12.08.2016

Keine Gurtanschnallpflicht bei Schrittgeschwindigkeit im Kreisverkehr?

Auch in einem Kreisverkehr darf ein Fahrzeugführer in einem besonderen Fall unangeschnallt fahren, wenn er Schrittgeschwindigkeit fährt. Die Tatsache, dass sich der Fahrzeugführer zur Tatzeit im fließenden Verkehr befand und dass an der Tatörtlichkeit üblicherweise schneller als mit Schrittgeschwindigkeit gefahren wird, ist dabei ohne Belang (AG Lüdinghausen, Urteil vom. 30.05.2016, Az. 19 OWi-89 Js 968/16-92/16).

Dem Betroffenen wurde vorgeworfen, eine öffentliche Straße mit Kreisverkehr mit einem PKW befahren zu haben, wobei er den Sicherheitsgurt nicht angelegt gehabt habe. Der Betroffene habe so gegen §§ 21a Abs. 1, 49 StVO, 24 StVG verstoßen.

Das Amtsgericht sprach den Betroffenen von diesem Vorwurf frei.

Entscheidungsgründe

  • Das Gericht konnte feststellen, dass der Betroffene tatsächlich unangeschnallt am Tattage an der Tatörtlichkeit gefahren war. Er kam von dem am Kreisverkehr … gelegenen Parkplatz einer Firma, wo er sich Essen gekauft hatte. Er durchfuhr langsam, gegebenenfalls auch in Schrittgeschwindigkeit den Kreisverkehr, um unmittelbar nach dem Kreisverkehr (5–10 m) rechtzeitig auf einen Parkstreifen zu fahren, um die dortige Apotheke aufzusuchen. Hierbei fiel er einem Polizeibeamten auf.
  • Der Betroffene hat gestanden, nicht angeschnallt gewesen zu sein. Er habe sich im Laufe des Kreisverkehrs bis zum Anhalten jedoch angeschnallt. Der Betroffene machte geltend, er sei im Haus-zu-Haus-Verkehr gefahren. Er sei auch nur Schrittgeschwindigkeit gefahren. Der Polizeibeamte erklärte, der Betroffene sei ihm im Kreisverkehr aufgefallen im Rahmen einer routinemäßigen Überwachungsmaßnahme mit dem Ziel, Gurt und sogenannte Handy-Verstöße festzustellen. Der Betroffene sei in einer Entfernung von 5–7 m von ihm entfernt unangeschnallt im Kreisverkehr beobachtet worden. Der Zeuge A. bestätigte, dass der Betroffene aus dem Parkplatzbereich der Firma gekommen sei und langsam, vielleicht auch in Schrittgeschwindigkeit, den Kreisverkehr durchfahren habe. Der Zeuge hatte dabei im Rahmen der Aussage das mögliche Fahren mit Schrittgeschwindigkeit nicht etwa nach Vorhalt, sondern selbst von sich aus benannt. Das Gericht hatte nur gefragt, mit welcher Geschwindigkeit der Betroffene wohl durch den Kreisverkehr gefahren sei.
  • Dementsprechend muss im Zweifel zugunsten des Betroffenen davon ausgegangen werden, dass er zur Tatzeit mit Schrittgeschwindigkeit gefahren ist und dementsprechend den Ausnahmetatbestand des § 21a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO erfüllt hat. § 21a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO nimmt aus der Gurtpflicht nämlich „Fahrten mit Schrittgeschwindigkeit wie Rückwärtsfahren, Fahrten auf Parkplätzen“ aus. Die Tatsache, dass der Betroffene sich zur Tatzeit im fließenden Verkehr befand und dass an der Tatörtlichkeit üblicherweise schneller als mit Schrittgeschwindigkeit gefahren wird, ist dabei ohne Belang. Dementsprechend durfte der Betroffene tatsächlich unangeschnallt fahren.
Autor*in: Georg Huttner / Uwe Schmidt