Neues zu Corona: Entscheidungen, die herausragen
Welche Entscheidungen haben die Gerichte zu den Corona-Verordnungen getroffen? Wir geben einen kurzen Überblick.
Noch nie dagewesene Klagewelle
Laut Deutschem Richterbund gingen im letzten Jahr mehr als 10.000 Eilverfahren und Klagen bei den Verwaltungsgerichten der Länder ein. Nur wenige Verfahren wurden abgeschlossen, denn entweder erging nur eine Eilentscheidung oder in den abgeurteilten Verfahren ist noch der Gang zum BVerwG möglich.
Was kann als Zwischenstand festgehalten werden?
In den meisten Fällen wurden die Infektionsschutzmaßnahmen der Landesregierungen, aber auch der Kommunen in Form von Allgemeinverfügungen bestätigt. Teilweise wurden aber auch die Verordnungen bzw. Allgemeinverfügungen außer Vollzug gesetzt, weil die Freiheitsbeschränkungen unangemessen waren oder die Texte zu unbestimmt formuliert wurden.
Bei allem Unglück, das die Pandemie in vielfältiger Weise über unser Land bringt, können wir uns dennoch glücklich schätzen, nicht in einem Staat zu leben, dessen Judikative nur pro forma besteht, um die Machtverhältnisse zu zementieren. Auch wenn sich in Einzelfällen die Gerichte widersprechen, ist ein roter Faden zu erkennen, der die Freiheitsrechte schützt und der staatlichen Macht Grenzen setzt.
Welche aktuellen Entscheidungen ragen aus der Masse heraus?
Wir stellen Ihnen einige Entscheidungen vor:
- Grillgeschäft darf ohne zusätzliche Beschränkungen öffnen
- Schwimmbäder dürfen stundenweise vermietet werden
- Outdoor-Fitnessstudios fallen unter die Betriebsschließungen
- Ungleiche Zugangsbeschränkungen in Verkaufsstellen in NRW aufgehoben
- Kontaktbeschränkungen mit fixer Obergrenze von 5 Personen außer Vollzug
- Keine Schließung von Zoos und Tierparks bei Hochinzidenz
- Zweiminütiges Treffen von 4 Personen aus mehr als 2 Haushalten keine verbotene Ansammlung
Grillgeschäft darf ohne zusätzliche Beschränkungen öffnen
Ein Ladeninhaber, der Grills und Grillprodukte verkauft, darf seinen Laden vorläufig ohne die zusätzlichen Beschränkungen der Corona-Verordnung betreiben. Das VG Frankfurt (Beschl. vom 16.03.2021, Az. 5 L 623/21.F) sah eine nicht gerechtfertigte Wettbewerbsverzerrung gegenüber Garten-, Bau- und Heimwerkermärkten, zu denen Kunden ohne das „Click and meet“-Verfahren und ohne die strengere Quadratmeterregelung Zugang hätten.
Schwimmbäder dürfen stundenweise vermietet werden
Das stundenweise Untervermieten eines Schwimmbads an Einzelpersonen oder Angehörige eines Hausstands fällt nicht unter die Betriebsbeschränkungen der Corona-Verordnung. Das Bad stellt bei dieser Art der Benutzung keine Einrichtung mit Publikumsverkehr dar (VG Wiesbaden, Beschl. vom 02.03.2021, Az. 7 L 185/21).
Outdoor-Fitnessstudios fallen unter die Betriebsschließungen
Nachdem mehrere Gerichte die Betriebsschließungen von Fitnessstudios bestätigt hatten (insbesondere OVG Lüneburg, Beschl. vom 22.02.2021, Az. 13 MN 58/21; VGH Mannheim, Beschl. vom 19.02.2021, u.a. Az. 1 S 460/21 und 1 S 502/21), wurden einige Betreiber kreativ und verlegten die Fitnessübungen „outdoor“ in Zelte oder unter Baldachine.
Das VG Schwerin (Beschl. vom 05.03.2021, Az. 7 B 365/21 SN) entschied hierzu: Bietet ein Betreiber eines Fitnessstudios seinen Mitgliedern auf dem Parkplatz den Zutritt zu einem Outdoor-Trainingsgelände an, auf dem die Mitglieder an Geräten trainieren können, fällt dies unter „Fitnessstudio und ähnliche Einrichtungen“.
