Corona-Kontrollen im Außendienst
Alle reden von den Einschränkungen wegen Corona. Die prekäre Situation der Gesundheitsämter, die ohne Amtshilfe der Bundeswehr völlig überfordert wären, ist hinlänglich bekannt. Wie geht es den Ordnungspolizeibeamten vor Ort, die tagtäglich das Einhalten der Corona-Vorschriften überwachen müssen? Ein Erfahrungsbericht.
Überstunden, Überstunden, Überstunden …
Während sich die Beamten, die sich fast unsichtbar in der Öffentlichkeit bewegen, früher um Obdachlose, aggressive Bettler, Wildurinierer oder Fahrzeuge ohne Kennzeichen gekümmert haben, sind heute die Corona-Vorschriften das beherrschende Thema. In einer hessischen Großstadt haben die Ordnungspolizeibeamten seit März mehrere Tausend Überstunden angesammelt. Auch wenn die Familie seit Monaten zu kurz kommt, müssen sich die Beamten nach einer kurzen morgendlichen Lagebesprechung auf die Socken machen, um Präsenz zu zeigen. Denn wenn die Katze aus dem Haus ist, tanzen die Mäuse auf den Tischen. Heute sind Nachkontrollen angesagt sowie Beschwerden von Bürgern, die darauf aufmerksam machen, dass man sich hier und dort nicht coronagerecht verhält.
Angewiesen auf Hinweise aus der Bevölkerung
Wir können nicht überall sein, sagen die Beamten. Deshalb sind für uns die Hinweise aus der Bevölkerung sehr wertvoll. Täglich gehen bis zu 50 Hinweise ein. Vom Supermarkt ohne Desinfektionsmittel bis zur Missachtung von Kontaktbeschränkungen der Nachbarn ist alles dabei. Also gibt es viel zu tun. Packen wir es an …
Hinweis: Praktische Fallbeispiele sowie Musterschreiben finden Sie in der Ordnungsamtspraxis und in der Gewerbeamtspraxis.
Wie laufen Kontrollen ab?
Die Kontrolle eines Dönerladens, mit der wir den Tag beginnen, wurde durch einen solchen Hinweis ausgelöst. Statt des Außerhausverkaufs befanden sich Gäste in der Gaststätte. Der Betreiber wurde auf die Rechtslage hingewiesen und aufgefordert, Speisen und Getränke nur außer Haus abzugeben. Das Ankündigen von Nachkontrollen ist obligatorisch, damit niemand denkt, das war es, und macht so weiter.
Das Ergebnis ihrer Prüfung vor Ort mündet in einen Bericht, der dem Sachbearbeiter im Büro vorgelegt wird. Er entscheidet, ob ein Bußgeldverfahren eingeleitet wird. Damit der Verdacht von Willkür erst gar nicht aufkommt, hat die Amtsleitung einen Prüfkatalog mit Handlungsanweisungen erstellt. Sind z.B. Desinfektionsmittel im Supermarkt vorhanden, tragen alle Kunden eine Maske? Somit soll sichergestellt werden, dass alle gleichbehandelt werden. Die meisten Ertappten, so die beiden Ordnungspolizeibeamten, die immer im Team unterwegs sind, zeigen Einsicht und ändern ihr Verhalten.
Während der Phase zwischen dem ersten Lockdown im Frühjahr und dem Beginn des Teillockdowns ab November hat man versucht, alle Gaststätten zu kontrollieren, insbesondere die Kontaktdatenerfassung. Bei 10.000 Gaststätten und 30 Kontrolleuren kein leichtes Unterfangen.
Viel Überzeugungsarbeit zu leisten …
Ein Ordnungspolizeibeamter muss sich nicht nur in den Vorschriften gut auskennen, sondern auch kommunikativ auf der Höhe sein und die Gespräche so lenken, dass sich die Situation nicht aufheizt.
