E-Ladestationen rechtssicher ausschildern
Ein aktueller Fall einer Stadt in Nordhessen zeigt, wie schwierig die Beschilderung von Flächen an Ladestationen für Elektrofahrzeuge ist und wie viel Verwirrung herrscht.
Welche Bevorrechtigungen wurden für Elektrofahrzeuge geschaffen?
Mit dem Elektromobilitätsgesetz (EmoG) vom 05.06.2015 (BGBl. I S. 898), zuletzt durch Art. 2 Abs. 34 des Gesetzes vom 20.12.2022 (BGBl. I S. 2752) geändert, wurden außerhalb der StVO verschiedene Bevorrechtigungen für Elektrofahrzeuge geschaffen.
Elektrofahrzeuge können nach § 3 Abs. 4 EmoG bevorrechtigt werden
- beim Parken auf öffentlichen Straßen oder Wegen,
- bei der Nutzung von für besondere Zwecke bestimmten öffentlichen Straßen oder Wegen oder Teilen von diesen,
- durch das Zulassen von Ausnahmen von Zufahrtbeschränkungen oder Durchfahrtverboten,
- im Hinblick auf das Erheben von Gebühren für das Parken auf öffentlichen Straßen oder Wegen.
Elektrofahrzeuge müssen gekennzeichnet sein
Die vorgenannten Bevorrechtigungen (§ 3 EmoG) dürfen nur für Fahrzeuge gewährt werden, die mit einer deutlich sichtbaren Kennzeichnung versehen sind. Dies ist das „E“ im Kennzeichen des Elektrofahrzeugs.
Erlass von Rechtsverordnungen zum Ausgestalten der Bevorrechtigungen
§ 3 Abs. 5 EmoG ermächtigt zum Erlass von Rechtsverordnungen, in denen die Einzelheiten der Anforderungen an deren Inanspruchnahme festgelegt werden sowie die Bevorrechtigungen und die erforderlichen straßenverkehrsrechtlichen Anordnungen, insbesondere Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen, bestimmt werden.
Zusatzzeichen außerhalb der StVO eingeführt
Um die Bevorrechtigungen im öffentlichen Straßenraum sichtbar zu machen, wurden Zusatzzeichen geschaffen. Die Zusatzzeichen wurden außerhalb der StVO durch Verlautbarung im Verkehrsblatt eingeführt. Somit werden Zusatzzeichen nach dem StVG bzw. der StVO mit Zeichen außerhalb der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften kombiniert, z.B. das Zeichen 314 (blaues P-Schild für „Parkplatz“) mit dem Zeichen 1026-60 „Elektrofahrzeuge während des Ladevorgangs“. Dies widerspricht der Systematik des StVG, das keine Privilegierung von Fahrzeuggruppen kennt.
Die Einführung von Zusatzzeichen außerhalb der StVO durch Verlautbarung im Verkehrsblatt ist auch wenig bürgerfreundlich, denn welcher Bürger kennt das Verkehrsblatt und vermutet dort das Verkünden von Verkehrs- bzw. Zusatzzeichen?
Welche Verkehrszeichen und Zusatzschilder für E-Ladestationen gibt es?
Ladesäulen ohne Beschilderung sind unzweckmäßig. Weil hier jeder parken darf, sollten Parkplätze an Ladesäulen immer zweckmäßig beschildert werden.
Verkehrszeichen 314 (Parken)
Das Zeichen kündigt Parkplätze an oder kennzeichnet diese. Das Parken kann durch Zusatzzeichen zeitlich, auf bestimmte Fahrzeugarten, mit Parkscheibe oder auf Bewohner mit Parkausweis beschränkt werden.
Zusatzzeichen 365-65 (Ladestation für Elektrofahrzeuge)
Verkündet im Verkehrsblatt Nr. 3 vom 15. Februar 2014, S. 132
Das Schild dient dem Hinweis auf Ladestationen für Elektrofahrzeuge und Wasserstofftankstellen. Als Vorankündigung kann das Schild mit den Zeichen Z 1004-30/-35, Z 1000-11/-21 und Z 1000-10/-20 verbunden werden.
