Gelten Fahrten eines Jägers als landwirtschaftlicher Verkehr?
Das OLG Celle hat dies bejaht. Bei Fahrten im Rahmen der Jagdausübung handelt es sich um „landwirtschaftlichen Verkehr“ (OLG Celle, Beschluss vom 27.05.2015, Az. 322 SsRs 154/14).
Verbot der Durchfahrt für Fahrzeuge aller Art, landwirtschaftlicher Verkehr frei
Die Betroffenen (Jäger) führten eine Jagdhundeausbildungseinheit durch und fuhren hierbei zu der Ausbildungsstätte über Feldwege, die für den allgemeinen Fahrzeugverkehr durch Zeichen 250 (Verbot der Durchfahrt für Fahrzeuge aller Art) und Zusatzzeichen 1026-36 (landwirtschaftlicher Verkehr frei) gesperrt waren.
Die Bußgeldbehörde hat gegen die Betroffenen jeweils eine Geldbuße in Höhe von 20 Euro festgesetzt wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeugs ohne Ausnahmegenehmigung in einem gesperrten Verkehrsbereich.
Die Betroffenen sind der Ansicht, dass sie als Jäger bei Ausübung einer Jagdaktivität wie der Jagdhundeausbildung unter die Ausnahmeregelung fielen, weil landwirtschaftlicher Verkehr auch die Verkehrsflächennutzung durch Jäger umfasse.
Im Einspruchsverfahren sah das Amtsgericht ebenfalls eine fahrlässige Ordnungswidrigkeit und verhängte die gleichen Geldbußen.
Auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft hob das Oberlandesgericht im Rechtsbeschwerdeverfahren das Urteil des Amtsgerichts auf. Die Betroffenen wurden freigesprochen.
Entscheidungsgründe
- Mangels obergerichtlicher Rechtsprechung zu dieser Frage wird die Beschwerde zugelassen.
- Die Sperrung eines Weges mit dem amtlichen Verkehrszeichen Nr. 250 (Verbot der Durchfahrt für Fahrzeuge aller Art) erlaubt eine Durchfahrt für Jagdausübungsberechtigte nach soweit ersichtlich einhelliger Rechtsprechung und Literatur dann, wenn die Zeichen mit dem Zusatzschild „Land- und forstwirtschaftlicher Verkehr frei“, Zeichen 1026-38, versehen sind.
- Die Durchfahrt ist aber auch dann erlaubt, wenn sie lediglich für den „landwirtschaftlichen Verkehr“ (Zusatzzeichen 1026-36) freigegeben ist. Die Betroffenen haben sich deshalb nicht ordnungswidrig verhalten.
Fahrten der Jäger gelten als landwirtschaftlicher Verkehr
Fahrt zum Treffpunkt der Jagdhundeausbildung
Bei Fahrten im Rahmen der Jagdausübung handelt es sich um „landwirtschaftlichen Verkehr“. Auch die Fahrt zum Treffpunkt der anstehenden Jagdhundeausbildung gehört dazu. Das folgt bereits aus dem Landesjagdgesetz, wonach die Ausbildung von Jagdhunden als Jagdausübung gilt.
Dass auch Fahrten im Zusammenhang mit der Jagdausübung unter den Begriff des „landwirtschaftlichen Verkehrs“ nach der StVO fallen, ergibt sich aus folgenden Gesichtspunkten:
- Landwirtschaftlicher Verkehr erfolgt zum Zweck des Betriebs der Landwirtschaft, wobei es keine Rolle spielt, ob der Wegbenutzer selbst Eigentümer oder nur Nutzungsberechtigter des anliegenden Grundstücks ist.
- Es reicht aus, dass die Fahrt im Rahmen der üblichen Verrichtungen durchgeführt wird, die der Bewirtschaftung der anliegenden landwirtschaftlichen Grundstücke dienen.
Jagdrecht als Nutzungsrecht
Das Jagdrecht ist als Nutzungsrecht am freilebenden Wild den land- und forstwirtschaftlichen Flächen zugeordnet. Die Hege dient auch dazu, Beeinträchtigungen einer ordnungsgemäßen land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Nutzung zu reduzieren bzw. zu verhindern (z.B. durch Wildschäden). Die Jagd dient damit unmittelbar sowohl land- als auch forstwirtschaftlichen Zwecken.
Die Einordnung der Jagd in den Bereich der Landwirtschaft folgt auch aus der Koppelung des Jagdrechts an die jeweiligen Eigentumsverhältnisse von Grund und Boden.
Keine Differenzierung zwischen landwirtschaftlichem/forstwirtschaftlichem Verkehr und Fahrten zur Jagdausübung
Daraus folgt weiter, dass eine Differenzierung zwischen der Freigabe für landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Verkehr und für Fahrten im Rahmen der Jagdausübung nicht gerechtfertigt ist.
Darüber hinaus definiert auch der Gesetzgeber die Jagd im Fahrerlaubnisrecht als Angelegenheit der Land- und Forstwirtschaft (§ 6 Abs. 5 Nr. 1 FeV).
Keine Trennung von Land- und Forstwirtschaft
Jagdausübung als Teil der Urproduktion der Land- und Forstwirtschaft zuzurechnen
Gegen eine strikte Trennung der Jagd von Land- und Forstwirtschaft spricht auch der gemeinsame Erlass der Ministerien für Umwelt und Verkehr des Landes Sachsen-Anhalt. Demnach sind dort Fahrten zum Zweck der Jagdausübung trotz des Verbotszeichens 250 dann erlaubt, wenn die Zusatzzeichen
- 1026-36 („Landwirtschaftlicher Verkehr frei“),
- 1026-37 („Forstwirtschaftlicher Verkehr frei“) oder
- 1026-38 („Land- und forstwirtschaftlicher Verkehr frei“) die Durchfahrt gestatten.
Hinweis: Der Erlass wurde zur Auslegung des Gerichts herangezogen. Derartige Erlasse existieren nicht in allen Bundesländern.
Die Jagdausübung ist Teil der Urproduktion und damit der Land- und Forstwirtschaft zuzurechnen.
Jagd als „landwirtschaftliches Unternehmen“
Schließlich wird auch in § 123 Abs. 1 Nr. 5 SGB VII die Jagd als „landwirtschaftliches Unternehmen“ unmittelbar der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft unterstellt.
Für landwirtschaftlichen Verkehr freigegebene Straße befugt befahren
Dies alles spricht entscheidend dafür, Fahrten für jagdliche Zwecke als landwirtschaftliche Straßennutzung zu behandeln. Damit haben die Betroffenen nicht gegen eine Verkehrsvorschrift verstoßen, sie haben die durch Zeichen 250 gesperrte, durch Zusatzzeichen 1026-36 allerdings für den landwirtschaftlichen Verkehr freigegebene Straße befugt befahren.