08.09.2017

Kann ein Nachbar ein Oldtimertreffen verhindern?

Ein 80 m vom Veranstaltungsgelände entfernt wohnender Nachbar wollte ein Oldtimertreffen verhindern, das einmal im Jahr stattfindet. Das VG München musste im Eilverfahren entscheiden (Beschl. vom 17.06.2017, Az. M 16 S 17.2177).

Oldtimertreffen Lärmbelästigung Gaststättenbetrieb Nachbarschutz

Seit Jahren veranstaltet ein Gastwirt jährlich ein von der zuständigen Gaststättenbehörde nach § 12 GastG des Bundes genehmigtes eintägiges „Vintage Motor & Music Festival“ (Oldtimertreffen), das tagsüber auf einem Freigelände und ab ca. 22.00 Uhr in einer Halle stattfindet. Das Veranstaltungsprogramm besteht aus moderierten Fahrzeugpräsentationen, Bewirtung und Live-Musik.

Die Gaststättenbehörde sprach hierzu eine Gestattung von 10.00 Uhr bis 22.00 Uhr auf dem Vorplatz (Bewirtung und Live-Musikbegleitung) aus. Ab ca. 22.00 Uhr durfte die Veranstaltung in der Halle mit Live-Musik fortgesetzt werden. Die Höchstbesucherzahl für das Außengelände wurde tagsüber auf ca. 1.500 Personen und abends ab 22.00 Uhr (Innenbereich der Halle) auf 800 Personen beschränkt. Bühne und Lautsprecher seien mit möglichst großem Abstand zur benachbarten Wohnbebauung aufzustellen und so auszurichten, dass eine direkte Beschallung vermieden werde.

Die Gaststättenbehörde erklärte zudem die Immissionsrichtwerte der Freizeitlärm-Richtlinie zum Inhalt der Gestattung.

Ein Nachbar erhob Klage mit der Begründung, in den Jahren zuvor sei die Lärmbelästigung unerträglich gewesen. Statt 1.500 Besucher seien mindestens 2.300 Besucher auf dem Freigelände gewesen.

Entscheidungsgründe

  • Bei einem Oldtimer-Treffen handelt es sich nicht um eine motorsportliche Veranstaltung.
  • Es besteht eine Erlaubnispflicht (oder Anordnungspflicht) nach § 12 GastG des Bundes.
  • Soweit ein Regelungsbedarf gerade durch den vorübergehenden Gaststättenbetrieb hervorgerufen wird, ist das Regelungssystem des Gaststättengesetzes, nicht das anderer Vorschriften (wie z.B. Art. 19 LStVG Bayern) heranzuziehen.
  • Demnach sind bei der summarischen Prüfung im Rahmen des Eilverfahrens die verfügten Auflagen zum Nachbarschutz nach §§ 12 Abs. 3, 5 GastG des Bundes zugrunde zu legen.
  • Besonderer Anlass ist das Oldtimertreffen bzw. die Oldtimervorführung mit Live-Musik. Diesbezüglich ist der Gastronomiebetrieb als Annex anzusehen.
  • Ob eine Gestattung nach § 12 Abs. 1 GastG des Bundes erteilt wird, ist eine Ermessensentscheidung. Hierbei sind die Schutzgüter des § 4 Abs. 1 GastG des Bundes zu beachten. Danach ist die Erlaubnis zu versagen, wenn der Betrieb im Hinblick auf seine örtliche Lage dem öffentlichen Interesse widerspricht, insbesondere schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des BImSchG oder sonst erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Allgemeinheit befürchten lässt.
  • Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind Gaststätten als immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige Anlagen einschließlich ihrer Freischankflächen so zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, verhindert werden.
  • Weil der Betrieb eines erlaubnisbedürftigen Gaststättengewerbes „unter erleichterten Voraussetzungen“ vorübergehend und auf Widerruf gestattet werden kann, sind bei der Bestimmung der Erheblichkeits- bzw. Zumutbarkeitsschwelle die Seltenheit des Anlasses und seine Besonderheit, d.h. seine Bewertung unter den Gesichtspunkten der Herkömmlichkeit, der Sozialadäquanz und der allgemeinen Akzeptanz, zu berücksichtigen. Eine generelle Freistellung von der Rücksichtnahme auf die benachbarte Wohnbebauung ist damit nicht verbunden.
  • Je kleiner die Zahl der Tage und Nächte mit Ruhestörungen ist, desto eher kann man diese der Nachbarschaft aus besonderem Anlass zumuten. Je größer die Zahl von Tagen und Nächten mit Ruhestörungen ist, desto gewichtiger muss der besondere Anlass sein, um die Zumutbarkeit für die Nachbarschaft zu begründen. Die Schädlichkeitsgrenze ist nicht nach einem festen und einheitlichen Maßstab, sondern vielmehr aufgrund einer auf die konkrete Situation bezogenen Abwägung und eines Ausgleichs der widerstreitenden Interessen im Einzelfall zu bestimmen. Notwendig ist eine umfassende Würdigung aller Umstände.
  • Die LAI-Freizeitlärm-Richtlinie kann hierzu im Rahmen von Gestattungen nach § 12 GastG des Bundes als Orientierungshilfe herangezogen werden.

Nun kam das Gericht auf den Punkt

  • In Bezug auf die erteilte Gestattung ist festzustellen, dass diese die Einhaltung der ohnehin für das Wohngrundstück des klagenden Nachbarn maßgeblichen Lärmwerte vorgibt und somit bereits weitestgehenden Nachbarschutz enthält. Die Gaststättenbehörde hat sich bei ihrer Entscheidung und der betreffenden Lärmschutzauflagen maßgeblich an der Vorgabe der LAI-Freizeitlärm-Richtlinie orientiert.
  • Die Betriebszeiten für den Gaststättenbetrieb auf der Freifläche sind als hinreichend bestimmt anzusehen. Die Auflagen betreffend den Lärmschutz in Bezug auf die Nachbarschaft sind auch hinreichend bestimmt, da konkrete Werte vorgegeben werden.
  • Der Nachbar hat in der Sache keinen materiellen Anspruch darauf, dass die im Bescheid festgesetzten allgemeinen Lärmwerte eingehalten werden, vielmehr besteht grundsätzlich nur ein Anspruch auf eine rechtsfehlerfreie Abwägung bzw. Ermittlung der Erheblichkeits- bzw. Zumutbarkeitsschwelle.
  • Durch die Festsetzungen in der Gestattung wird der klagende Nachbar nicht beschwert.

Ergebnisse

  • Wenn die Bewirtung ein sehr gewichtiges und prägendes Element einer nach § 12 GastG des Bundes gestattungspflichtigen Veranstaltung ist, sind für den Nachbarschutz die Regelungssysteme des Gaststättengesetzes und nicht die Vorschriften des subsidiären Landesrechts anzuwenden.
  • Bei offenen Erfolgsaussichten einer nachbarlichen Lärmschutzklage können im Rahmen der gerichtlichen Interesseabwägung für das öffentliche Interesse an der Durchführung einer Veranstaltung u.a. deren Bedeutung, der bisherige Vorbereitungsaufwand, angekündigte behördliche Überwachungsmaßnahmen, zeitliche Beschränkungen der Darbietungen und des Getränkeausschanks sowie das Verhalten anderer Anwohner und des betroffenen Antragstellers selbst berücksichtigt werden.
  • Folgerichtig gab das VG dem Oldtimertreffen „grünes Licht“.
Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)