19.05.2017

Finderpflichten: Gefundenes Tier oder herrenloses Tier?

Das VG Gießen hat eine für die Praxis wichtige Entscheidung zur Abgrenzung Fundtier/herrenloses Tier, zur Verwahrungspflicht und zur Kostentragung getroffen (VG Gießen, Urteil vom 16.02.2017, Az. 4 K 3594/16.GI).

Finderpflichten

Verletztes Tier wird operiert

Der Kläger befuhr eine Bundesstraße. Hierbei fiel ihm eine am Fahrbahnrand liegende Katze auf. Er bemerkte örtlich, dass die Katze verletzt war und brachte diese zur nächsten Tierklinik. Dort verblieb die Katze über Nacht und wurde mit Schmerzmitteln versorgt. Zudem teilte die Tierklinik dem Kläger mit, dass die Kosten einer Operation 1.400 bis 1.600 € zzgl. Nachsorgekosten betragen würden. Außerdem sei nicht sicher, ob das Tier jemals wieder werde laufen können, sodass eine Einschläferung naheliegend wäre. Der Kläger holte den Kater in der Tierklinik ab um sich eine zweite tierärztliche Meinung einzuholen. Dort wurde dem Kläger zugesichert, dass durch eine möglichst schnelle Operation die Katze wieder vollständig geheilt werden könne und dafür Kosten in Höhe von 600 € zzgl. Nachsorgekosten anfallen würden. Der Kläger lies die Katze in dieser Tierarztpraxis erfolgreich operieren und nachversorgen; er beglich die Rechnung über insgesamt 803,02 €.

Wer trägt die Kosten?

Die Fundstelle der Katze war zunächst wegen der Grenzziehung von Gemeinden ungeklärt, weshalb ein Zuständigkeitsbereich von zwei Gemeinden umstritten war, weshalb er die Tierarztkosten von der Gemeinde S. und danach von der Stadt L. ergebnislos anforderte, da beide sich für nicht zuständig erklärten.

Die Beklagte der Stadt L. hat einen sogenannten Fundtier-Vertrag mit einem Tierschutzverein, wonach die Kosten für die Versorgung und Unterbringung von im Gebiet der Beklagten aufgefundener Tiere mit einer Jahrespauschale abgegolten werden.

Der Kläger erhob Klage, welche vom Amtsgericht zuständigkeitshalber an das zuständige Verwaltungsgericht weitergeleitet wurde.

Der Kläger begehrt im Wesentlichen Aufwendungsersatz aus den Grundsätzen der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag, da es sich um ein Fundtier handelte.

