18.11.2019

Dokumentationspflicht bei Straßenverunreinigungen und deren Beseitigung

Der Mitarbeiter einer Gemeinde ermittelte die durch ausgelaufenes Öl eines Kfz verunreinigte Fläche per Augenmaß. Das VG Hannover (Urteil vom 19.09.2019, Az. 7 A 6661/17) musste entscheiden, ob das Augenmaß ausreichend ist.

Dokumentation Straßenverunreinigung

Auslaufende Betriebsmittel

Der Halter eines PKW stellte sein Fahrzeug morgens am Straßenrand ab. Gegen 11 Uhr stellten Passanten und Polizeibeamte im Bereich des abgestellten Fahrzeugs eine Verunreinigung der Straße durch Betriebsmittel in Form einer Ölspur und einer Öllache im Umfang von 1 m² fest.

Statt Dokumentation: Straßenverunreinigung per Augenmaß bestimmt

Die Polizeibeamten verständigten die Gemeinde. Da der Halter nicht erreicht werden konnte, wurde mit dessen Vater vereinbart, das Fahrzeug durch die Gemeinde abschleppen zu lassen. Der Pkw wurde daraufhin auf das Betriebsgelände der Gemeinde transportiert. Ein Mitarbeiter der Gemeinde bestimmte den Umfang der Reinigung per Augenmaß und beauftragte eine Reinigungsfirma mit der Beseitigung der Verunreinigung.

Die Reinigungsfirma gab in einem Auftragsblatt die verunreinigte Fläche mit 1.582 m² an. Lichtbilder der Ölspur bestätigen den Umfang der angeblich gereinigten Fläche nicht. Trotzdem verlangte die Gemeinde von dem Halter den Ersatz der Kosten der Straßenreinigung bezogen auf 1.582 m² und in Höhe von 2.992 Euro. Gegen den Bescheid klagte die Versicherung des Halters.

Kostenersatz nach dem Straßengesetz des Bundeslandes

Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Halters zum Kostenersatz ist das Straßengesetz des Bundeslandes (hier: § 17 Satz 1 Halbsatz 2 NStrG). Nach diesen Vorschriften hat derjenige, der eine Straße über das übliche Maß hinaus verunreinigt, die Verunreinigung unverzüglich zu beseitigen; andernfalls kann der Träger der Straßenbaulast die Verunreinigung auf Kosten des Verursachers beseitigen.

Die Pflicht zum Erstatten der Kosten der Straßenreinigung setzt voraus, dass der Halter seiner Pflicht, die Verunreinigung der Straße unverzüglich zu beseitigen, nicht nachgekommen ist. „Unverzüglich“ heißt ohne schuldhaftes Zögern (vgl. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dabei ist nicht ein sofortiges, sondern lediglich ein nach den Umständen des Falls zu bemessendes beschleunigtes Handeln erforderlich.

Ob und welche Maßnahmen die Straßenbaubehörde zur Beseitigung der Verunreinigung ergreift, liegt – anders als die Heranziehung des Pflichtigen zum Kostenersatz – in ihrem Ermessen. Bei der Ausübung ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinne zu beachten. Anerkannt ist, dass die Straßenbaubehörde die Beseitigung nicht nur durch eigene Bedienstete, sondern auch durch beauftragte Dritte durchführen bzw. durchführen lassen kann.

Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Straßenbaubehörde Maßnahmen veranlasst, die aus vorausschauender Sicht als vernünftig erscheinen. Ob sich im Nachhinein herausstellt, dass ein geringerer Aufwand ausgereicht hätte, ist unerheblich, soweit keine Maßnahmen veranlasst wurden, die ersichtlich außer Verhältnis zu dem Anlass und dem zu erwartenden notwendigen Beseitigungsaufwand standen.

Anscheinsbeweis

Lässt sich ein Sachverhalt nicht eindeutig ermitteln, kann er durch einen Anscheinsbeweis festgestellt werden. Durch den Beweis des ersten Anscheins wird die dem Geschädigten grundsätzlich obliegende Beweisführung der Ursächlichkeit eines bestimmten Lebenssachverhalts für den eingetretenen Schaden erleichtert. Der Beweis des ersten Anscheins spricht dafür, dass der Halter die Verunreinigung der vorbezeichneten Straße verursacht hat.

Kosten rechtmäßig ermittelt?

Das VG hat den angefochtenen Bescheid insoweit beanstandet, als die Gemeinde darin die Kosten für die Reinigung einer Fläche von 1.582 m² in Höhe von insgesamt mehr als 2.992 € festgesetzt hat. Die Gemeinde hat nach Auffassung des VG die Größe der veranschlagten Fläche nicht ausreichend belegt.

Entscheidet sich die Gemeinde anstelle einer Kostenrechnung nach Zeitaufwand für eine Abrechnung nach gereinigter Fläche, obliegt es ihr nach allgemeinen Grundsätzen, die der Kostenberechnung zugrunde gelegten Maße im Einzelnen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Dabei ist auch mit Blick auf den gefahrenabwehrrechtlichen Hintergrund der Maßnahme kein punktgenaues und ständiges Nachmessen erforderlich. Die gereinigte Fläche muss sich aber – etwa durch eine im Rahmen des Reinigungseinsatzes gefertigte Bilddokumentation oder die Erfassung elektronischer Daten im Rahmen eines Geoinformationssystems – im Einzelnen schlüssig und für die Beteiligten nachprüfbar aus dem Inhalt des Verwaltungsvorgangs ergeben. Genügt der Inhalt der Akten diesen Anforderungen nicht, gehen Unklarheiten oder Widersprüche bei der Flächenberechnung zulasten der Gemeinde.

Ergebnis: Dokumentation der Straßenverunreinigung fehlt

Weil die Lichtbilder nach Auffassung des VG den Schluss auf eine gereinigte Fläche von 1.582 m² nicht zulassen, muss die Gemeinde den Umfang der gereinigten Fläche beweisen. Weil ihr dies wegen der fehlenden Dokumentation der Straßenverunreinigung nicht möglich war, hielt das VG im Wege richterlicher Schätzung (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 287 ZPO) einen Abzug in Höhe von 25 % der Reinigungskosten (= 747,84 €) für gerechtfertigt.

Das Urteil ist abrufbar unter https://voris.wolterskluwer-online.de/browse/document/a5ceb963-e0b4-4d6d-90cb-f860480d7291

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)