Wichtig: Dem Zeichen ist in der StVO keine Ge- oder Verbotsregelung zugeordnet. Daher kann mit diesem Schild keine Bevorzugung von Elektrofahrzeugen erreicht werden.
Zusatzzeichen 1010-66 (elektrisch betriebene Fahrzeuge)
Verkündet durch die 50. Verordnung zur Änderung der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften vom 15.09.2015 (BGBl. I Nr. 36 vom 25.09.2015, S. 1573–1577).
Auf den mit diesem Zeichen ausgeschilderten Flächen dürfen nur als Elektrofahrzeuge gekennzeichnete Fahrzeuge parken, d.h. mit dem „E“ im Kfz-Kennzeichen bzw. mit Plakette bei ausländischen Kfz. Andere Fahrzeuge sind vom Parken ausgeschlossen. Daraus folgt, dass Elektrofahrzeuge, die nicht über ein „E“-Kennzeichen verfügen, auf einem so gekennzeichneten Stellplatz ordnungswidrig parken.
Zusatzzeichen 1050-32 (Elektrofahrzeuge während des Ladevorgangs)
Das Zusatzzeichen wurde am 21.02.2011 verkündet und am 15. März 2011 im Verkehrsblatt Nr. 5/2011, S. 199 veröffentlicht.
Ist dieses Zusatzzeichen ausgeschildert, dürfen alle Elektrofahrzeuge während des Ladens auf dem Stellplatz parken.
Zusatzzeichen 1040-33 (Parken mit Parkscheibe in gekennzeichneten Flächen; hier 2 Stunden)
Das Zeichen wurde mit einer Novelle der StVO im Jahr 1992 eingeführt.
Konflikt des Verkehrsrechts mit dem EmoG
Die Berichterstattung zum EmoG (Deutsches Dialog Institut GmbH und Noerr LLP, im Auftrag des BMVI, Juni 2018, Seite 39; abrufbar unter https://bmdv.bund.de/) hebt hervor, eine Beschränkung des Parkens auf den Ladevorgang im Sinne des EmoG sei ausgeschlossen. Auf Stellflächen an Ladesäulen, die entsprechend den Zielsetzungen des EmoG gefördert wurden, können die Berechtigten ihr Elektrofahrzeug laden, müssen es aber nicht. Zulässig ist eine Beschränkung der Parkdauer, z.B. mittels Parkscheibe.
Eine Verpflichtung zum Laden entspricht nicht der Ermächtigung des EmoG und ist daher nicht zulässig. Diese Sicht wird durch die Bundestagsdrucksache 18/3418 vom 03.12.2014 zum Entwurf eines Gesetzes zur Bevorrechtigung der Verwendung elektrisch betriebener Fahrzeuge gestützt.
Die Kommunen dürfen daher an geförderten Ladesäulen keine Beschränkung auf den Ladevorgang anordnen (siehe oben, Zusatzzeichen 1010-66 mit dem Zusatzzeichen 1050-32).
Rechtlich nicht einwandfreie Beschilderung
Die Ausschilderung von E-Ladestation einer südhessischen Großstadt dient als Beispiel für eine rechtlich zweifelhafte Kombinationen von Zeichen beruhend auf der StVO und Zeichen, die im Verkehrsblatt verkündet wurden.
- Parkplatz ausgewiesen mit Zeichen 314
- Parken für alle elektrisch betriebene Fahrzeuge, also auch für solche ohne E-Kennzeichen (Zusatzzeichen 1050-32),
- an allen Tagen und zu jeder Tageszeit (also auch nachts) mit Parkscheibe maximal 3 Stunden (Zusatzzeichen 1040-33). In diesem Fall stellt sich der Frage nach der Angemessenheit der Einschränkung.
Welche Kombination von Zeichen wird dem EmoG gerecht?
Folgende Kombination von Zeichen des Straßenverkehrsrechts an Ladesäulen in Verbindung mit dem Zeichen 314 ist rechtssicher und kann von den Betroffenen wie folgt interpretiert werden:
- Parken ganztägig nur für elektrisch betriebene Fahrzeuge (mit E-Kennzeichen),
- diese dürfen werktags mit Parkscheibe maximal 2 Stunden parken.
