12.12.2022

Carsharing ohne Stationsbindung keine Sondernutzung

Das Land Berlin stufte das stationsungebundene Carsharing als Sondernutzung ein. Nachdem das VG dieses Geschäftsmodell als erlaubnisfrei eingestuft hat, rief das Land das OVG Berlin-Brandenburg an (Beschl. vom 26.10.2022, Az. 1 S 56/22).

Carsharing ohne Stationsbindung

Carsharing gesetzlich als Sondernutzung

Eine Firma bietet in Berlin stationsungebundenes Carsharing an. Den Kunden werden PKWs ohne feste Abhol- oder Rückgabestationen zur Verfügung gestellt. Sie können die auf öffentlichen Straßen abgestellten PKW über eine App mieten, mit deren Hilfe die Fahrzeuge gefunden, geöffnet und nach Nutzungsende wieder verschlossen werden.

Das Land Berlin stuft dies als straßenrechtlich erlaubnispflichtige Sondernutzung ein. Das Straßengesetz sieht ein Auswahlverfahren unter mehreren Anbietern (Kontingentierung) vor. Anbieter ohne erforderliche Erlaubnis handeln ordnungswidrig.

Anbieter des stationsungebundenen Carsharings riefen das VG Berlin an, das ihrer Klage stattgab. Das Land wiederum legte Beschwerde vor dem OVG Berlin-Brandenburg ein.

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Bereithalten von betriebsbereiten PKW ist keine Sondernutzung

§ 12 Abs. 2 StVO

Das Parken von Kraftfahrzeugen als verkehrsüblicher und gemeinverträglicher Vorgang des ruhenden Verkehrs (§ 12 Abs. 2 StVO), ist hinsichtlich seiner Zulässigkeit ausschließlich nach den straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften zu beurteilen.

Um zu beurteilen, ob sich ein Fahrzeug vorrangig zu Verkehrszwecken oder verkehrsfremd im öffentlichen Straßenraum befindet, ist eine auf die objektiven Gegebenheiten abstellende Gesamtschau aus der Perspektive eines objektiven Betrachters vorzunehmen; auf subjektive Motive des Straßennutzers, die in den konkreten Umständen der Straßenbenutzung nicht hervortreten, kommt es nicht an.

Möglichst häufig vom ruhenden in den fließenden Verkehr

Beim stationsungebundenen Carsharing werden die zum Verkehr zugelassenen und betriebsbereiten Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen zu dem einzigen Zweck ab- bzw. bereitgestellt, sie möglichst bald und möglichst häufig durch ihre Kunden vom ruhenden in den fließenden Verkehr überführen zu lassen.

Vertragsabschlüsse

Die Betreiber treten über die bloße Bereitstellung der Fahrzeuge hinaus nicht im öffentlichen Raum in Erscheinung. Es steht außer Frage, dass sie den öffentlichen Straßenraum nicht dazu nutzen, dort Mietvertragsabschlüsse vorzunehmen oder für solche Vertragsabschlüsse zu werben.

Vertragsabschlüsse werden in der überwiegenden Zahl der Fälle bereits vor dem Aufsuchen des Fahrzeugs durch den Kunden elektronisch vorgenommen. Auch in den wenigen Fällen, in denen der Kunde erst in der Nähe des Fahrzeugs die für den Vertragsschluss notwendigen elektronischen Eingaben vornimmt, dient dies nicht zu verkehrsfremden Zwecken, sondern allein dazu, das Fahrzeug in Betrieb nehmen zu können.

Carsharing ohne Stationsbindung und Gemeingebrauch

Die Mietbedingungen in der Form, dass die Fahrzeuge nicht in den Außenbezirken der Stadt abgestellt werden dürfen, erlaubt nicht den Schluss, das Abstellen der Fahrzeuge im zentralen Innenstadtbereich sei kein straßenverkehrsrechtlich zulässiges Parken und damit keine Ausübung des Gemeingebrauchs.

Sollten daraus Verkehrsprobleme entstehen, ist diesen mit den Mitteln des Straßenverkehrsrechts zu begegnen.

Das Geschäftsmodell des stationsungebundenen Carsharings steht der Annahme des Gemeingebrauchs der Straße nicht entgegen.

Ergebnis

Für das stationsungebundene Carsharing ist keine Sondernutzungserlaubnis nach den Landesstraßengesetzen (hier: §§ 11 und 11a BerlStrG) erforderlich, da es sich hierbei um die Ausübung von Gemeingebrauch der dem Kraftfahrzeugverkehr gewidmeten Straßen handelt.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)