Gewerbeuntersagung nach Drogen- und Waffenfund
Ein unbedachter Rundumschlag eines Gewerbeamts fand vor dem VG Berlin (Beschl. vom 18.07.2022, Az. VG 4 L 281/22) keine uneingeschränkte Zustimmung.
Rauschgift- und Waffenfund
Eine Inhaberin betreibt seit September 2018 ein Tele-/Internetcafé mit Kiosk zum Verkauf von Süßigkeiten, Getränken, Tabakwaren und Zeitungen und seit April 2020 ein erlaubnisfreies Café ohne Alkoholausschank mit Einzelhandel mit Getränken, Alkohol, Tabakwaren, Süßwaren, Tiefkühlprodukten und Eis. Im Oktober 2018 meldete sie den Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft an; hierfür erteilte ihr das Bezirksamt am 14. Januar 2019 eine gaststättenrechtliche Erlaubnis.
Mit Bescheid vom 16.06.2022 untersagte das Bezirksamt der Gewerbetreibenden die Ausübung der vorgenannten Tätigkeiten. Wörtlich heißt es in dem Bescheid:
„Zum Schutz der Allgemeinheit und aufgrund von Gefahr in Verzug wird hiermit die sofortige Gewerbeuntersagung ausgesprochen, da in den oben genannten Gewerbeeinheiten während eines Verbundeinsatzes am 08.06.2022 20 g kokainsuspekte Substanz, Schusswaffe mit Patronen, 15,235 kg Heroin, 1,1146 kg Kokain, 5.806 kg Haschisch, Handelsunterlagen und diverses Bargeld festgestellt wurde. (…)“
Gegen den Bescheid klagte die Gewerbetreibende.
Gewerbeuntersagung für alle Betriebe?
Die Gewerbeuntersagung kann auf § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO gestützt werden. Danach ist die Ausübung eines Gewerbes ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, die die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebs beauftragten Person in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutz der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist.
Diese Voraussetzungen, schrieb das VG in seinen Beschluss, liegen hier nur zum Teil vor:
- Soweit sich die Gewerbeuntersagung auf den Betrieb der Schank- und Speisewirtschaft bezieht, ist § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO nicht anwendbar. Dies folgt aus § 35 Abs. 8 Satz 1 GewO. Die Absätze 1 bis 7a sind nicht anzuwenden, soweit für einzelne Gewerbe besondere Untersagungs- oder Betriebsschließungsvorschriften bestehen, die auf die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden abstellen, oder eine für das Gewerbe erteilte Zulassung wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden zurückgenommen oder widerrufen werden kann.
- Für den Betrieb der Gaststätte liegt eine entsprechende Erlaubnis vor. Hierfür sieht das GastG einen Widerruf der Erlaubnis nach § 15 Abs. 2 GastG vor. Erst danach kann der Gewerbetreibenden die Einstellung des Betriebs aufgegeben werden.
>>> Tipp der Redaktion: Lesen Sie auch den Beitrag „Gewerbeuntersagung wegen Drogengeschäften in Gaststätte?“
Ist die Inhaberin unzuverlässig?
Hinsichtlich der anderen beiden Betriebe dürften die Voraussetzungen für eine Gewerbeuntersagung bei summarischer Prüfung vorliegen.
Gesamteindruck
Eine gewerbetreibende Person ist unzuverlässig, wenn sie nach dem Gesamteindruck ihres Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass sie ihr Gewerbe zukünftig ordnungsgemäß betreiben wird.
Zu den Tatsachen, aus denen der Schluss einer Unzuverlässigkeit gezogen werden kann, gehören strafrechtliche Verurteilungen und in Ordnungswidrigkeitsverfahren verhängte Bußgelder, soweit diese einen Bezug zu dem ausgeübten Gewerbe aufweisen. Auch strafrechtliche Ermittlungsverfahren können Grundlage der Annahme einer Unzuverlässigkeit sein.
Polizeiliche Erkenntnisse genügen
Selbst ohne die Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen gegen den Gewerbetreibenden selbst gewonnene polizeiliche Erkenntnisse genügen, wenn sie im Einzelfall derart gewichtig sind, dass eine Fortsetzung der Gewerbetätigkeit schlechthin mit einer ordnungsgemäßen Gewerbeausübung unvereinbar erscheint. Je gewichtiger die Vorwürfe sind, desto geringer sind die Anforderungen der Annahme einer Unzuverlässigkeit.
Vorkehrungen zur Unterbindung von Straftaten
Eine Unzuverlässigkeit kann auch dann angenommen werden, wenn im Betrieb des Gewerbetreibenden erhebliche Straftaten ohne sein Wissen begangen werden, obwohl es ihm nach den Umständen des Einzelfalls möglich und zumutbar wäre, Vorkehrungen zur Unterbindung des Handelns zu treffen.
Die Auffindesituation von Drogen und Waffen lässt entweder nur den Rückschluss zu, dass auch die Inhaberin selbst in die von den drei Betriebsstätten aus getätigten bzw. finanziell dort abgewickelten Drogengeschäfte verwickelt war und wissentlich daran mitgewirkt oder sie toleriert hat. Die Gewerbetreibende ist daher unzuverlässig.
Die erforderliche Prognose ist negativ.
Ergebnis
Gewerbetreibende, in deren Räumlichkeiten Drogen in erheblicher Menge und eine Waffe gefunden werden, sind gewerberechtlich unzuverlässig, weil sie entweder an Straftaten beteiligt sind oder die Begehung von Straftaten nicht verhindert haben.
Der Antrag der Inhaberin hatte somit nur teilweise Erfolg. Der Betrieb der erlaubnisfreien Gewerbe kann unterbunden werden, der Betrieb der Gaststätte erst nach einem Widerruf der Gaststättenerlaubnis.
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