Hühnerhaltung in ländlich geprägten Gebieten: Ortsübliche Nutzung?
Das Landgericht Koblenz hat entschieden, dass die Haltung von Hühnern und einem Hahn in einem ländlich geprägten Gebiet eine ortsübliche Nutzung des Grundstücks darstellt und die dadurch bedingten Lärmbelastungen von Nachbarn hinzunehmen sind (LG Koblenz, Urteil vom 19.11.2019, Az. 6 S 21/19).
Nachbarn fühlen sich durch Hühnerhaltung gestört
Die Parteien sind Nachbarn in einem kleineren Ort mit weniger als 250 Einwohnern, der ländlich geprägt ist. Die Bebauung besteht überwiegend aus Einfamilienhäusern mit relativ großzügigen Grundstücken. Im Ortsgebiet halten zumindest drei Personen Hühner, so auch der Beklagte, und zwar ca. 25 Hühner und einen Hahn. Hieran störte sich die Klägerin. Im Verfahren trug sie vor, dass der Hahn jeden Morgen ab ca. 4.00 Uhr krähe, was zu einer unerträglichen Lärmbelästigung für sie und ihren Ehemann sowie zu einer erheblichen Beeinträchtigung ihres Schlafs führe. Auch tagsüber führe der Aufenthalt der Hühner und des Hahns im Freien zu erheblichem Lärm. Zudem verursache der Kot der Tiere Gestank. Die Klägerin begehrte deshalb eine Unterlassung der Tierhaltung.
Amtsgericht weist Klage ab
Das AG verschaffte sich in einem Ortstermin einen persönlichen Eindruck und wies nach den dort getroffenen Feststellungen die Klage ab. Berufung erfolglos.
Haltung von Hühnern und Hahn stellt ortsübliche Nutzung dar
Das LG folgte der Auffassung des Amtsgerichts und wies die Berufung zurück. Nach § 1004 Abs. 1 BGB kann ein Eigentümer Beseitigung einer Störung seines Eigentums verlangen. Insoweit hat das Gericht zugunsten der Klägerin angenommen, dass das Krähen eines Hahns an vorher nicht bestimmbaren Tages- und Nachtzeiten aufgrund des dadurch entstehenden kurzfristigen, aber kräftigen Lärmimpulses als Störung anzusehen ist.
Duldungspflicht nach BGB
Dies verhilft der Klage allerdings noch nicht zum Erfolg. Der Anspruch auf Beseitigung ist nach § 1004 Abs. 2 BGB nämlich ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung der Beeinträchtigung verpflichtet ist. Eine solche Duldungspflicht ergibt sich vorliegend aus § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB. Danach ist sogar eine wesentliche Beeinträchtigung eines Grundstücks hinzunehmen, wenn diese durch eine ortsübliche Benutzung eines anderen Grundstücks entsteht und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die dem Nutzer des anderen Grundstücks wirtschaftlich zumutbar sind.
Ortsübliche Benutzung bejaht; Verhinderung der Beeinträchtigungen wirtschaftlich nicht zumutbar
Hier hat das LG die vom AG aufgrund des Ortstermins gewonnenen Feststellungen zugrunde gelegt, wonach es sich bei der Haltung von Hühnern und einem Hahn um eine ortsübliche Nutzung des konkreten Grundstücks handelt. Die hiervon ausgehenden Beeinträchtigungen sind nach den weiteren Feststellungen des Gerichts auch nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen zu verhindern. Der mit der Errichtung eines schalldichten Stalls verbundene Kostenaufwand würde nämlich nach Einschätzung des Gerichts die Haltung eines Hühnervolks mit Hahn als Nebenerwerb, wie vorliegend, völlig unrentabel werden lassen. Dies hätte absehbar das Ende privater Kleintierhaltung auch in ländlichen Gebieten zur Folge.
Zumutbares Maß nicht überschritten
Eine Geruchsbelästigung war zudem nach den Feststellungen des AG auf dem Grundstück der Klägerin nicht wahrnehmbar, was diese letztlich in der Berufung auch nicht mehr angegriffen hat.
Quelle: Justizmeldestelle LG Koblenz