18.03.2016

Dienstleistungsfreiheit hindert das Ahnden illegaler Sportwetten

Keine frohe Kunde verbreitet der EuGH im Kampf gegen illegale Sportwetten nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2008 und in der Übergangsphase zum neuen Recht (Urteil vom 04.02.2016, Rechtssache C-336/14 Sebat Ince).

Einarmige Banditen in einer Spielhalle

In Bayern wurden in einer „Sportsbar“ Sportwetten einer ausländischen Gesellschaft angeboten, die hierfür keine Lizenz nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2008 hatte. In der Folge wurde dem Anbieter das Vermitteln von Sportwetten ohne Erlaubnis in Bayern untersagt. Die Staatsanwaltschaft klagte den Anbieter wegen des Vermittelns von Sportwetten ohne Erlaubnis vor dem AG Sonthofen an.

Vor dem Hintergrund der vom EuGH festgestellten Unionrechtswidrigkeit des damaligen deutschen Sportwettenmonopols, das im Glücksspielstaatsvertrag 2008 manifestiert war, fragte das AG Sonthofen den EuGH zu den Konsequenzen, die Verwaltung und Justiz daraus ziehen müssen.

Der EuGH entschied

  • Die Strafverfolgungsbehörden eines Mitgliedstaats sind durch die Dienstleistungsfreiheit daran gehindert, die ohne Erlaubnis erfolgte Vermittlung von Sportwetten durch einen privaten Wirtschaftsteilnehmer an einen anderen privaten Wirtschaftsteilnehmer zu ahnden, wenn er über keine Erlaubnis für die Veranstaltung von Sportwetten in diesem Mitgliedstaat verfügt, sondern nur Inhaber einer Lizenz in einem anderen Mitgliedstaat ist.
  • Dies gilt aber nur für den Fall, dass die Erlaubnispflicht für die Veranstaltung oder die Vermittlung von Sportwetten aufgrund eines von den nationalen Gerichten für unionsrechtswidrig befundenen staatlichen Monopols besteht.
  • Selbst wenn ein privater Wirtschaftsteilnehmer theoretisch eine Erlaubnis für die Veranstaltung oder die Vermittlung von Sportwetten erhalten kann, steht die Dienstleistungsfreiheit einer solchen Ahndung entgegen, soweit die Kenntnis des Verfahrens zur Erteilung einer Erlaubnis nicht sichergestellt ist und das von den nationalen Gerichten für unionsrechtswidrig befundene staatliche Sportwettenmonopol trotz der Annahme eines solchen Verfahrens fortbesteht.
  • In Bezug auf den vom Glücksspieländerungsstaatsvertrag 2012 geregelten Zeitraum meint das Gericht, dass die Dienstleistungsfreiheit einen Mitgliedstaat daran hindert, die ohne Erlaubnis erfolgte Vermittlung von Sportwetten in seinem Hoheitsgebiet an einen Wirtschaftsteilnehmer, der in einem anderen Mitgliedstaat eine Lizenz innehat, zu ahnden, wenn die Erteilung einer Erlaubnis für die Veranstaltung von Sportwetten daran geknüpft ist, dass er eine Konzession nach einem Verfahren wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden erhält und ein Gericht feststellt, dass dieses Verfahren den Gleichbehandlungsgrundsatz, das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und das daraus folgende Transparenzgebot nicht beachtet, und soweit trotz des Inkrafttretens einer nationalen Bestimmung, nach der privaten Wirtschaftsteilnehmern eine Konzession erteilt werden kann, die von den nationalen Gerichten für unionsrechtswidrig befundenen Bestimmungen, mit denen ein staatliches Monopol auf die Veranstaltung und die Vermittlung von Sportwetten eingeführt wurde, faktisch weiter angewandt werden.

Im Klartext

  • Die deutschen Gerichte sehen das Sportwettenmonopol nach dem Glücksspielstaatsvertrag 2008 entsprechend den Urteilen „Stoß“ und „Carmen Media Group“ als mit dem EU-Recht unvereinbar an (siehe NVwZ 2010, Seite 1409 sowie BeckRS 2010, 91037). Folgt man dem EuGH, können deutsche Behörden und Gerichte Verstöße gegen das Sportwettenmonopol 2008 nicht ahnden.
  • Die EU-Rechtswidrigkeit des Sportwettenmonopols 2008 kann auch nicht durch ein fiktives Erlaubnisverfahren geheilt werden.
  • Weil die Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrags 2008 trotz seines Auslaufens Ende 2011 in einigen Ländern im ersten Halbjahr 2012 nach Landesrecht immer noch anwendbar waren, dürfen darin enthaltene Vorschriften für diesen Zeitraum den Betreibern von Sportwetten von Behörden und Gerichten nicht entgegengehalten werden. Denn anders als der Glücksspielstaatsvertrag selbst wurden diese Gesetze von der Kommission nicht notifiziert.
  • In Bezug auf den vom Glücksspieländerungsstaatsvertrag 2012 geregelten Zeitraum scheidet eine Ahndung illegaler Vermittlung von Sportwetten aus, wenn das Verfahren für die Erteilung einer Erlaubnis für die Veranstaltung von Sportwetten den Gleichbehandlungsgrundsatz, das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und das daraus folgende Transparenzgebot nicht beachtet, und soweit trotz des Inkrafttretens eines Konzessionstatbestands das EU-rechtswidrige Sportwettenmonopol faktisch weiter Bestand hat.
Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt ist Referent zum Ordnungsrecht am Verwaltungsseminar Kassel. )