21.03.2023

Abgrenzung Bordell und Wohnungsprostitution

Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg (OVG Magdeburg, Beschluss vom 11.01.2023, Az. 2 L 104/21.Z) musste in einem Fall der Frage nachgehen, wie ein Bordell und die Wohnungsprostitution praktisch abzugrenzen sind.

Abgrenzung Bordell Wohnungsprostitution

Antrag auf Nutzungsänderung in eine Prostitutionsstätte

Die Mieterin mehrerer Wohnungen in einem Wohnhaus beantragte das Erteilen einer Baugenehmigung zur Nutzungsänderung für drei von ihr angemietete Zweizimmerwohnungen in eine Prostitutionsstätte. Sie gab u.a. an, in dem Betrieb seien bis zu maximal drei Prostituierte in drei Wohnungen tätig. Die durchschnittliche Anwesenheitsdauer werde von den Prostituierten selbst bestimmt. Sie seien in der Regel während der Öffnungszeiten (ca. Montag bis Sonntag von 10.00 bis 22.00 Uhr) anwesend. Ein Zimmer werde als Aufenthaltsraum (Privatraum) und ein Zimmer als Arbeitsraum genutzt.

Die Stadt lehnte den Antrag ab und gab zur Begründung an, der Flächennutzungsplan weise den Standort als Wohngebiet aus. In einem allgemeinen Wohngebiet sei die beantragte Nutzungsänderung bauplanungsrechtlich nicht – auch nicht ausnahmsweise nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO – zulässig.

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Verwaltungsgericht weist Klage ab

Das Verwaltungsgericht entschied: Nach dem Ergebnis der Inaugenscheinnahme entspricht die nähere Umgebung des Vorhabengrundstücks einem (faktischen) allgemeinen Wohngebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO. Hier ist ein Bordell oder ein bordellartiger Betrieb planungsrechtlich unzulässig.

Die Mieterin rief daraufhin das OVG Magdeburg an und beanstandete, das Verwaltungsgericht bewerte die Nutzung des Gebäudes völlig falsch. Es handele sich um Wohnungsprostitution und nicht um ein Bordell oder einen bordellartigen Betrieb.

Wie weit geht eine Inaugenscheinnahme?

Das Oberverwaltungsgericht stützte die Auffassung des Verwaltungsgerichts: Der die nähere Umgebung i.S.v. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bildende Bereich reicht so weit, wie sich die Ausführung des zur Genehmigung gestellten Vorhabens auswirken kann und wie die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst, wobei auf das abzustellen ist, was in der Umgebung tatsächlich vorhanden ist. Das Verwaltungsgericht hat sich maßgeblich und zutreffend an der Bebauung der benachbarten Grundstücke orientiert und angrenzende Verkehrsflächen nicht berücksichtigt, weil diese grundsätzlich nicht für eine Bebauung zur Verfügung stehen.

Handelt es sich um Wohnungsprostitution?

Wohnungsprostitution in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet ist nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO nicht in jedem Fall bauplanungsrechtlich unzulässig.

Die mit der beantragten Nutzung einhergehende Ausübung der Prostitution wird nicht von der Bandbreite des Wohnens gedeckt, sondern stellt – jedenfalls dann, wenn es sich wie hier nicht nur um eine gelegentliche, sondern um eine dauerhafte und regelmäßige, auf Erwerb gerichtete Tätigkeit handelt und die Wohnung gerade auch zum Zwecke der Prostitution vermietet und angemietet werden soll – eine gewerbliche Nutzung dar.

Das Oberverwaltungsgericht befasste sich dann mit der Rechtsprechung des BVerwG (BVerwG, Urteil vom 09.11.2021, Az. 4 C 5.20) zur Zulässigkeit „prostitutiver Betriebe“ in einem Mischgebiet. Wohnungsprostitution ist dadurch gekennzeichnet, dass die Prostituierte in der Wohnung der Prostitution nachgeht, in der sie dauerhaft wohnt. Diese gewerbliche Nutzung der Räumlichkeiten ist in der Regel von außen nicht wahrnehmbar und hat in einem Mischgebiet keine erheblichen negativen Auswirkungen auf die benachbarte Wohnnutzung.

Wohnung als „sonstige Prostitutionseinrichtung“

Bei sonstigen Prostitutionseinrichtungen, denen der prägende Bezug zum Wohnen der Prostituierten fehlt und die Bordelle sowie bordellartige Betriebe in unterschiedlicher Gestalt umfassen, handelt es sich um Betriebe, die das Wohnen wesentlich stören. Wohnungsbordelle und Terminwohnungen sind kleinere Einrichtungen der Prostitution, in denen ein bis maximal vier Prostituierte, ohne dort zu wohnen, tätig sind und allenfalls dort einige Nächte verbringen.

Von einem solchen Betrieb gehen Nachteile und Belästigungen aus, insbesondere der Lärm des Zu- und Abgangsverkehrs und sonstige „milieubedingte“ Unruhe.

Ergebnis

Es fehlt das für die Wohnungsprostitution kennzeichnende Element, dass die Prostituierten in den drei Wohnungen dauerhaft wohnen. Daher ist von einem bordellartigen Betrieb auszugehen. Das Oberverwaltungsgericht lehnte daher die Klage der Mieterin ab.

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Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)