Bestattungskosten bei Ersatzvornahme der Bestattung
Bei außergewöhnlichen Umständen kann eine Pflicht zur Erstattung von Bestattungskosten durch Angehörige entfallen (VG Ansbach, Urteil vom 24.08.2016, Az. AN 4 K 16.01040).
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu den Kosten für die Bestattung seiner verstorbenen Mutter.
Der Kläger wurde über den Tod seiner Mutter unterrichtet und darauf hingewiesen, dass er für die Beerdigung Sorge zu tragen habe, ansonsten im Rahmen der Ersatzvornahme gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG eine anonyme Bestattung in einfachster Form in Auftrag gegeben und dem Kläger die hierfür anfallenden Kosten in Rechnung gestellt würden.
Der Kläger stimmte daraufhin telefonisch und schriftlich der von der Beklagten vorgeschlagenen anonymen Bestattung zu, lehnte jedoch die Entrichtung der Bestattungskosten ab. Der Kläger begründete dies mit außergewöhnlichen Gründen. So sei seine Mutter dauernd alkoholisiert gewesen sein und habe ihn öfters geschlagen. Dies setzte sich fort, als die Mutter einen Lebensgefährten hatte. Von ihm wurde er zusätzlich, teilweise sogar im Beisein der Mutter und später sogar unter Beteiligung dieser, sexuell missbraucht worden. Die Mutter wurde später unter Betreuung gestellt. Er, der Kläger leide seither unter diesen seelischen, körperlichen und sexuellen Übergriffen. Eine eventuelle Auferlegung der Bestattungskosten empfinde er als Bestrafung und nicht als Pflicht.
Daraufhin wurde von der beklagten Behörde eine Erdbestattung der verstorbenen Frau in einem anonymen Einfachgrab in Auftrag gegeben und die entstandenen Bestattungskosten dem Kläger auferlegt.
Die Begleichung der Bestattungskosten lehnte der Kläger wegen außergewöhnlicher Umstände unter Verweis auf seinen Vortrag(mit ärztlichen Nachweisen) ab und erhob hiergegen Klage.
Das Verwaltungsgericht hob den Bescheid der Ordnungsbehörde auf.
Entscheidungsgründe
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- Die zulässige Klage ist in der Sache begründet. Der Bescheid der Beklagten ist rechtswidrig, da die Beklagte das ihr zustehende Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt hat.
- Nach dem Bestattungsgesetz kann die Gemeinde von einem Pflichtigen Ersatz der notwendigen Kosten verlangen, wenn sie für die Bestattung des Verstorbenen Sorge tragen musste, weil der Bestattungspflichtige seiner Bestattungspflicht nicht nachgekommen ist und Anordnungen nach dem Gesetz nicht möglich, nicht zulässig oder nicht erfolgsversprechend gewesen sind.
- Im vorliegenden Fall sind zwar die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt. Der Kläger gehört zum einen als Sohn der Verstorbenen zu dem Kreis der bestattungspflichtigen Angehörigen. Zum anderen musste die Bestattung der Verstorbenen von der Beklagten von Amts wegen durchgeführt werden, da eine Bereitschaft des Klägers, selbst für die Bestattung seiner Mutter Sorge zu tragen, nicht erkennbar war.
- Jedoch hat die Beklagte das ihr zustehende Ermessen – auch unter Berücksichtigung einer auf den Maßstab des § VWGO § 114 VwGO beschränkten gerichtlichen Überprüfung – nicht ordnungsgemäß ausgeübt.
- Steht die Bestattungspflicht eines Angehörigen – wie vorliegend – fest, wird die Behörde durch Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG ermächtigt („kann“), die erstattungsfähigen Kosten für die von ihr veranlasste Bestattung durch Leistungsbescheid gegenüber dem Bestattungspflichtigen geltend zu machen. Es handelt sich insoweit um einen Fall des sog. intendierten Ermessens, das heißt in der Regel ist nur die Entscheidung für die Inanspruchnahme des Pflichtigen ermessensfehlerfrei. Anders als im Zivilrecht besteht die öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht und infolgedessen auch die Verpflichtung, die Kosten der Ersatzvornahme zu tragen, unabhängig davon, ob die Familienverhältnisse zu dem Verstorbenen intakt gewesen waren.
- Da die Bestattungspflicht vorrangig der Gefahrenabwehr und der Einhaltung der Bestattungsfristen dient, knüpft das Gesetz die Bestattungspflicht vielmehr formal an die Verwandtschaft zum Verstorbenen. Ermessenserwägungen sind lediglich im Fall außergewöhnlicher Umstände, die ein Absehen von der Rückforderung rechtfertigen können, angezeigt.
- Gemessen an diesen Vorgaben hält die Entscheidung der Beklagten unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des konkreten Einzelfalls einer am Maßstab des § VWGO § 114 Satz 1 VwGO zu treffenden rechtlichen Überprüfung nicht stand.
- Die Behörde hat den ihr bei Erlass des Kostenerstattungsbescheids zustehenden Ermessensspielraum zwar grundsätzlich erkannt hat, jedoch eine in Wahrheit nicht bestehende Beschränkung desselben angenommen.
- Die Beklagte ist offensichtlich davon ausgegangen, dass außergewöhnliche Umstände, die ein Eingehen auf die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls in Abweichung von der gesetzlichen Grundentscheidung erforderlich machen, nur bei schweren Straftaten des Verstorbenen zulasten des an sich Bestattungspflichtigen, die zu einer Verurteilung des Verstorbenen geführt haben, überhaupt in Betracht kommen. Dies ist eine Fehleinschätzung.
- Ein Eingehen auf die besonderen Umstände des Einzelfalls und eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Klägers ist auch nicht in den Ausführungen im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens zu erkennen.
- Die Auffassung, wonach außergewöhnliche Umstände nur bei schweren Straftaten des Verstorbenen zulasten des an sich Bestattungspflichtigen, die zu einer Verurteilung des Verstorbenen geführt haben, in Betracht kämen, findet jedoch weder im Wortlaut des Gesetzes eine Stütze noch ist sie nach Auffassung des Gerichts aus teleologischen Gründen zwingend geboten. Vielmehr sind, ohne dabei jedoch die Ausgestaltung der Norm als einen Fall des sog. intendierten Ermessens im Grundsatz in Frage zu stellen, durchaus weitere Fallkonstellationen denkbar, in denen dem Interesse des an sich Bestattungspflichtigen gegenüber dem Interesse der Allgemeinheit Vorrang einzuräumen ist und in denen daher die Auferlegung der Bestattungskosten eine unbillige Härte begründen würde
- Das Gericht ist daher der Auffassung, dass auch im Falle einer fehlenden strafrechtlichen Verfolgung bzw. Verurteilung außergewöhnliche Umstände anzunehmen sein können, wenn der an sich Bestattungspflichtige die Straftat des Verstorbenen auf andere Weise zur Überzeugung der Behörde bzw. des Gerichts nachweisen kann
- Da sich die Beklagte vor dem Hintergrund dessen, dass eine Verurteilung der Verstorbenen nicht erfolgt ist, zu Unrecht nicht in der Lage gesehen hat, eine andere Entscheidung als die Inanspruchnahme des Klägers zu treffen, erfolgte die Ausübung des Ermessens fehlerhaft.
Ergebnis
Dieser Ermessensfehler führt zur Aufhebung des Bescheids.