31.01.2020

Kinder ertrinken: Müssen Dorfteiche künftig eingezäunt werden?

Im Sommer 2016 ertranken drei Kinder im Alter von 5, 8 und 9 Jahren auf tragische Weise in einem Dorfteich einer Gemeinde im Schwalm-Eder-Kreis (Regierungsbezirk Kassel). So unfassbar dies ist, umso unverständlicher ist es nun, dass sich der Bürgermeister der Gemeinde wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht verantworten muss, weil er es unterlassen haben soll, den Teich einzäunen zu lassen.

Dorfteiche einzäunen

Wie kam es zu dem Unfall?

Dorfteiche einzäunen
In diesem Dorfteich ertranken drei Kinder.

„Meine Kinder wurden wie magisch von dem Teich angezogen“, sagte die Mutter der Kinder unter Tränen vor Gericht aus. So kam es, dass die drei Geschwister wie so oft gemeinsam zum Teich gingen und dort spielten. Als sie abends nicht in das Elternhaus zurückkehrten, suchte der Bruder seine Geschwister. Er fand alle drei Kinder, von denen nur eines schwimmen konnte, ertrunken im Dorfteich. Das grausame Geschehen wurde von niemandem beobachtet, der schnell zur Hilfe eilen konnte.

Das wahrscheinliche Geschehen wurde von dem Leiter der Kriminalpolizei so beschrieben: Ein Kind habe mit einem Kescher am Teich geangelt und sei hereingefallen. Die beiden Geschwister wollten ihm helfen und seien letztlich selbst wegen der regennassen Böschung in das Wasser gerutscht.

Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft

Dorfteiche einzäunen
Gedenken an das tragische Unglück.

Die Staatsanwaltschaft kam zu dem Schluss, die Gemeinde als Eigentümerin des Teiches hätte diesen sichern müssen. Das Gewässer sei ein Löschwasserteich, der laut DIN 14210 mit einem 1,25 m hohen Zaun hätte umrandet werden müssen. Denn das Ufer sei teilweise durch Pflasterarbeiten steil und rutschig gewesen und es sei somit „objektiv vorhersehbar gewesen, dass das Herausgelangen aus dem Teich erschwert oder gar unmöglich ist“ (Anklageschrift der Staatsanwaltschaft). Der Bürgermeister als Erster unter Gleichem im Gemeindevorstand und Chef der Verwaltung habe aus diesem Grund die Verkehrssicherungspflichten missachtet und den Tod der Kinder fahrlässig herbeigeführt.

Bei einer Verurteilung drohen dem Bürgermeister, der sich bei den Gerichtsverhandlungen tief erschüttert aber nicht schuldbewusst zeigte, bis zu fünf Jahre Haft. Der anstehenden Wiederwahl will sich der Bürgermeister wegen der Belastung, der er sich durch das Strafverfahren ausgesetzt sieht, nicht mehr stellen.

Was ist ein Löschwasserteich?

Nach den Brandschutzgesetzen der Bundesländer obliegt den Gemeinden die Sicherstellung der Löschwasserversorgung. Diese Verpflichtung erstreckt sich aber nur auf das ortsübliche Brandrisiko. Bemessungskriterien hierfür sind die Siedlungsstruktur, die Bauweise und die baulichen Nutzung von Baugebieten und die daraus resultierende Brandgefahr.

Löschwasserteiche nach DIN 14210

  • sind künstlich angelegt
  • haben eine befestigte Wasserentnahmestelle und
  • eine befestigte Zufahrt.
  • Ihr Fassungsvermögen beträgt mind. 1.000 m³ und sind
  • mit einer Einfriedung (Zaun o. ä.) mind. 1,25 m hoch versehen.
  • Die Wasserentnahme erfolgt über ein Saugrohr oder Saugschacht.
  • Die Form des Teiches ist beliebig und kann auch als Zierteich angelegt sein.

Befüllung:

  • nur sauberes Wasser
  • Regenwasser nur über Sandfang
  • keine fließenden Gewässer
  • Verbindung zu anderen Gewässern über Rinne mit Sandfang und Schutzgitter
  • aus Wasserleitungen: Eintritt nur durch die Atmosphäre mit Überlaufsicherung

Wie wurde der Teich bisher genutzt?

Vor Gericht wurde anhand der Aussagen von Anwohnern deutlich, dass der über 200 Jahre alte Teich von Generationen zum Baden, Schwimmen, Schlauchbootfahren, Feiern sowie Schlittschuhlaufen vom ganzen Dorf benutzt wurde. Jahrelang spielten hier unbeaufsichtigt nahezu alle Kinder des Dorfes. Eine 80jährige Zeugin sagte aus, seit 57 Jahren lebe sie am Teich. Immer hätten dort Kinder gespielt, niemals sei etwas passiert. Er sei genauso gefährlich wie jedes andere Gewässer.

Was sagt die Freiwillige Feuerwehr?

Der Führer der Freiwilligen Feuerwehr sagte aus, der Teich werde im Brandfall lediglich als Wasserreserve herangezogen. Er sei für die Feuerwehr nur eingeschränkt nutzbar, weil das feuchte Gelände mit schweren Einsatzfahrzeugen nicht befahren werden könne.

Was sagt der Bürgermeister?

 Dorfteiche einzäunenJedes Jahr ertrinken in Deutschland mehrere Hundert Menschen, begann der Bürgermeister seine Verteidigung. Dies gehört zum allgemeinen Lebensrisiko. Es ist unmöglich, alle Gewässer zu sichern. Er wäre für die Anweisung einen Zaun zu bauen nicht zuständig gewesen, sondern die Stadtverwaltung. Der Stadtrat hätte die Kosten hierfür genehmigen müssen. Das wäre aber nie geschehen, so der Bürgermeister, weil niemand einen solchen Zaun gewollt hätte. Die Richterin wollte wissen, ob der Teich nun umzäunt sei. Nein, antwortet der Bürgermeister. Seit dem Unglück stehen um den Teich herum fünf Schilder mit Piktogrammen eines um Hilfe winkenden Schwimmers. Sie sollen Kinder vor dem Baden im Teich warnen.

Wie geht es weiter?

Der nächste Verhandlungstag ist für den 6. Februar angesetzt. Im März wird das Urteil erwartet, über das wir ausführlich berichten werden.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)