19.08.2015

Bußgelder durch „private“ Hilfspolizisten wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen unzulässig

Vier Gemeinden in Nordhessen erhoben nach Verstößen gegen Geschwindigkeitsbegrenzungen Bußgelder. Diese wurden im Einspruchsverfahren vom Amtsgericht Kassel aufgehoben, da sie zu Unrecht erhoben wurden.

Hilfspolizisten

Grund: Gemeinde ernennt Hilfspolizisten

Die Geschwindigkeitskontrollen wurden nicht durch eigene Bedienstete durchgeführt, sondern von Personen, die bei einem privaten Dienst beschäftigt waren und von den Gemeinden zu Hilfspolizisten ernannt wurden. Wollte man dadurch Personalkosten sparen und die erhobenen Bußgelder trotzdem einnehmen?

Geschwindigkeitskontrollen stellen eine hoheitliche Maßnahme dar, die nur von zugelassenen Bediensteten der Ordnungsbehörde oder der Polizei ergriffen werden dürfen. Die bloße Ernennung zu Hilfspolizisten ohne Beschäftigungsstatus bei der Ordnungsbehörde stellt eine glatte Umgehung dar, da die Ordnungsbehörden nicht die Kontrollherrschaft über die Geschwindigkeitsmessung hatten.

Unsere Meinung

Das Amtsgericht hat vollkommen zu Recht gehandelt. Die laufende Rechtsprechung besagt zwar, dass man private Dienste zu Geschwindigkeitskontrollen, also zur technischen Ausführung, beauftragen kann, jedoch muss stets ein behördlicher Bediensteter wegen des hoheitlichen Charakters der Maßnahmen mit vor Ort sein, um behördlich eingreifen zu können und damit die Behörde „Herrin des Verfahrens“ ist. Eine wie hier gegebene formelle Umgehung der rechtlichen Vorgaben führt zur Ungültigkeit von Bußgeldbescheiden, da in der Regel dann ein Beweisverwertungsverbot besteht. Bereits das Bayerische Oberste Landesgericht (Beschlüsse vom 05.03.1997, Az. 1 ObOWi 785/96, und 17.02.1999, Az. 3 ObOWi 751/98) und das Amtsgericht Gelnhausen (Urteil vom 26.03.2014, Az. 44 OWi – 2255 Js 3061/14) haben u.a. festgestellt, dass es unzulässig ist, dass der zuständigen Behörde zur Durchführung der Messung aufgrund eines befristeten Arbeitnehmerüberlassungsvertrags Personal von einer Privatfirma zur Verfügung gestellt wird.

Wir haben in unseren Newsletten regelmäßig auf die entsprechende Rechtsprechung zu diesem Thema hingewiesen.

Und weiter?

Der Bürgermeister einer betroffenen Gemeinde ärgert sich und wünscht sich eine höchstrichterliche Klärung (die vermutlich nicht ergehen wird) und eine eindeutige Regelung durch das Land. Letzteres will nun prüfen ob und in welcher Weise der jetzige Erlass zur Thematik geändert werden muss.

Auch auf dem Erlasswege muss das Land jedoch beachten, dass es sich bei der Geschwindigkeitsüberwachung um eine hoheitliche Aufgabe handelt, die nur durch Gesetz auf Private übertragen werden kann. Im Übrigen sind die Gerichte an Verwaltungsvorschriften und Erlasse nicht gebunden. Also – Vorsicht, Regierung von Hessen!

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Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)