23.11.2020

Pop-up-Radwege: neues Urteil des OVG Berlin

Das OVG Berlin-Brandenburg gab grünes Licht zum Einrichten der neuartigen Radwege in Berlin (Beschl. vom 06.10.2020, Az. OVG 1 S 116/20).

Pop-Up-Radwege

Was sind „Pop-up-Radwege”?

„Pop-up-Radwege“ sind kurzfristig eingerichtete Radwege, die in einer akuten Gefahren- oder Krisensituation oder bei plötzlich veränderten Rahmenbedingungen im Straßenverkehr schnell für mehr Platz und Sicherheit für den Radverkehr sorgen sollen.

Ihren Ursprung haben sie in New York City. Dort werden sie als „Pop-Up Bike Lane“ bezeichnet. In Deutschland wurden sie in mehreren Städten, u.a. auch in Berlin, während der COVID-19-Pandemie angeordnet. Sie sollen Radfahrern dabei helfen, sich räumlich zu distanzieren, und damit Ziele des Infektionsschutzes erfüllen. Angestrebt ist auch eine Entlastung des öffentlichen Nahverkehrs.

Eingerichtet werden sie meist durch Markierungen mit gelben Linien und Baustellenbaken. Insofern stellt ihre Einrichtung eine Umwidmung des Fahrstreifens oder eines bisherigen Parkstreifens zum Radfahrstreifen dar.

Klage in der ersten Instanz erfolgreich

Das VG Berlin hatte einem Antrag eines Verkehrsteilnehmers auf Beseitigung der „Pop-up-Radwege“ stattgegeben, weil die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz die Voraussetzungen für die Einrichtung nicht hinreichend dargelegt hatte. Denn Radwege dürften nur dort angeordnet werden, wo Verkehrssicherheit, Verkehrsbelastung und/oder der Verkehrsablauf ganz konkret auf eine Gefahrenlage hinweisen und die Anordnung damit zwingend erforderlich ist.

Hier finden Sie eine kurze Meldung zum Urteil des VG Berlins.

OVG Berlin-Brandenburg kommt zu einem anderen Ergebnis

Die Senatsverwaltung hatte im Beschwerdeverfahren erstmals die für die erforderliche Gefahrenprognose zugrunde liegenden Tatsachen in Form von Verkehrszählungen, Unfallstatistiken und Ähnlichem nachgewiesen. Das OVG kam nun aber zu einem anderen Ergebnis als die Vorinstanz.

Vorrang für die öffentlichen Belange

Die Trennung des Radverkehrs vom Kraftfahrzeugverkehr steht angesichts der dargelegten konkreten Gefahrenlagen im öffentlichen Sicherheitsinteresse der Verkehrsteilnehmer. Die Einschränkungen des klagenden Verkehrsteilnehmers, so das OVG, seien nur minimal und damit zumutbar. Verkehrsteilnehmer müssen diese bis zu einer endgültigen Entscheidung hinnehmen, da es andernfalls innerhalb eines kurzen Zeitraums zu wechselnden Verkehrsregelungen kommen könnte. Das kann möglicherweise zur Verunsicherung von Autofahrern, Radfahrern und Fußgängern führen.

Ergebnis

Das OVG Berlin-Brandenburg gab grünes Licht für das Einrichten von „Pop-up-Radwegen“ in Berlin.

Kuhhandel mit der StVO-Novelle?

In die festgefahrene politische Diskussion über die Reparatur der außer Kraft gesetzten Novelle der StVO kommt durch dieses Urteil neue Bewegung. Während der Verkehrsminister auf geringe Strafen für Schnellfahrer drängt, will der Bundesrat lediglich die Formfehler der StVO-Novelle beseitigen. Die Grünen schlagen nun folgenden Kompromiss vor: Der Bundesrat erklärt sich mit geringeren Strafen für Raser einverstanden, wenn im Gegenzug eine Vorschrift zum erleichterten Einrichten von „Pop-up-Radwegen“ in die StVO aufgenommen wird.

Hier können Sie den Bechluss nachlesen.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)