Duldung eines Spielhallenbetriebs ohne Erlaubnis?
Das OVG Münster nahm mit Beschl. vom 16.08.2023 (Az. 4 B 959/22) zur Frage der Duldung von Spielhallen ausführlichst Stellung. Wegen der Bedeutung der Entscheidung geben wir diese im Wortlaut wieder.
Zur Frage der Duldung eines Spielhallenbetriebs ohne wirksame Erlaubnis entschied das OVG des Landes Nordrhein-Westfalen:
- Vor der Aufnahme einer erlaubnispflichtigen Gewerbetätigkeit ist zwar ganz regelmäßig der reguläre Abschluss des Erlaubnisverfahrens abzuwarten. Ein Ausnahmefall, in dem ein Spielhallenbetrieb ohne die hierfür erforderliche Erlaubnis zu dulden sein kann, kann insbesondere aus Gründen effektiven Rechtsschutzes anzunehmen sein oder sich daraus ergeben, dass die materiellen Erlaubnisvoraussetzungen offensichtlich, d. h. ohne weitere Prüfung erkennbar, erfüllt sind.
- Seit dem 1.7.2021 ist es […] nicht mehr ohne Weiteres gerechtfertigt, Duldungen für miteinander konkurrierende Spielhallen auszusprechen, zwischen denen die Behörde eine Auswahl zu treffen hat, wenn alle übrigen Erlaubnisvoraussetzungen erfüllt sind. Wird insbesondere auch nach neuem Recht eine Auswahlentscheidung zwischen mehreren bis zum 30.6.2021 erlaubten Spielhallen erforderlich und wird eine solche Entscheidung vor dem 30.6.2022 nicht bestandskräftig, so besteht aus Gründen effektiven Rechtsschutzes zur Vermeidung bußgeld- und/oder strafrechtlicher Konsequenzen Raum für die Annahme eines Duldungsanspruchs für die Dauer des Verfahrens über die Erteilung einer Erlaubnis, wenn eine gerichtliche Klärung bis zum 30.6.2022 nicht möglich war.
- Mit dem Landesausführungsgesetz in der ab dem 1.7.2021 geltenden Fassung hat der Gesetzgeber in § 18 Abs. 2 AG GlüStV NRW ein Fortgelten nur der bis zum 30.6.2021 befristeten und bis zu diesem Tag nicht aufgehobenen Spielhallenerlaubnisse bis zur Erteilung einer neuen Erlaubnis nach § 16 Abs. 2 AG GlüStV NRW oder bis zur Antragsablehnung vorgesehen, längstens aber bis zum 30.6.2022, und zwar auch nur, sofern die Betreiberin oder der Betreiber der Spielhalle bis zum 31.7.2021 einen Antrag auf Erteilung der Erlaubnis bei der zuständigen Behörde gestellt hat. Insoweit unterscheidet das neue Recht nicht mehr danach, ob am 30.6.2021 wirksame Erlaubnisse nach altem Recht regulär oder im Wege einer Härtefallbefreiung erteilt worden waren.
- Selbst wenn danach Raum für eine Duldung besteht, kommt eine solche aus Gründen effektiven Rechtsschutzes nur in Betracht, wenn entweder die Rechtmäßigkeit einer erfolgten Auswahlentscheidung bereits bei summarischer Prüfung durchgreifenden Zweifeln unterliegt oder eine Auswahlentscheidung noch gar nicht ergangen ist und eine Auswahl der Spielhalle, für die die Duldung begehrt wird, bei einer noch vorzunehmenden Auswahl ernsthaft in Betracht kommt.
- Die in die Auswahlentscheidung einzustellenden Kriterien (Auswahlparameter) lassen sich dem Gesetz entnehmen und wurden durch die die Behörde bindenden Erlasse näher konturiert. Im Vergleich zum früheren Recht gilt lediglich die Besonderheit, dass bereits der Staatsvertragsgesetzgeber die Regelungen zum Übergang zu den mit dem Ersten Glücksspielstaatsvertrag im Jahr 2012 eingeführten Abstandsgeboten einschließlich der gestaffelt befristeten Härtefallregelung für atypische Ausnahmefälle in die Neuregelung von § 29 GlüStV 2021 nicht mehr übernommen hat.
- Die Frage, ob eine Spielhalle die einzige Einnahmequelle des jeweiligen Spielhallenbetreibers darstellt, kann nur nachrangig bei der Auswahlentscheidung berücksichtigt werden, nicht aber gleichrangig. Dasselbe gilt für Vertrauensschutzgesichtspunkte.
- Eine etwaige Bindungswirkung der einem Spielhallenbetreiber erteilten glücksspielrechtlichen Erlaubnis und eine hierauf bezogene gegenüber einem Konkurrenten eingetretene Bestandskraft berührt nicht seinen Bewerbungsverfahrensanspruch, wenn er rechtzeitig die Ablehnung seines eigenen Erlaubnisantrags angefochten hat.