22.05.2019

Feuerwehr: Gebühren für Maßnahmen zeitgleich zur Lebensrettung?

Kann eine Gemeinde als Träger der Feuerwehr bei Maßnahmen zur Lebensrettung andere Hilfeleistungen in Rechnung stellen? Vor dem OVG Lüneburg (Urteil vom 19.03.2019, Az. 11 LC 161/17) hatte die Gemeinde keinen leichten Stand.

Feuerwehr Gebühren

Maßnahmen zur Lebensrettung nach Unfall

In einer Leitstelle eines Landkreises in Niedersachsen ging um 0.05 Uhr ein Notruf ein. Dieser lautete „Verkehrsunfall mit eingeklemmter Person auf … (Angabe der Straße)“. Die Ortsfeuerwehr rückte mit einem Einsatzleitwagen, einem Rüstwagen und einem Hilfeleistungslöschgruppenfahrzeug aus. Im Einsatzbericht der Ortsfeuerwehr wurde als Tätigkeit ausgeführt „Unterstützung Gem Fw J. nach VU Lkw“. In dem Feld „Leistung erbracht für“ heißt es: „Fahrer K.“. Der verletzte Fahrer K. wurde erst um 2.18 Uhr aus seinem LKW geborgen. Der polizeiliche Einsatzbericht beschreibt die Situation wie folgt: „Der Fahrzeugführer wurde im Führerhaus eingeklemmt und konnte erst nach erheblich technischem Aufwand durch Feuerwehr und Abschleppunternehmen aus dem Fahrzeug geborgen werden. Er erlitt Frakturen/Prellungen im Bereich der Beine und des Beckens. Der Verletzte wurde stationär im Uniklinikum Göttingen aufgenommen.“

Gemeinde erhebt Gebühren

Die Gemeinde stellte dem Unfallverursacher die Kosten des Einsatzes in Höhe von 9.347,88 Euro mit einem Leistungsbescheid in Rechnung. Zur Begründung führte sie aus, die Freiwillige Feuerwehr sei zu einer Hilfeleistung gerufen worden. Dieser Einsatz sei nach der Satzung der über die Erhebung von Gebühren von Dienst- und Sachleistungen der Freiwilligen Feuerwehr außerhalb der unentgeltlich zu erfüllenden Pflichtaufgaben als ein Einsatz, der der Hilfeleistung gedient habe, gebührenpflichtig.

Der Adressat des Leistungsbescheid erhob Widerspruch und später Klage.

Rechtsgrundlage Feuerwehr- bzw. Brandschutzgesetze der Bundesländer

Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Bescheids kommt es auf die im Zeitpunkt des Entstehens der streitigen Zahlungspflicht maßgeblichen Rechtslage an. Nach den Feuerwehr- bzw. Brandschutzgesetzen der Bundesländer (hier: § 29 Abs. 1 NBrandSchG) ist der Einsatz der gemeindlichen Feuerwehren und der Kreisfeuerwehren bei Bränden, bei Notständen durch Naturereignisse und bei Hilfeleistungen zur Rettung von Menschen aus akuter Lebensgefahr unentgeltlich. Gebühren können aber in besonderen Ausnahmefällen erhoben werden (hier: § 29 Abs. 2 NBrandSchG).

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Einsatz zur Rettung von Menschen aus akuter Lebensgefahr?

Ob ein Einsatz der Rettung von Menschen aus akuter Lebensgefahr oder einer „anderen Hilfeleistung“ dient, beurteilt sich nach der Lage zum Zeitpunkt des behördlichen Handelns. Bei Feuerwehreinsätzen ist auf den Zeitpunkt unmittelbar nach Alarmierung der Feuerwehr abzustellen, zu dem über die Art und den Umfang des Einsatzes entschieden wird. Zu diesem Zeitpunkt musste der Einsatzleiter davon ausgehen, dass zumindest die Möglichkeit einer akuten Lebensgefährdung bestand. Der Einsatz diente daher der Rettung von Menschen aus akuter Lebensgefahr.

Sind Kosten für andere Hilfeleistungen entstanden?

Die Gemeinde kann die Kosten eines Einsatzes, der entweder zeitgleich oder im Anschluss an die Lebensrettung noch andere Hilfeleistungen umfasst, anteilig bei dem Gebührenschuldner geltend machen. Diese Kostenaufteilung setzt jedoch voraus, dass die Kommune nachvollziehbar darlegt, welcher abtrennbare und nicht nur völlig untergeordnete Einsatzteil von eigenständigem Gewicht nicht oder nicht mehr der Rettung von Menschen aus akuter Lebensgefahr dient. Diese Aufteilung ist aber unterblieben.

Ergebnis: Gebührenbescheid aufgehoben

Weil die Gemeinde nicht dargelegt hat, welcher abtrennbare und nicht nur völlig untergeordnete Einsatzteil von eigenständigem Gewicht nicht mehr der Rettung von Menschen aus akuter Lebensgefahr dient, kann sie die Kosten des Einsatzes nicht dem Pflichtigen auferlegen. Der Gebührenbescheid der Gemeinde wurde daher aufgehoben.

Das Urteil finden Sie hier.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)