöffnung liegende Ausnahme von der Regel der grundgesetzlich geschützten Sonntagsruhe rechtfertigt, weil sie eine besondere Anziehungskraft auf Besucher entwickelt.

Ergebnis

Das VG Düsseldorf gab dem Eilantrag der Gewerkschaft statt und setzte die Rechtsverordnung der Stadt außer Vollzug.

Der Beschluss ist abrufbar unter https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_duesseldorf/j2018/3_L_1462_18_Beschluss_20180522.html

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)