Hinweis: Viele E-Fahrzeuge können im Modus Schnelladen innerhalb von 30 Minuten die Batterie bis zu 80% füllen. - Die Parkscheibenpflicht gilt jedoch nur von 9 bis 20 Uhr. Außerhalb dieser Zeit brauchen elektrisch betriebene Fahrzeuge keine Parkscheibe.
Der Fall: E-Auto an defekter Ladesäule geparkt
Ein Bürger einer Stadt in Nordhessen nahm sich vor, mit seinem E-Auto in die Innenstadt zu fahren, dort einzukaufen und währenddessen sein Fahrzeug an einer öffentlichen Ladesäule zu betanken. An der Ladesäule angekommen, bemerkte er, dass diese defekt und außer Betrieb war. Trotzdem stellte er sein Fahrzeug an der Ladesäule ab.
Während der Einkäufe ging er immer wieder zu dieser zurück in der Hoffnung, noch Strom laden zu können. Statt einer funktionsfähigen Ladesäule fand er an der Windschutzscheibe seines Fahrzeuges ein „Knöllchen“ vor. Tage später bekam er einen Bußgeldbescheid über 55 Euro zuzüglich Kosten.
Wurde der Bußgeldbescheid rechtmäßig erlassen?
Der Bußgeldbescheid stützt sich auf eine Zuwiderhandlung gegen das Zusatzzeichen 1050-32 (Elektrofahrzeuge während des Ladevorgangs). Die Zuwiderhandlung ist mit einem Bußgeld in Höhe von 55 Euro bedroht. („Sie haben unberechtigt auf einem Parkplatz für E-Fahrzeuge geparkt.“)
Das Ahnden einer Zuwiderhandlung gegen ein Zeichen außerhalb der StVO auf der Grundlage der StVO ist nicht zulässig. Dies hat auch das OLG Hamm erkannt (Beschl. vom 27.05.2014, Az. 5RBs13/14), die Klage des Betroffenen dennoch abgewiesen und dies damit begründet, die öffentliche Sicherheit und Ordnung sei gestört. Auch das AG Lüdinghausen (Urteil vom 15.06.2015, Az. 19 OWi – 89 Js 1159/15 – 88/15) hat ähnlich wie das OLG Hamm entschieden.
Ergebnis
Nach unserer Rechtsauffassung fehlt es dem Bußgeldbescheid der Stadt an der erforderlichen Rechtsgrundlage. Es ist davon auszugehen, dass der Bußgeldbescheid aber unter Hinweis auf die Entscheidungen des OLG Hamm und des AG Lüdinghausen gerichtlich bestätigt wird.
Zu guter Letzt: „Alternative“ Beschilderungen
Nicht selten werden Beschilderungen von Ladestationen angebracht, die nicht auf der StVO bzw. VzKat beruhen und die daher nicht rechtmäßig sind.
Die vorhandene Vielfalt an Schildern, die oft auf privaten Flächen, Parkplätzen von Supermärkten oder in Parkhäusern anzutreffen sind, verwirrt zunehmend die Verkehrsteilnehmer. Vorhandene Unsicherheiten sollten auf öffentlichen Flächen nicht dadurch verstärkt werden, dass andere als amtliche Verkehrszeichen nach der StVO und VzKat aufgestellt werden. Zudem dürfen die Straßenverkehrsbehörden nur amtliche Verkehrszeichen anordnen.
Eigenkreationen beruhen nicht auf der StVO. Sie sind nicht anordnungsfähig und daher nichtig. Dort, wo sich Behörden über diese Maßgabe hinwegsetzen, bilden die Zeichen keine belastbare Grundlage für ordnungsrechtliche Maßnahmen. Bußgeldbescheide werden ebenso aufgehoben wie Kostenbescheide nach Abschleppmaßnahmen. Dies gilt selbst dann, wenn Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren die Flächen für E-Fahrzeuge als Dauerparkplatz benutzen.