Dürfen Lebensmittelhändler nicht privilegierte Waren verkaufen?
Dürfen Sonderpostenmärkte öffnen, auch wenn sie andere Waren wie Lebensmittel, Drogerieartikel, Zeitungen, Babyartikel und Tierbedarf verkaufen? Das VG Köln musste sich dieser Frage stellen, weil der Bürgermeister einer Gemeinde hierzu eine Ordnungsverfügung erließ (Beschl. vom 29.12.2020, Az. 7 L 2407/20).
Sonderpostenmarkt mit Lebensmitteln
Ein Gewerbetreibender führt in seiner Verkaufsstelle ein breit gefächertes Sortiment, das je nach Saison u.a. Textilien, Haushaltswaren, Putzmittel, Schreibwaren, Dekorationsartikel und in bestimmten Fällen auch Lebensmittel umfasst. In der Schaufensterdekoration sind auch Kleinmöbel ausgestellt.
Mit einer Ordnungsverfügung untersagte der Bürgermeister einer Gemeinde dem Inhaber der Verkaufsstelle, solche Waren zu verkaufen, die nicht zu den Warengruppen Lebensmittel, Drogerieartikel, Zeitungen, Babyartikel und Tierbedarf zählen, die nach der CoronaSchVO des Landes (hier NRW) verkauft werden dürfen. Alternativ könne das Geschäft offen gehalten werden, wenn der Verkauf anderer Waren eingestellt wird, verfügte der Bürgermeister.
Der Inhaber klagte vor dem VG Köln und begründete dies damit, dem Wesen und der Betriebsidee eines Sonderpostenmarktes entspreche es, dass es ein fest umrissenes Sortiment nicht gibt. Dies sei von den schwankenden Gegebenheiten des Marktes abhängig.
Wo liegt der Schwerpunkt des Warensortiments?
Die Ordnungsverfügung des Bürgermeisters findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2, 28a Nr. 14 und 32 IfSG i.V.m. der CoronaSchV, befand das VG.
Nach dieser bleiben im Interesse der Versorgung der Bevölkerung von den corona-bedingten Einschränkungen des Handels ausgenommen u.a. Einrichtungen des Einzelhandels für Lebensmittel, Direktvermarktungen von Lebensmitteln, Abhol- und Lieferdienste sowie Getränkemärkte. Der Sonderpostenmarkt lässt sich keinem dieser Handelsbereiche eindeutig zuordnen, so das VG weiter. Es handelt sich vielmehr um eine Verkaufsstelle mit gemischtem Sortiment, das auch Waren umfasst, die dem regelmäßigen Sortiment einer der aufgezählten Verkaufsstellen entsprechen. Der Betrieb von Verkaufsstellen mit gemischtem Sortiment ist uneingeschränkt nur zulässig, wenn diese Waren den Schwerpunkt des Sortiments bilden, der aber in diesem Fall nicht erkennbar ist. Lebensmittel bilden ihn jedenfalls nicht.
Abweichendes gilt auch dann nicht, wenn ein Teil der angebotenen Waren Güter des täglichen Bedarfs wären. Es spricht nichts für die Ansicht, der Verordnungsgeber habe bei Verkaufsstellen mit gemischtem Sortiment eine uneingeschränkte Öffnung auch dann vorgesehen, wenn der Schwerpunkt des Sortiments auf Gütern des täglichen Bedarfs liegt.
Hat die Ordnungsverfügung diese Vorgaben berücksichtigt?
Bei sachgerechter Auslegung besteht ein Verbot des Verkaufs derjenigen Waren, die nicht zu den privilegierten Warengruppen Lebensmittel, Drogerieartikel, Zeitungen, Babyartikel und Tierbedarf zählen. Der Bürgermeister durfte den Verkauf des gesamten Warensortiments in der Filiale verbieten sowie alternativ die Ladenöffnung zulassen, wenn der Verkauf solcher Waren eingestellt wird, die nicht zu den Warengruppen Lebensmittel, Drogerieartikel, Zeitungen, Babyartikel und Tierbedarf zählen.
Ergebnis
Die Ordnungsverfügung erging rechtmäßig. Der Inhaber der Verkaufsstelle kann sein Geschäft offen halten, darf aber nur die zugelassenen Warengruppen zum Verkauf anbieten.
Der Beschluss können Sie hier abrufen.
Unsere Meinung
Die Entscheidung des VG, beruhend auf der CoronaSchVO des Landes NRW, ist folgerichtig. Was der Verordnungsgeber aber nicht beachtet hat, ist, dass die Ladeninhaber untereinander mit Argusaugen beobachten, was hier und dort verkauft werden darf und vom Händler nicht. In Hessen bspw. müssen Buchhandlungen schließen und dürfen Bücher und Zeitschriften nur auf Vorbestellung am Eingang verkaufen. Der Tabakwaren- und Zeitschriftenhändler hingegen darf sein volles Sortiment bestehend aus Büchern, Ringen, Handyhüllen, Sisha-Pfeifen, Bürobedarf usw. zum Verkauf anbieten.