Darf ein Musikfestival bei erhöhter Flächenbrandgefahr abgesagt werden?
Nach wochenlanger Trockenheit wollte eine Stadt in Hessen auf Nummer sicher gehen und untersagte ein Musikfestival trotz vorgelegtem Sicherheitskonzept. Der VGH Kassel musste im Eilverfahren vor Beginn der Veranstaltung entscheiden, ob die Untersagung Bestand hat (Beschl. vom 03.08.2018, Az. 8 B 1590/18).
Auf dem Vereinsgelände in der Nähe eines Campingplatzes einer Stadt in Hessen sollte ein Musikfestival unter dem Titel „Tropen Tango“ stattfinden. Der Veranstalter legte ein wirksames Brandschutzkonzept vor, das u.a. das Vorhalten von Feuerlöschern, Löschsand, den Einsatz eines Tanklöschfahrzeuges und größere Mengen Wasser vorsah. Zudem wurden Brandschneisen gelegt. Auf dem gesamten Gelände sollte ein Rauch-, Grill- und Feuerverbot gelten.
Die Stadt untersagte dennoch das Festival wegen erhöhter Brandgefahr nach wochenlanger Dürre. Gegen die Untersagungsverfügung klagte der Veranstalter im Eilverfahren.
Entscheidungsgründe
- Rechtsgrundlage für die ausgesprochene Verbotsverfügung für das Musikfestival „Tropen Tango“ ist die Befugnisklausel der Polizei- und Ordnungsbehördengesetze der Bundesländer (hier: § 11 HSOG). Danach können die Gefahrenabwehr– und die Polizeibehörden die erforderlichen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Fall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren, soweit im Gesetz keine speziellen Bestimmungen enthalten sind.
- Eine konkrete Gefahr liegt vor, wenn in einem bestimmten Einzelfall in überschaubarer Zukunft mit dem Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden kann.
- Wenn auch für die Annahme einer konkreten Gefahr ein Schadenseintritt nicht mit Gewissheit zu erwarten sein muss, so ist andererseits auch die bloße Möglichkeit eines Schadenseintritts nicht ausreichend. Geht es, wie hier, um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, nämlich Leben und Gesundheit von Menschen, so dürfen die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts nicht überspannt werden.
- Im Hinblick auf die umfangreichen Sicherheitsvorkehrungen, die für die gesamte Dauer der Veranstaltung getroffen wurden bzw. noch getroffen werden, ist jedenfalls eine konkrete Gefahr für die Besucher des Festivals nicht als hinreichend wahrscheinlich anzusehen.
- Davon ausgehend ist vorliegend nicht von einer konkreten, sondern lediglich von einer abstrakten Gefahr auszugehen. Eine solche rechtfertigt die Absage der kompletten Veranstaltung auf der Grundlage von § 11 HSOG jedoch nicht.
- Die Gefahr eines Flächenbrandes entsteht, wenn trockenes Gras, Stroh, Geäst oder Laub durch offenes Feuer, große Hitze oder Funkenflug – insbesondere ausgehend von noch glimmenden Zigaretten – in Brand gerät. Unstreitig ist aufgrund der anhaltenden Trockenheit derzeit die Wald- und Flächenbrandgefahr stark erhöht. Hieraus kann allerdings nicht der Schluss gezogen werden, größere Veranstaltungen auf freien Außenflächen brächten deshalb generell die konkrete Gefahr eines solchen Brandes mit sich. Vielmehr ist zu prüfen, ob durch geeignete Maßnahmen die von technischen Ausrüstungsgegenständen, Auto-Katalysatoren, offenem Feuer, Grillen und Rauchen ausgehenden Gefahren der Brandentstehung so eingedämmt werden können, dass nicht mehr als das allgemein zur Zeit bestehende Brandrisiko übrig bleibt.
- Der Veranstalter hat umfassend vorgesorgt, um die Entstehung und ggf. Ausbreitung eines Flächenbrandes zu verhindern. In der Gesamtschau sind damit vonseiten des Veranstalters alle erdenklichen Maßnahmen getroffen worden, um aus der abstrakten Gefahr der Brandentstehung, auch wenn diese zur Zeit deutlich erhöht ist, keine konkrete werden zu lassen.
Ergebnis
Da die tatbestandlichen Voraussetzungen für das ausgesprochene Veranstaltungsverbot nach der Befugnisklausel der Polizei- und Ordnungsbehördengesetze der Bundesländer (hier: § 11 HSOG) nicht vorliegen, erweist sich dieses als rechtswidrig. An der sofortigen Vollziehung einer rechtswidrigen Verfügung kann ein öffentliches Interesse nicht bestehen.
Das Gericht stellte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wieder her.
Hinweis
Der Beschluss ist abrufbar unter http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/lexsoft/default/hessenrecht_lareda.html#docid:8098810