Änderungen des IfSG: Stabilere rechtliche Grundlage
Die bisherigen Maßnahmen der Regierungen zum Bewältigen der COVID-19-Pandemie wurden kritisiert, weil die getroffenen Schutzmaßnahmen auf der Grundlage einer Generalklausel ohne Legalisierung durch die Parlamente und weitgehend ohne Begründung erlassen wurden. Das „Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ räumt diese Kritik aus.
Corona-Maßnahmen von § 32 IfSG gedeckt?
Genügen die von den Landesregierungen getroffenen Maßnahmen zum Eindämmen der Corona-Pandemie dem Gesetzesvorbehalt, mit dem zum Ausdruck gebracht wird, dass Eingriffe in die Grundrechte der Bürger von einem förmlichen Gesetz gedeckt werden? Können die erheblichen Einschränkungen der Grundrechte allein vom Kreis der Ministerpräsidenten und der Kanzlerin beschlossen werden, ohne Aussprache im Parlament? Stellt die Generalklausel des § 32 IfSG eine ausreichende Grundlage für die Eingriffe in die Grundrechte des Menschen dar? Diese Fragen angesichts einer Flut von Grundrechtseinschränkungen wurden in den letzten Monaten verstärkt vorgetragen und diskutiert.
Um den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen und juristischen Niederlagen vor Gericht vorzubeugen, haben Bundestag und Bundesrat mit dem „Dritten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ (BGBl. I Nr. 52 S. 2397) das IfSG in mehreren Punkten geändert, insbesondere um den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Parlamentsvorbehalts zu entsprechen. Hauptsächlich der neue § 28a IfSG präzisiert die Einschränkungen für die Bürger im Hinblick auf Dauer, Reichweite und Intensität.
Welche wesentlichen Änderungen hat das IfSG erfahren?
- Die bislang in § 5 Abs. 2 IfSG vorgesehenen Regelungen zum Reiseverkehr werden für den Fall einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite in § 36 IfSG zusammengeführt und u.a. dahingehend angepasst, dass insbesondere auch eine digitale Einreiseanmeldung nach Aufenthalt in Risikogebieten verordnet werden kann, um eine bessere Überwachung durch die zuständigen Behörden zu ermöglichen.
- Mit dem Benennen von Regelbeispielen etwaiger Schutzmaßnahmen in § 28a IfSG wie Maskenpflicht oder Kontaktbeschränkungen gibt der Bundesgesetzgeber nun Reichweite und Grenzen exekutiven Handelns vor.
- Es werden Inzidenzreferenzwerte bestimmt, ab deren Überschreiten Schutzmaßnahmen getroffen bzw. verschärft oder bei deren Unterschreiten gelockert werden sollen.
- Das Erheben von Kontaktdaten und deren Verarbeitung sowie Löschung werden auf eine gesetzliche Grundlage gestellt.
- Dem RKI werden neuartige Instrumente an die Hand gegeben, insbesondere eine virologische Beobachtung. Auch das Beobachten von Symptomkombinationen durch Arztpraxen, die typisch für akute Atemwegserkrankungen sind, ist künftig eine Aufgabe des RKI.
- Bisherige Erfahrungen während der Pandemielage machen des Weiteren Anpassungen der Vorschriften zum Vollzug des IfSG durch die Bundeswehr, insbesondere in den Gesundheitsämtern, notwendig. Hierzu wurde § 54a IfSG (Vollzug durch die Bundeswehr) geändert und neu gefasst.
- Eine Entschädigung wegen Verdienstausfalls nach § 56 Abs. 1 Satz 2 IfSG soll auch dann ausgeschlossen sein, wenn der Absonderung eine vermeidbare Reise in Risikogebiete zugrunde liegt. Die Entschädigungsregelung des § 56 Abs. 1a IfSG wird bis zum 31.03.2021 verlängert. Gleichzeitig soll eine entsprechende Entschädigung ermöglicht werden, wenn Personen eine abgesonderte Person betreuen müssen.
Konkretisierung von Schutzmaßnahmen
Wurde eine epidemische Lage von nationaler Tragweite in Deutschland nach § 5 Abs. 1 IfSG festgestellt, wird der Bundesminister für Gesundheit ermächtigt, Rechtsverordnungen zu deren Bekämpfung zu erlassen. Mit einem bundesweit abgestimmten Verhalten sollen Gefahren effektiv bekämpft und die Akzeptanz der Maßnahmen gewährleistet werden. Zudem ist die Feststellung nach § 5 Abs. 1 IfSG tatbestandliche Voraussetzung für 17 ausdrücklich genannte besondere Schutzmaßnahmen nach § 28a Abs. 1 IfSG, u.a.:
- Anordnung eines Abstandsgebots im öffentlichen Raum
- Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (Maskenpflicht)
- Untersagung oder Beschränkung von Sportveranstaltungen und Freizeitsport
- Verbot der Alkoholabgabe oder des Alkoholkonsums
- Verbot von Veranstaltungen
- Verpflichtung zur Erstellung und Anwendung von Hygienekonzepten für Betriebe, Einrichtungen oder Angeboten mit Publikumsverkehr
- Untersagung oder Beschränkung des Betriebs von Einrichtungen, die der Freizeitgestaltung zuzurechnen sind
- Untersagung oder Beschränkung von Kulturveranstaltungen oder des Betriebs von Kultureinrichtungen
- Untersagung von oder Erteilung von Auflagen für das Abhalten von Veranstaltungen, Ansammlungen, Aufzügen, Versammlungen sowie religiösen oder weltanschaulichen Zusammenkünften
- Untersagung oder Beschränkung von Übernachtungsangeboten
- Untersagung oder Beschränkung des Betriebs von gastronomischen Einrichtungen
- Schließung oder Beschränkung von Betrieben, Gewerben, Einzel- oder Großhandelsbetrieben
- Anordnung der Erhebung der Kontaktdaten von Kunden, Gästen oder Veranstaltungsteilnehmern, um nach Auftreten einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 mögliche Infektionsketten nachverfolgen und unterbrechen zu können.
Erheben, Verarbeiten und Löschen von Kontaktdaten
Im Rahmen der Kontaktdatenerhebung dürfen von den Verantwortlichen, z.B. Gastwirt, nur personenbezogene Angaben sowie Angaben zum Zeitraum und zum Ort des Aufenthalts erhoben und verarbeitet werden, soweit dies zur Nachverfolgung von Kontaktpersonen zwingend notwendig ist. Sie haben sicherzustellen, dass eine Kenntnisnahme der erfassten Daten durch Unbefugte ausgeschlossen ist. Die Daten dürfen nicht zu einem anderen Zweck als der Aushändigung auf Anforderung an die zuständigen Stellen, z.B. Gesundheitsämter, verwendet werden und sind vier Wochen nach Erhebung zu löschen. Die Gesundheitsämter sind berechtigt, die erhobenen Daten anzufordern, soweit dies zur Kontaktnachverfolgung erforderlich ist. Die Verantwortlichen sind in diesen Fällen verpflichtet, die erhobenen Daten zu übermitteln.