Abschleppkosten erheben, wenn Fahrer plötzlich erkrankt?
Befreit eine plötzliche Erkrankung vom Zahlen der Kosten für das Abschleppen eines Fahrzeugs, wenn dieses wegen der Erkrankung im Halteverbot abgestellt wurde? Diese Frage musste das VG München (Urteil vom 18.11.2016, Az. M 7 K 16.4060) beantworten.
KfZ wegen Schmerzen im Halteverbot abgestellt
Der Halter eines Kfz war am 5. September 2016 mit seinem Fahrzeug unterwegs, als er plötzlich starke Schmerzen im Unterbauch verspürte. Er hielt sofort an, stellte sein Kfz im eingeschränkten Halteverbot (Zeichen 286 StVO mit Richtungspfeilen und Zusatzzeichen nach Anlage StVO lfd. Nr. 63.1) ab, rief ein Taxi und ließ sich von diesem in ein Krankenhaus bringen. Dort wurde er stationär aufgenommen und am Blinddarm operiert.
Das im absoluten Halteverbot abgestellte Fahrzeug fiel am 7. September 2016 einer Polizeistreife auf. Vier Stunden später stand das Kfz immer noch am gleichen Ort. Die Polizisten riefen einen Abschleppdienst herbei, der das Fahrzeug entfernte.
Das Polizeipräsidium forderte vom Halter mit Leistungsbescheid 308 EUR, gegen den der Halter klagte.
So lautet die Entscheidung des Gerichts
Voraussetzung für Kostenerhebung
Die Kostenerhebung setzt voraus, dass die Polizei anstelle des Verantwortlichen eine Sache sichergestellt bzw. eine Maßnahme unmittelbar ausgeführt hat und die abgerechneten Kosten dafür angefallen sind. Außerdem muss die zugrunde liegende Maßnahme im maßgeblichen Zeitpunkt des polizeilichen Einschreitens rechtmäßig sein (Art. 28 Abs. 3 Satz 1 bzw. Art. 9 Abs. 2, Art. 76 Polizeiaufgabengesetz – PAG Bayern bzw. entsprechende landesrechtliche Regelung).
Nach Art. 25 Nr. 1 PAG kann die Polizei zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr eine Sache sicherstellen. Hierzu zählen bereits eingetretene und andauernde Störungen wie Verkehrsordnungswidrigkeiten, vorliegend § 24 StVG i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 4, § 41 Abs. 1 StVO i.V.m. Anlage lfd. Nr. 63 und 63.1.
Das abgeschleppte Fahrzeug stand seit mehr als 24 Stunden in einer eingeschränkten Halteverbotszone, in der das Halten auf drei Minuten beschränkt und nur zum Ein- oder Aussteigen bzw. Be- und Entladen gestattet ist.
Da der Zweck der Sicherstellung, das aus dem Parkverbot resultierende sofort vollziehbare Wegfahrgebot durchzusetzen, durch Inanspruchnahme des Halters nicht rechtzeitig erreicht werden konnte, lagen die Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 1 Satz 1 PAG für die unmittelbare Ausführung der Maßnahme vor.
Gefahrabwehrmaßnahme setzt kein Verschulden voraus
Die Rechtmäßigkeit der zugrunde liegenden Gefahrabwehrmaßnahme setzt kein Verschulden voraus, sondern knüpft an die polizeirechtliche Verantwortlichkeit an. Diese lag beim Halter des Kfz.
Hier ist zu berücksichtigen, dass der Halter bei Verlassen seines Fahrzeugs weder einen Hinweis auf den Grund für dessen verbotswidriges Abstellen und seine Erreichbarkeit gegeben noch vom Krankenhaus aus für eine Entfernung des Fahrzeugs durch einen Dritten gesorgt hat.
Kostenerhebung
Dann prüfte das Gericht die Verhältnismäßigkeit der Kostenerhebung vor dem Hintergrund der plötzlichen Erkrankung des Halters und entschied: Ebenso wie die Gefahrabwehrmaßnahme setzt auch die Kostenerhebung für die unmittelbare Ausführung und die Verwahrung nach Sicherstellung kein Verschulden voraus, sondern die polizeirechtliche Verantwortlichkeit. Diese lag ebenfalls beim Halter.
Ergebnis
Die auf Art. 25 Nr. 1, Art. 9 Abs. 1 Satz 1 PAG gestützte Abschleppanordnung war rechtmäßig. Das gilt auch für den Leistungsbescheid.