So geschehen in einem Friseursalon: Hier hatten Kunden keine Maske auf. „Was ist das für ein Quatsch?“, werden die Beamten angefahren. Das bringe doch nichts, dieser simple Papierfetzen. Sofort entwickelt sich eine hitzige Diskussion. „Die Politiker haben für ihre Frauen Firmen gegründet, die Milliarden von Masken an den Staat verkauft haben. So läuft der Hase.“ „Lass es sein“, greift ein Kunde beschwichtigend ein. „Die können doch nichts dazu und müssen nur ihre Arbeit machen.“ Die Situation ist gerettet. Widerstrebend ziehen die Kunden die Masken auf und werden mündlich belehrt.
„Sollen wir unter viel Mühe die Personalien feststellen?“, fragen mich die Ordnungspolizeibeamten. „Dann kann die Situation kippen. Deeskalation und Eigensicherung sind ganz wichtig.“ Und: „Wir haben noch genug zu tun.“ Beleidigungen und auch Handgreiflichkeiten kommen hin und wieder vor. Deshalb sind die Ordnungspolizeibeamten immer mit einer schuss- und stichsicheren Weste unterwegs.
… und trotzdem freundlich und bestimmt bleiben
Wieder auf der Haupteinkaufsstraße angekommen, tun die beiden ganz unbeteiligt, haben aber dennoch die Augen überall. „Wir müssen nicht eingreifen, wenn mal die Maske schief sitzt. Wer sie nicht aufhat, wird aber angesprochen.“ Ein Radfahrer, der in der Fußgängerzone angeflitzt kommt, wird gestoppt und darauf hingewiesen, dass er hier tagsüber nicht radeln darf. „Haben Sie Ihr Rad getunt, Sie waren so schnell unterwegs?“, wird er gefragt. „Nein, natürlich nicht.“ Zum Schluss wird er noch darauf hingewiesen, dass er nicht parallel zu den Straßenbahnschienen fahren soll, denn das kann böse enden. „Warum haben Sie ihn nicht auf die fehlende Maske hingewiesen?“, will ich wissen. „Radfahrer brauchen keine Maske.“
… auch gegenüber den absolut Uneinsichtigen
Über Funk kommt die Mitteilung: In einem Schuhgeschäft hat ein Kunde eine offensichtlich gefälschte ärztliche Bescheinigung vorgelegt, die ihn vom Tragen einer Maske befreit. Dort angekommen, beteuert er Ertappte, die Bescheinigung sei echt.
Dem Ladeninhaber platzt der Kragen. „Die Gefahr ist real, die lässt sich nicht wegdiskutieren. Wir können nur gemeinsam das Virus besiegen. Dazu müssen sich alle an die Regeln halten.“ Die schlechte Kopie der ärztlichen Bescheinigung wird eingezogen, die Personalien festgestellt. Nachdem der Bericht geschrieben ist, wird der Kollege im Rathaus den Fall weiterbearbeiten. Man sei sich aber einig, bei gefälschten ärztlichen Bescheinigungen gibt es kein Pardon.
Währenddessen ist der Ladeninhaber an die Eingangstür geeilt und verfasst einen Hinweis, dass in diesem Geschäft keine ärztlichen Bescheinigungen über die Befreiung von der Maskenpflicht akzeptiert werden. Das darf er, denn er hat das Hausrecht.
Was bleibt von einem Tag mit den Ordnungspolizeibeamten im Außendienst?
Der Kampf gegen Corona, sagen sie, hat ihr Amt aufgewertet. Früher belächelt, wird ihr Tun heute mehr anerkannt. Natürlich nicht von allen, aber immer mehr Menschen. „Wir müssen Präsenz zeigen“, ist das Credo. „Wir kommen fast alle aus wesensfremden Berufen, haben etwas ganz anderes gelernt. Im Crashkurs wurden wir ausgebildet. Was wir machen, tun wir gern.“ Das war deutlich zu sehen.
Der Kampf gegen Corona ist schwer zu gewinnen. Er wird nicht durch Beschlüsse oder am Schreibtisch entschieden, sondern durch die Menschen, die Beschlüssen und Verfügungen zur Durchsetzung verhelfen, indem sie beherzt eingreifen, nicht wegsehen und Überzeugungsarbeit leisten.