Ebenso das VG Bremen (Beschl. vom 09.03.2021, Az. 5 V 400/21): Die Outdoor-Trainingsanlage, die das Trainieren für die Mitglieder eines Fitnessstudios in einem 200 m² großen Zelt an Geräten ermöglicht, ist zu schließen.
Wird ein solcher Trainingsbetrieb ermöglicht, kann er auf der Grundlage des Polizei- bzw. Ordnungsbehördengesetzes des Bundeslandes untersagt werden (vgl. hierzu VG Saarlouis, Beschl. vom 16.02.2021, Az. 6 L 102/21).
Ungleiche Zugangsbeschränkungen in Verkaufsstellen in NRW aufgehoben
Auf Antrag eines großen bundesweit tätigen Elektronikmarkts („Geiz ist geil“) setzte das OVG Münster (Beschl. vom 19.03.2021, Az. 13 B 252/21.NE) die unterschiedliche Behandlung von einerseits Buchhandlungen, Schreibwarenläden sowie Gartenmärkten, die mit ihrem gesamten Sortiment unter vereinfachten Bedingungen (ohne Beschränkung der Verkaufsfläche und ohne Terminvereinbarung) geöffnet sein durften, und den Einzelhändlern, die keine Waren des Grundbedarfs führen, außer Vollzug. Es erschließe sich nicht und werde durch den Verordnungsgeber auch nicht begründet, warum dessen Annahme, diese Betriebe deckten ebenfalls eine Art Grundbedarf, für sich genommen andere Öffnungsmodalitäten rechtfertigen sollten als beim übrigen Einzelhandel, argumentierte das OVG.
Das Land entschied prompt: Für Schreibwarengeschäfte, Buchhandlungen und Gartenmärkte gilt ab sofort wie zuvor bereits für den übrigen Einzelhandel die Pflicht zum Vereinbaren von Terminen und die Einschränkung, dass sich nur ein Kunde je 40 Quadratmeter Verkaufsfläche im Geschäft aufhalten darf.
Es ist davon auszugehen, dass die Elektronikkette entsprechende Regelungen in den Corona-Verordnungen anderer Bundesländer ebenfalls kippen will, aber versuchen wird, die vorgenannten Beschränkungen für alle Geschäfte aufzuheben.
Kontaktbeschränkungen mit fixer Obergrenze von 5 Personen außer Vollzug
Die Kontaktbeschränkungen von § 2 Abs. 1 Satz 1 Corona-VO Niedersachsen wurden vom OVG Lüneburg (Beschl. vom 19.03.2021, Az. 13 MN 132/21) teilweise außer Vollzug gesetzt. Die dort bestimmte Obergrenze von fünf Personen für Zusammenkünfte schließe es vollständig aus, in größeren Haushalten weitere Personen zu treffen. Die Vorschrift ist insoweit außer Vollzug gesetzt, soweit danach Zusammenkünfte nur mit höchstens fünf Personen zulässig sind.
Keine Schließung von Zoos und Tierparks bei Hochinzidenz
Das OVG Lüneburg (Beschl. vom 19.03.2021, Az. 13 MN 118/21) hat die fortwährende Schließung von Zoos und Tierparks in Kreisen mit einer Inzidenz von über 100 vorläufig außer Vollzug gesetzt. Dies sei als Infektionsschutzmaßnahme nicht mehr erforderlich und auch nicht mehr angemessen. Das Infektionsrisiko bei Aufenthalten im Freien sei von vornherein vergleichsweise gering und könne durch mildere Maßnahmen als eine Schließung hinreichend effektiv reduziert werden.
Zweiminütiges Treffen von 4 Personen aus mehr als 2 Haushalten keine verbotene Ansammlung
Ein kurzes Zusammentreffen von Personen aus mehr als zwei Haushalten, bei dem ausreichend Abstand gewahrt wird, ist keine verbotene „Ansammlung“ im Sinne der Corona-Verordnung. Das Verbot jeglicher Personenansammlung ohne Differenzierung würde zu einem „unverhältnismäßigen Eingriff“ in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit führen (OVG Koblenz, Beschl. vom 08.03.2021, Az. 3 OWi 6 SsRs 395/20).
Hintergrund: Ein Mann war in Begleitung eines Freunds zufällig auf einen Bekannten getroffen, der seinerseits in Begleitung eines Freunds unterwegs war. Die vier Personen standen ein bis zwei Minuten in einem Halbkreis zusammen und unterhielten sich im Abstand von 1,5 bis zwei Metern. Zufällig vorbeikommende Polizisten notierten die Personalien und es wurden Bußgelder verhängt.