27.03.2015

Hundeverbot in Obdachlosenunterkunft

Wegen eines formalen Fehlers wurde die aufschiebende Wirkung (hier: u.a.) eines Tierhaltungsverbots in einer Obdachlosenunterkunft aufgehoben (VG Augsburg, Beschluss vom 12.01.2015, Az.: Au 7 E 14.1792).

Obdachloser schläft auf der Straße

Durch den Betreuer der Antragstellerin wurde der Behörde mitgeteilt, dass deren Wohnung geräumt werden müsse und Obdachlosigkeit drohe. Die Behörde wies daraufhin nach Ankündigung der Zwangsräumung die Betroffene befristet (Ziffer 1 und 2 der Verfügung) in eine städtische Obdachlosenunterkunft ein. Bedingungen: 1. Jederzeitige Unterbringung in eine andere Obdachlosenunterkunft aus Gründen der Obdachlosenfürsorge oder wegen Verhaltensmissständen (Ziffer 3). Die Anordnungen wurden als sofort vollziehbar nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO erklärt (Ziffer 4). In Ziffer 5 wurde die entsprechende Gebühr festgesetzt. Die Verfügung wurde entsprechend begründet. In der Begründung wurde u.a. auch das Halten von Haustieren aus hygienischen und seuchenpolizeirechtlichen Gründen nicht gestattet. Weiter wurde verboten, weitere Personen in der Unterkunft aufzunehmen.

Unter anderem wurde gegen das Tierhaltungsverbot Klage erhoben.

Das Gericht stellte nur die aufschiebende Wirkung aus formalen Gründen wieder her.

Entscheidungsgründe

  • Die Eilanträge haben nur hinsichtlich des Versagens der aufschiebenden Wirkung Erfolg.
  • Die Vollziehungsanordnung ist aus formellen Gründen rechtswidrig.
  • Für die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist ein besonderes öffentliches Interesse erforderlich, das über jenes Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt. Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO muss dieses bei der schriftlichen Begründung des besonderen Interesses der Behörde an der sofortigen Vollziehung zum Ausdruck kommen. Diese Vollziehbarkeitsanordnung wurde überhaupt nicht begründet.
  • Es bedarf einer schlüssigen, konkreten und substantiierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen, warum aus Sicht der Behörde gerade im vorliegenden Fall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben ist und das Interesse des Betroffenen am Bestehen der aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat.
  • Mangels Begründung im Sinne des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO kann die formell rechtswidrige Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Zuweisung einer Obdachlosenunterkunft damit keinen Bestand haben, ohne dass es darauf ankommt, ob tatsächlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Zuweisungsentscheidung besteht. Bei Vorliegen dieses bloß formellen Rechtsfehlers hat das Gericht allerdings nicht die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage wiederherzustellen, sondern nur die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuheben.
  • Der Wegfall der Vollziehungsanordnung bewirkt, dass der Anfechtungsklage der Antragstellerin gemäß § 80 Abs. 1 VwGO wieder unmittelbar aufschiebende Wirkung zukommt und ihr Rechtsschutzziel auf diese Weise verwirklicht wird.
  • Da die Vollziehbarkeitsanordnung wegen eines Formverstoßes – ohne sachliche Prüfung – aufgehoben wurde, steht es der Antragsgegnerin frei, eine neue formell fehlerfreie, ausreichend begründete Vollziehbarkeitsanordnung zu erlassen, falls sie vor einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren den Erlass einer Anordnung zur Durchsetzung des Tierhaltungsverbots erwägen sollte.
  • Das Verbot, in der der Antragstellerin zugewiesenen Obdachlosenunterkunft einen Hund zu halten, erscheint rechtmäßig.
  • Rechtsgrundlage für eine derartige Maßnahme ist entweder eine Benutzungssatzung oder, wenn eine solche Satzung – wie hier – fehlt, die sicherheitsrechtliche Befugnis-/Generalklausel des Landes-Gefahrenabwehrgesetzes.
  • Das Tierhaltungsverbot in der Obdachlosenunterkunft ist hier Bestandteil der Einweisungsverfügung geworden und ist nach allgemeiner Auffassung rechtlich unbedenklich. Der Zweck möglichst störungsfreier und menschenwürdiger Unterbringung von Obdachlosen in gemeindeeigenen Unterkünften erfordert gewisse Einschränkungen des Entfaltungsrechts der Bewohner. Da die Raumverhältnisse im Regelfall nicht sehr großzügig bemessen und die sozialen Beziehungen in Obdachlosenunterkünften schon durch die besonderen Umstände, die die Obdachlosigkeit mit sich bringt, belastet sind, sind Gebote der Rücksichtnahme unerlässlich. Dies erfordert nicht zuletzt den Verzicht auf eine Tierhaltung, welche für die Mitbewohner zu zusätzlichen Lärm- und Geruchsquellen, zu hygienischen Beeinträchtigungen sowie zu Streitanlässen führen kann.
  • Der Antrag 3, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, bis zur Entscheidung in der Hauptsache keine weitere Person in dem der Antragstellerin zugewiesenen Raum unterzubringen, hat – seine Zulässigkeit unterstellt – in der Sache keinen Erfolg.
  • Die Gemeinde kann das öffentlich-rechtliche Benutzungsverhältnis einer Obdachlosenunterkunft als Einrichtungsträger wie als Sicherheitsbehörde näher ausgestalten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Unterbringung in einer Obdachlosenunterkunft nicht der „wohnungsmäßigen Versorgung“ dient, sondern der Verschaffung einer vorübergehenden Unterkunft einfacher Art.
  • Auch unter Berücksichtigung der humanitären Zielsetzung des Grundgesetzes ist es ausreichend, wenn obdachlosen Personen eine Unterkunft zugewiesen wird, die vorübergehend Schutz vor den Unbilden des Wetters bietet und Raum für die notwendigen Lebensbedürfnisse lässt (menschenwürdig ist).
  • Wie eine menschenwürdige Unterkunft beschaffen sein muss, lässt sich nicht abstrakt rechtlich bestimmen. Dies ist abhängig von dem allgemeinen gesellschaftlichen Lebensniveau und kann sich durch gesellschaftliche Entwicklungen verändern. Letztlich ist im Einzelfall entscheidend, wie die konkrete Wohn-/Unterbringungssituation beschaffen ist. So wird z.B. als Faustregel einer obdachlosen Einzelperson ca. 10 m2 als Wohnfläche zugestanden. Nach den hier gegebenen Tatsachen ist die zugewiesene Wohnung menschenwürdig.

 

Hinweis

Dieses Urteil bestätigt entsprechend der gesetzlichen Vorschrift, dass die „Anordnung der sofortigen Vollziehung“ einer besonderen Begründung bedarf.

Autor*in: Georg Huttner (Oberamtsrat a.D. Georg Huttner ist Autor für die Titel Ordnungsamts- und Gewerbeamtspraxis.)