Freifläche einer Gaststätte vor Abschluss des Streitverfahrens zurückbauen?
Ein Landratsamt zeigte gegenüber einem Gastwirt, der eine Erweiterungsfläche ohne Erlaubnis ausbauen lies, klare Kante und verfügte den Rückbau mit Sofortvollzug. Der VGH Mannheim kam dem Gastwirt zur Hilfe (Beschl. vom 25.05.2022, Az. 3 S 542/22).
Ungenehmigte Betriebsfläche im Außenbereich
Der Betreiber einer Gaststätte im Außenbereich i. S. von § 35 BauGB erweiterte deren Betriebsfläche von 250 m² um eine Außenbewirtschaftungsfläche von 240 m². Auf dieser Fläche wollte er ein Gebäude aus Holz für den Getränkeausschank errichten. Die neue Außenbewirtschaftungsfläche grenzt nicht unmittelbar an die bereits genehmigte Außenbewirtschaftungsflächen an, sondern liegt gegenüber einer Straße.
Die Gemeinde informierte die Bauaufsicht, weil der Gastwirt deren mündlich und schriftlich verfügte Untersagung der Fortsetzung der Bauarbeiten ignorierte. Das Landratsamt versiegelte die Baustelle und verfügte unter Anordnung der sofortigen Vollziehung, die „ungenehmigte Bewirtungsfläche mit Getränkeausschank zurückzubauen und das Grundstück somit in den ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen“.
Bei der Gemeinde ging später ein Bauantrag des Gastwirts mit einer Bewirtschaftungsfläche von etwa 130 m² ein. Der Gastwirt beantragte die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs.
Liegt eine privilegierte Erweiterung vor?
Nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB kann der baulichen Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist, u. a. nicht entgegengehalten werden, dass sie die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigt.
Das nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB begünstigte Erweiterungsvorhaben muss nicht nur funktional, sondern auch räumlich eine Erweiterung des Betriebs darstellen. Sie muss einen engen räumlichen Bezug zum vorhandenen Bestand des Betriebs aufweisen.
Erweiterung nicht angemessen
Das Gericht subsummierte: Die Außenbewirtschaftungsfläche nimmt in Gänze bislang weitgehend unberührte Flächen im besonders geschützten Außenbereich in ganz erheblichem Maß neu in Anspruch. Dem Grundsatz größtmöglicher Schonung des Außenbereichs ist daher aller Voraussicht nach nicht Rechnung getragen. Von dem erforderlichen engen räumlichen Bezug in Bezug auf das Vorhaben ist eher nicht auszugehen.
Die Beeinträchtigung des öffentlichen Belangs der natürlichen Eigenart der Landschaft ist nicht gemäß § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB unerheblich. Selbst wenn sämtliche Bewirtschaftungsflächen bei der Frage der Angemessenheit der betrieblichen Erweiterung und damit eine Betriebsfläche von ca. 250 m² zu berücksichtigen wären, lässt sich die Erweiterung um 240 m² kaum als angemessen bezeichnen. Die bisherige Betriebsfläche würde fast verdoppelt.
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Besteht ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung?
Ausschlaggebend für das besondere Interesse, so der VGH, sind nicht Verstöße gegen baurechtliche Vorschriften in der Vergangenheit. Es geht darum, ob der „Schwarzbauer“ nur durch die Anordnung des Sofortvollzugs Erfolg versprechend an der Fortsetzung seiner rechtswidrigen Betätigung gehindert werden kann.
Für das Gericht war es nicht ersichtlich, dass der Gastwirt unter Verstoß gegen die Versiegelung der Baustelle die Außenbewirtschaftungsfläche einschließlich des Getränkeausschanks vollends fertigstellen und dann dort den baurechtlich nicht genehmigten Gaststättenbetrieb aufnehmen wird. Zudem liegt ein Antrag auf Erweiterung der Betriebsfläche in einem geringeren Umfang (130 statt 240 m²) vor. Es ist abzuwarten, wie über diesen Antrag entschieden wird.
Ergebnis
In logischer Konsequenz aus den vorhergehenden Ausführungen stellte der VGH die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Rückbau der Erweiterungsfläche wieder her.