Entscheidungsgründe

  • Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig, jedoch in der Sache unbegründet.
  • Es ist bereits in diesem Fall fraglich, ob die Beklagte als Fundbüro örtlich zuständig ist. Es ist nicht feststellbar, auf welcher Gemarkung die Katze aufgenommen wurde und damit, welche Behörde für den Vorgang zuständig ist. Dies ist materiell-rechtlich jedoch unbedeutend.
  • Der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der für die Operation, Nachversorgung und Unterbringung des Katers gemachten Aufwendungen kann zunächst nicht auf § 970 BGB in Verbindung mit § 27b HessAGBGB gestützt werden. Der Anspruch aus § 970 BGB würde sich nicht gegen die Beklagte richten, sondern gegen den Empfangsberechtigten, d. h. denjenigen, der das Tier verloren hat.
  • Grundsätzlich ist nach § 966 Abs. 1 BGB der Finder zur Verwahrung der Sache verpflichtet und kann demgemäß als Verwahrer den Aufwendungsersatzanspruch nach § 970 BGB allein gegenüber dem in Bezug auf die Sache materiell zum Empfang Berechtigten geltend machen, nicht aber gegenüber der Gemeinde, die nach § 967 BGB nur subsidiär in die Verwahrungspflichten eingebunden ist.
  • Das Gericht bejaht bei der vom Kläger aufgefundenen Katze die Zuordnung des Tieres zum Fundrecht (wird näher ausgeführt). Im Zweifelsfall sind aufgefundene Haustiere aus Gründen des Artikel 20a GG zunächst als Fundtiere zu betrachten. Es liegen keine Anhaltspunkte für eine Eigentumsaufgabe der Katze vor.
  • Entscheidend für die Versagung eines Anspruchs aus dem Fundrecht ist, dass der Kläger als allein in Betracht kommender „Finder“ das Auffinden des Katers entgegen der normierten Verpflichtung nach § 965 Abs. 2 BGB nicht unverzüglich der – auch angenommenen – zuständigen Behörde (hier der Beklagten) nicht unverzüglich nach § 131 BGB angezeigt oder gemäß § 967 BGB bei ihr abgegeben hat. Damit kann die Gemeinde allenfalls selbst Berechtigte betreffend den Aufwendungsersatzanspruch aus § 970 BGB werden, nicht aber Anspruchsschuldner nach dieser Vorschrift.
  • Der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der für die tierärztliche Behandlung und Nachsorge der Katze gemachten Aufwendungen folgt auch nicht aus einer öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 677, 683 S.1, 670 BGB. Der Kläger hat kein für ihn fremdes Geschäft im Sinne der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag wahrgenommen.
  • Die Beklagte ist als Fundbehörde für die Entgegennahme und Verwahrung von Fundtieren zuständig, woran auch der mit dem Tierheim geschlossene „Fundtiervertrag“ nichts ändert. Die Beklagte hat deshalb zwar ihre öffentlich-rechtliche Verwahrungspflicht aus § 967 BGB, die auch für gefundene Tiere besteht, durch den Fundtiervertrag nicht mit befreiender Wirkung auf den Tierschutzverein übertragen können. Der Tierschutzverein ist im Rahmen des Vertrages mit der Beklagten in der Art eines „ausgelagerten Fundbüros“ nämlich lediglich als Verwaltungshelfer in den Aufgabenkreis der Beklagten eingebunden, ohne eigene Kompetenzen oder Zuständigkeiten.
  • Ohne die Ablieferung des Fundtiers – egal ob beim städtischen Fundbüro oder dem Vertragstierschutzverein – wird nicht die Fundbehörde verantwortlich, sondern der Finder, hier der Kläger, verbleibt selbst Geschäftsherr mit der Pflicht zur Erhaltung, Fütterung und tierärztlichen Versorgung. Aus § 970 BGB ergibt sich zudem, dass er dabei auch zu Aufwendungen für die Erhaltung des Funds verpflichtet ist.
  • Da der Kläger den gefundenen Kater nicht beim Fundbüro der Beklagten oder dem beauftragten Tierheim abgegeben hat, fehlt es an einer Handlungspflicht der Beklagten im Sinne einer Verwahrungs- und Erhaltungspflicht, die der Kläger hätte zu Lasten der Beklagten wahrnehmen können.
  • Der streitgegenständliche Zahlungsanspruch scheitert weiter auch an der fehlenden Voraussetzung, dass die Geschäftsbesorgung dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entsprechen muss. Der Aufwendungsersatzanspruch nach den §§ 677, 683 BGB hat nämlich zur Voraussetzung, dass die Geschäftsbesorgung dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherren entspricht.
  • Es geht grundsätzlich nicht an, dass ein Träger öffentlicher Verwaltung durch private Initiative im Hinblick auf das Ob und Wie einer konkreten Maßnahme vor vollendete Tatsachen gestellt wird, wenn ihm in dieser Hinsicht ein Ermessen eingeräumt ist.
  • Die Katze war zwar verletzt und hätte tierärztlich behandelt werden müssen, jedoch wäre es dem Kläger möglich und zumutbar gewesen, zunächst den Willen der Beklagten zu erforschen. Er ist mithin nicht in einer Art Notstand für das Tier tätig geworden, was ein anderes Ergebnis rechtfertigen könnte.
  • Die Verletzungen der Katze konnten nicht akut und unaufschiebbar mit einer Operation verbunden gewesen sein, denn ansonsten wäre sie noch am Tag des Fundes notoperiert worden. Der Kläger hätte damit zumutbare Zeit, die Situation der Fundbehörde zu melden. Eine Dringlichkeit lag nicht vor.

Hinweis

Es empfiehlt sich für die Fundbehörden, die Entscheidung im Volltext bei Rechtsprechungsdatenbanken im Internet abzurufen.

Autor*in: Georg Huttner (Oberamtsrat a.D. Georg Huttner ist Autor für die Titel Ordnungsamts- und Gewerbeamtspraxis.)