Hund beißt sich im Hals eines anderen Hundes fest
Eine Ordnungsbehörde griff beherzt ein und erklärte einen Hund nach einem Beißvorfall als gefährlich. Sie wurde aber vom Verwaltungsgericht ausgebremst. Daraufhin musste das OVG Saarlouis den Schiedsrichter spielen (Beschl. vom 08.01.2021, Az. 2 B 360/20).
Anordnung des Leinenzwangs vom VG aufgehoben
Als eine Passantin mit ihrem angeleinten Hund „Benjie“ an einem Gartengrundstück vorbeiging, sprang eine Amerikanische Bulldogge mit dem Namen „Elvis“ über den ca. 1,10 Meter hohen Zaun und biss sich im Hals von „Benjie“ fest. Erst als 3 Männer „Elvis“ den Hals zudrückten, ließ dieser endlich von „Benjie“ ab, biss aber die Hundehalterin in den Daumen.
Eine Ordnungsbehörde stufte die Amerikanische Bulldogge mit dem Namen „Elvis“ als gefährlich i.S.v. § 1 Abs. 1 Polizeiverordnung über den Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Hunden im Saarland (HuV SL) ein und ordnete an, dass der Hund ab sofort außerhalb befriedeten Besitztums ausnahmslos an der Leine und mit einem das Beißen verhindernden Maulkorb oder einer in der Wirkung gleichstehenden Vorrichtung zu führen ist. Für jeden Verstoß wurde dem Hundehalter ein Zwangsgeld in Höhe von 500 EUR angedroht. Außerdem wurde der Halter auf die Notwendigkeit einer Erlaubnis zum Halten gefährlicher Hunde hingewiesen. Der Tenor der Ordnungsverfügung endete mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung von Leinen- und Maulkorbzwang.
Gegen diesen Bescheid erhob der Halter Widerspruch und beantragte zugleich beim VG die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs. Das VG gab dem Antrag statt, machte dies aber davon abhängig, dass „Elvis“ außerhalb des befriedeten Besitztums des Halters sowie bei Mehrfamilienhäusern auf Zuwegen oder in Treppenhäusern an der Leine geführt wird und einen das Beißen verhindernden Maulkorb oder eine in der Wirkung gleichstehende Vorrichtung zu tragen hat.
Gegen diesen Beschluss rief die Ordnungsbehörde das OVG Saarlouis an.
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Beißvorfall keine „arttypische Rauferei“
Nach der HundeVO (hier: § 1 Abs. 1 Nr. 1 HuV SL) sind gefährliche Hunde solche Hunde, die sich als bissig erwiesen haben. Zwar reicht nicht jeder Hundebiss zwangsläufig zum Beleg einer besonderen Schärfe aus. Umgekehrt kann sich aber auch schon aus einem einmaligen Beißvorfall die Bissigkeit eines Hundes ergeben. Dabei kommt es auf die konkreten Umstände an. Insbesondere ist dabei auch zu berücksichtigen, ob der Hund in irgendeiner Weise provoziert worden ist.
In dem Verhalten von „Elvis“, so das OVG, tritt eine besondere Schärfe zutage, die eine Feststellung der Gefährlichkeit rechtfertigt. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Angriff plötzlich und unvermittelt erfolgte, ohne dass ihm eine Provokation seitens des anderen Hundes in der konkreten Situation vorausgegangen ist. Zudem geht der Vorfall deutlich über eine „arttypische Rauferei“ hinaus.
Reicht das aus, um Elvis als bissig einzustufen?
Ja, urteilte das Gericht. Die konkreten Umstände sprechen eindeutig für die Bissigkeit von „Elvis“.
Ergebnis
Die Einstufung des Hundes „Elvis“ als gefährlicher Hund ist offensichtlich mit den sich daraus ergebenden Folgen wie Sachkundenachweis, Haftpflichtversicherung, Führungszeugnis usw. rechtmäßig. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung war deshalb gerechtfertigt, weil sich die von dem Hund „Elvis“ ausgehende Gefahr jederzeit erneut verwirklichen kann.
Der Leinen- bzw. Maulkorbzwang außerhalb des befriedeten Besitztums sowie bei Mehrfamilienhäusern auf Zuwegen oder in Treppenhäusern ist zur Gefahrenabwehr allein nicht ausreichend, rüffelte das OVG die Vorinstanz. Der Leinen- und Maulkorbzwang außerhalb des befriedeten Besitztums hindert den Halter nicht daran, seinen Hund „Elvis“ auf seinem Gartengrundstück frei laufen zu lassen. „Elvis“ wäre dann nicht daran gehindert, erneut den Zaun zu überspringen und andere Hunde anzufallen.
Der Beschluss ist hier abrufbar.