Neue Entscheidungen zu den Corona-Verordnungen
Welche Entscheidungen haben die Gerichte zu den Corona-Verordnungen getroffen? Wir geben einen kurzen Überblick.
Klagewelle ebbt nicht ab
Die Gerichte sehen sich weiterhin einer nie dagewesenen Klagewelle gegenüber. Dies zeigt, dass die Schutzmaßnahmen die Betroffenen empfindlich treffen. Wir stellen einige bemerkenswerte Entscheidungen vor.
Ausgangssperre
OVG Koblenz, Beschl. vom 12.02.2021, Az. 6 B 10215/21.OVG
Angesichts der Ausnahmetatbestände, die ein Verlassen der Wohnung weiterhin zulassen, kann nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass jede Person von der angeordneten Ausgangsbeschränkung im Zeitraum von 21.00 Uhr bis 05.00 Uhr in rechtlich erheblicher Weise betroffen ist. Ein nächtliches Verlassen der Wohnung aus anderen als von der Allgemeinverfügung zugelassenen Gründen, etwa zur Pflege privater Kontakte, kann aufgrund des derzeitigen massiven Infektionsgeschehens auch nicht als nach der allgemeinen Lebenserfahrung naheliegend erachtet werden.
BayVerfGH, Entscheidung vom 17.12.2020, Az. Vf. 110-VII-20
Eine nächtliche Ausgangssperre stellt angesichts des Infektionsgeschehens im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Pflicht zum Schutz des Gesundheitssystems und von Leben und Gesundheit einer Vielzahl von Menschen einen verhältnismäßigen Grundrechtseingriff dar.
VGH München, Beschl. vom 12.01.2021, Az. 20 NE 20.2933
Angesichts des Infektionsgeschehens ist es nicht zu beanstanden, wenn der Verordnungsgeber Kontaktbeschränkungen allein nicht mehr für ausreichend erachtet, sondern eine allgemeine und nächtliche Ausgangsbeschränkung für erforderlich hält.
VGH München, Beschl. vom 07.03.2021, Az. 20 NE 21.524
Die Maßnahme der nächtlichen Ausgangssperre ist voraussichtlich rechtmäßig, insbesondere hinreichend bestimmt, materiell im Rahmen der Vorgaben von § 28a IfSG und verhältnismäßig. Die Folgenabwägung ergibt, dass die Interessen der Gesamtbevölkerung am Schutz von Leib und Leben die Interessen der Antragstellerin, ohne triftigen Grund die Wohnung zu verlassen sowie uneingeschränkt familiäre und soziale Kontakte zu pflegen, in der gegenwärtigen Pandemiesituation überwiegen.
OVG Lüneburg, Beschl. vom 06.04.2021, Az. 13 ME 166/21
Der weite Kreis möglicher Schutzmaßnahmen wird durch § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG dahin begrenzt, dass die Schutzmaßnahme im konkreten Einzelfall „notwendig“ sein muss. Der Staat darf mithin nicht alle Maßnahmen und auch nicht solche Maßnahmen anordnen, die von Einzelnen in Wahrnehmung ihrer Verantwortung gegenüber sich selbst und Dritten bloß als nützlich angesehen werden. Vielmehr dürfen staatliche Behörden nur solche Maßnahmen verbindlich anordnen, die zur Erreichung infektionsschutzrechtlich legitimer Ziele objektiv notwendig sind.
VG Darmstadt, Beschl. vom 14.04.2021, Az. 4 L 662/21.DA
Es bestehen erhebliche Zweifel, ob der Kreis vor Anordnung der nächtlichen Ausgangsbeschränkung alle sonst zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur wirksamen Eindämmung der Verbreitung des Corona-Virus ergriffen hat, wie dies in § 28a Abs. 2 IfSG vorgesehen ist (Ausgangsbeschränkung als „ultima ratio“).
VG Braunschweig, Beschl. vom 12.04.2021, Az. 4 B 105/21, 4 B 107/21, 4 B 116/21
Eine Ausgangssperre ist das letzte Mittel zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Deshalb sind unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit hohe Anforderungen an eine solche Maßnahme zu stellen. Darzulegen ist, dass und warum gerade eine nächtliche Ausgangssperre erforderlich und verhältnismäßig sei, um das Infektionsgeschehen einzudämmen. Dies ist geschehen. Beide Landkreise haben hinreichend dargelegt, dass sich das Infektionsgeschehen auf den privaten Bereich verlagert hat. Die zuvor ergriffenen Maßnahmen haben nicht den beabsichtigten Erfolg erzielt.
Einweisung in eine Obdachlosenunterkunft
VG Freiburg, Beschl. vom 24.03.2021, Az. 5 K 731/21
Die derzeitige Corona-Pandemie führt nicht dazu, dass Obdachlose generell im Alter von über 70 Jahren nicht mehr in Obdachlosengemeinschaftsunterkünften untergebracht werden dürfen und können.
Durchsuchung einer Wohnung wegen Feierlichkeit bei Kontaktbeschränkung
AG Bonn, Beschl. vom 28.03.2021, Az. 951 XIV(L) 95/21
Das Betreten und Durchsuchen einer Wohnung bei Verdacht auf einen Verstoß gegen die Vorschriften der Corona-Verordnung des Bundeslandes (hier: Kontaktbeschränkungen im privaten Bereich) ist zulässig.
Betrieb von Saunahäusern während der Pandemie
VG Düsseldorf, Beschl. vom 31.03.2021, Az. 29 L 475/21
Saunahäuser dürfen unter Beachtung der geltenden Hygiene- und Infektionsschutzanforderungen vermietet werden.
Untersagung eines Waldkletterparks
VG Düsseldorf, Beschl. vom 08.04.2021, Az. 26 L 693/21
Waldkletterparks sind Freizeit- und Vergnügungsstätten i.S. der Corona-Verordnung und damit untersagt.
Infektionsschutzbedingte Schließung eines Hochseilgartens
VG Düsseldorf, Beschl. vom 12.04.2021, Az. 29 L 705/21
Sportanlagen i.S. der Corona-Verordnung sind besondere Anlagen für Freizeitaktivitäten. Bei einem Hochseilgarten handelt es sich um eine Sportanlage unter freiem Himmel i.S. der Corona-Verordnung. Der Hochseilgarten darf daher nicht betrieben werden.
Infektionsschutzbedingtes Öffnungsverbot für Wasserskianlage
VG Düsseldorf, Beschl. vom 14.04.2021, Az. 29 L 737/21
Sportanlagen i.S. der Corona-Verordnung sind besondere Anlagen für Freizeitaktivitäten. Bei einer Wasserskianlage handelt es sich um eine Sportanlage unter freiem Himmel i.S. der Corona-Verordnung. Sie darf daher nicht betrieben werden.