Geflügelhaltung und unzumutbarer Lärm
Ist es zulässig, auf einem Wohngrundstück 148 Vögel verschiedenster Art in 11 Volieren zu halten (VG Hannover, Beschl. vom 03.05.2023, Az. 12 B 1729/22)?
148 Tiere in 11 Volieren
Eine Anwohnerin beschwerte und sich bei der Gemeinde über unzumutbaren Lärm, der von einer Vielzahl von Vögeln (Hühner, Hähne, Wachteln, Nymphensittiche) auf dem Grundstück der Nachbarn ausgehe.
Eine Mitarbeiterin der Gemeinde sah vom Grundstück der Anwohnerin aus Stallboxen und Volieren sowie Anbauten an die Garage und ein weiteres Nebengebäude. Sie forderte den Halter des Geflügels auf, einen Auszug aus der Liegenschaftskarte vorzulegen, in dem sämtliche baulichen Anlagen mit ihren Abständen zu den Grundstücksgrenzen eingetragen sind. Zudem verlangte sie, die Art und Anzahl der Tiere darzulegen. Der Halter des Geflügels kam der Aufforderung nach und gab an, insgesamt 11 Volieren unterschiedlicher Größe auf seinem Grundstück zu haben und insgesamt 148 Tiere zu halten, insbesondere verschiedene Wachtel- und Hühnerrassen sowie Ziervögel.
Die Gemeinde entschied, dass die Tierhaltung in diesem Umfang planungsrechtlich nicht mehr zulässig ist und sich die Nutzung der Gebäude zur Tierhaltung sowie die Anzahl der gehaltenen Tiere nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen. Die nähere Umgebung des Grundstücks sei als dörfliche Gemengelage einzuordnen.
Der Geflügelhalter wurde aufgefordert, unverzüglich, spätestens aber in sechs Wochen die Anzahl der Tiere auf 30 Vögel, davon maximal 15 Hühner und einen Hahn, sowie Kleinvögel zu reduzieren. Für den Fall der Zuwiderhandlung drohte die Gemeinde ein Zwangsgeld in Höhe von 500 Euro an.
Gemengelage von Wohn- und Dorfgebiet
Gemäß § 34 Abs. 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Mit dem Halten von Großtieren auf dem Nachbargrundstück des Geflügelhalters ergibt sich insgesamt eine Gemengelage von Wohngebiet und Dorfgebiet.
Eine Kleintierhaltung ist von einer Wohnnutzung nur umfasst, solange sie sich im Rahmen des für die Wohnnutzung Üblichen hält. Die gehaltenen Tiere müssen – gemessen daran, was in der Umgebung üblich ist – nach Art, Anzahl und Immissionen noch zu einer den berechtigten Wohnerwartungen entsprechenden Wohnnutzung gehören. Nur dann ist es gerechtfertigt, die betreffende Tierhaltung in das städtebauliche Austauschverhältnis des „Duldens und Dürfens“ der Gebietsbewohner aufzunehmen. Dementsprechend ändert eine Tierhaltung den Charakter eines Wohnhauses in genehmigungsbedürftiger Weise, wenn sie das Maß der zulässigen Art und Anzahl der Tiere in einer durch Wohnnutzung geprägten Umgebung offensichtlich überschreitet.
Fügt sich die Tierhaltung in die Gemengelage ein?
Die Nutzung des Grundstücks durch die Haltung einer Vielzahl von Vögeln in Volieren und einem umgebauten Gartenhaus fügt sich in die festgestellte Gemengelage in Art und Maß nicht ein. Das Halten von insgesamt mehr als 30 Vögeln auf dem Grundstück ist nicht mehr vom Wohnen umfasst. Sie fällt nach der Anzahl der Tiere aus dem Rahmen der für die Wohnnutzung in der näheren Umgebung typischen Freizeitbeschäftigung.
Ergebnis
Das VG entschied, dass die Gemeinde rechtmäßig gehandelt hat, indem sie das Halten des Geflügels in zulässiger Weise begrenzt hat. Die Klage des Tierfreunds wurde daher abgewiesen.