Ist die Betreiberin einer Kindertagesstätte gewerblich tätig?
Das Finanzgericht Hamburg musste entscheiden, ob die Betreiberin einer Kindertagesstätte gewerblich oder freiberuflich tätig ist (Urteil vom 20.01.2015, Az. 3 K 157/14).
Eine Diplom-Sozialpädagogin eröffnete im Jahr 2006 eine Kindertagesstätte, in der bis zu 45 Kinder in zwei Gruppen auf der Grundlage eines von ihr entwickelten pädagogischen Konzepts betreut wurden. In beiden Gruppen waren jeweils drei angestellte Erzieherinnen tätig. Daneben beschäftigte die Diplom-Sozialpädagogin jeweils in Teilzeit eine Verwaltungsangestellte, eine hauswirtschaftliche Kraft und eine Aushilfe im pädagogischen Bereich.
Das Finanzamt zog sie zur Gewerbesteuer heran, weil sie nicht erzieherisch tätig sei. Der Kernbereich der erzieherischen Tätigkeit liege in der täglichen Einflussnahme von Bezugspersonen auf das jeweilige Kind. Bei der Größe der Einrichtung könne der erforderliche persönliche Kontakt der Leiterin zu den Kindern nicht mehr gegeben sein.
Die Gerichtsentscheidung
- Die Gruppenerziehung von Kindern im Vorschulalter in einer Kindertagesstätte ist eine erzieherische Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG.
- Der Betreiber einer Kindertagesstätte wird trotz Beschäftigung fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte eigenverantwortlich tätig, wenn er durch regelmäßige und eingehende Kontrollen der Mitarbeiter maßgeblich auf die Erziehung jedes Kindes Einfluss nimmt und darüber hinaus eine persönliche Beziehung zwischen ihm und den einzelnen Kindern besteht.
- Werden in einer Kindertagesstätte 45 Kinder in zwei Gruppen durch insgesamt sechs angestellte Erzieherinnen betreut, kann das Merkmal der Eigenverantwortlichkeit erfüllt sein, insbesondere wenn die Leitung durch weiteres Personal von allgemeiner Verwaltungstätigkeit und sonstigen nichtpädagogischen Arbeiten entlastet wird.
Ergebnis
Das Gericht entschied, dass die Betreiberin der Kindertagesstätte freiberuflich und nicht gewerblich tätig ist. Es hob daher den Gewerbesteuerbescheid des Finanzamtes auf.
Auswirkungen auf die Verwaltungspraxis
Wie an dieser Stelle bereits mehrfach erläutert können Entscheidungen der Finanzgerichte nicht automatisch in das Gewerberecht übertragen werden. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 GewO findet diese keine Anwendung auf die Erziehung von Kindern gegen Entgelt. Stellt sich die vom FG Hamburg entschiedene Frage in Ihrem Amtsbereich, können Sie aber die Argumente des Gerichts bei der Auslegung des Tatbestands „Erziehung von Kindern gegen Entgelt“ berücksichtigen.