21.10.2024

Kann auf Unterlassung einer kommunalen Videoüberwachung geklagt werden?

Der Bürger einer Gemeinde in Bayern ging gegen die Videoüberwachung einer Grünanlage vor (BVerwG, Beschl. vom 02.05.2024, Az. 6 B 66.23).

Videoüberwachung

Klage gegen die Videoüberwachung einer Grünanlage

Ein Bürger einer Stadt in Bayern war mit der kommunalen Videoüberwachung einer öffentlich zugänglichen Grünanlage, die der Entspannung und Erholung dient, nicht einverstanden. Er klagte auf Unterlassung der Aufzeichnung von Videobildern seiner Person. Das VG Regensburg (Urteil vom 06.08.2020, Az. RN 9 K 19.1061) sah einen auf die DSGVO gestützten Unterlassungsanspruch als gesperrt an verneinte daher einen aus dem europäischen Recht ableitbaren Unterlassungsanspruch. Als Berufungsgericht gab der VGH München (Urteil vom 30.05.2023, Az. 5 BV 20.2104) der Klage statt. Die Gemeinde beschwerte sich bei dem BVerwG.

Kann der Bürger Unterlassung verlangen?

Die Grundrechte schützen den Bürger vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art, auch durch schlichtes Verwaltungshandeln (Verwaltungsrealakt), bestätigte das Gericht den VGH. Infolgedessen kann der Bürger, wenn ihm eine Rechtsverletzung droht, unmittelbar gestützt auf das jeweils berührte Grundrecht Unterlassung verlangen, sofern ihm das einfache Gesetzesrecht keinen solchen Anspruch vermittelt. Dem Betroffenen steht das von Art. 2 Abs. 1 i.V. mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zur Seite und vermittelt ihm einen subjektiv-öffentlichen Unterlassungsanspruch gegen die Gemeinde.

Beweislast bei der Gemeinde

Der datenschutzrechtlich Verantwortliche, hier die Gemeinde, hat für die Einhaltung der Anforderungen von Art. 5 Abs. 1 DSGVO zu sorgen und muss daher nachweisen können, dass jeder der dort genannten Grundsätze eingehalten worden ist. Somit obliegt auch im Fall der Videoüberwachung die Beweislast bei der Gemeinde.

Gefährdungslage bewiesen?

Die tatbestandlich erforderliche Gefährdung der in Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayDSG genannten Rechtsgüter („Leben, Gesundheit, Freiheit oder Eigentum von Personen, die sich im Bereich öffentlicher Einrichtungen, öffentlicher Verkehrsmittel, von Dienstgebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen öffentlicher Stellen oder in deren unmittelbarer Nähe aufhalten“) konnte die Gemeinde nicht nachweisen. Daraus schloss das BVerwG, die Gefährdungslage sei für die Zukunft weder prognostiziert noch bewiesen.

Ergebnis

Art. 79 Abs. 1 DSGVO schließt das Geltendmachen eines öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs gegen die Datenverarbeitung im Bereich der kommunalen Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge – hier durch Videoüberwachung einer als öffentliche Einrichtung gewidmeten Grünfläche – nicht aus. Die Gemeinde hat die Gefährdungslage nachzuweisen.

Weil diese Voraussetzung nicht erfüllt war, wies das BVerwG die Beschwerde der Gemeinde gegen das Urteil des VGH München ab.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)