Berechnen der Widerspruchsfrist: Für Sie nicht mehr!
Zum Verschieben des Fristendes auf den nächsten Werktag, wenn die Frist an einem Sonnabend, Sonntag oder einem Feiertag endet, nimmt das das OVG Lüneburg eine andere Position als der BFH ein (OVG Lüneburg vom 26.10.2006 - 7 PA 184/06). An einem Beispiel wird verdeutlicht, wie Fristen richtig berechnet werden.
Was für erfahrene Verwaltungsrechtler eine klare Sache war, hatte der Bundesfinanzhof (BFH) im Jahr 2003 infrage gestellt: Die Ausnahmeregel des § 31 Abs. 3 Satz 1 VwVfG (Verschieben des Fristendes auf den nächsten Werktag, wenn die Frist an einem Sonnabend, Sonntag oder einem Feiertag endet) gilt nicht für die gesetzliche Fiktion bei Bekanntgabe eines Bescheids als einfacher Brief.
Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg nimmt nun eine andere Position als der BFH ein (OVG Lüneburg vom 26.10.2006 – 7 PA 184/06). Hier erfahren Sie, wie Sie die Widerspruchsfrist rechtssicher berechnen.
Rechtslage
Wird ein Bescheid mit einem einfachen Brief verschickt, geht § 41 Abs. 2 VwVfG bzw. die entsprechende landesrechtliche Vorschrift davon aus, dass der Bescheid am dritten Tag nach Aufgabe bei der Post zugegangen ist.
Diese gesetzliche Fiktion ist eine Vereinfachungsregel, da der Brieflauf bei Versendung als einfacher Brief nicht bestimmt werden kann. Die Widerspruchsfrist beginnt dann an dem auf den Tag der Bekanntgabe folgenden Tag.
Beispiel: Ein Bescheid geht am 14.02. zur Post. Dann ist der Bescheid am 17.02. bekannt gegeben.
So weit, so gut. Doch ist für das Bestimmen des Tags der Bekanntgabe § 31 Abs. 3 Satz 1 VwVfG bzw. die entsprechende landesrechtliche Vorschrift zu berücksichtigen? Denn im vorliegenden Beispiel ist der 17.02. ein Sonnabend. Fällt nämlich das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist nach dieser Vorschrift mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktags. Das wäre dann der 19.02.
Unstreitig ist, dass diese Vorschrift bei Berechnen des Ablaufs der Widerspruchsfrist Anwendung findet. Endet die Widerspruchsfrist regulär somit an einem Sonntag, würde das Fristende auf den Ablauf des nächsten Werktags (im Regelfall der Montag, 24 Uhr) verschoben.
Das Urteil des Bundesfinanzhofs (vom 23.09.2003 – IX R 68/98):
Der Bundesfinanzhof hatte mit diesem Urteil entschieden, dass § 31 Abs. 3 Satz 1 VwVfG auch anzuwenden ist, um den Tag der Bekanntgabe eines Bescheids zu ermitteln. Damit hatte der BFH entschieden, dass § 31 Abs. 3 Satz 1 VwVfG auch anzuwenden ist, um den Beginn einer Frist zu ermitteln. Diese Regelung, so der BFH, sei bürgerfreundlicher als die vorherige Auffassung, nach der die Bekanntgabe unabhängig vom Wochentag zu laufen begann.
Der Beschluss des OVG Lüneburg:
Das OVG Lüneburg konnte wohl dem Urteil des BFH nichts Positives abgewinnen. Entgegen der Ansicht der Kläger, so das OVG, betrifft § 31 Abs. 3 Satz 1 VwVfG nur das Ende einer Frist und ist für den Beginn nicht entsprechend anwendbar. Auch wenn der dritte Tag nach Aufgabe eines Briefs zur Post gemäß § 41 Abs. 2 VwVfG auf einen der in § 31 Abs. 3 Satz 1 VwVfG genannten Tag fällt, gilt dieser und nicht der nächste Werktag als Tag der Bekanntgabe (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl., § 31 Rdnr. 32).
Bei der Bestimmung des § 41 Abs. 2 VwVfG handelt es sich weder um eine eigentliche noch um eine uneigentliche Frist, sondern das Gesetz vermutet aus Praktikabilitätsgründen eine pauschalierte Zeitdauer für den Zugang eines Briefs.
Es belastet den Empfänger nicht in unzumutbarer Weise, dass die Bekanntgabewirkung auch an einem Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag eintritt. Insofern ist die Bekanntgabe vergleichbar mit einer Zustellung. Nach dem VwZG tritt die Zustellungswirkung unabhängig von der Art der Zustellung im tatsächlichen Zustellungszeitpunkt ein, auch wenn dieser auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag fällt (vgl. auch § 12 Abs. 4 NdsVwZG). Es besteht kein Anlass, Empfänger von Briefen besser zu stellen. Sie könnten sonst sowohl am Beginn wie am Ende einer Frist in den Genuss einer Verlängerung gem. § 31 Abs. 3 Satz 1 VwVfG kommen.
Wenn der Brief tatsächlich erst nach dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post zugeht, kann gemäß § 41 Abs. 2 Satz 2 VwVfG die Drei-Tage-Fiktion entkräftet werden (vgl. VGH München, NJW 1991, 1250; VGH Mannheim, NVwZ 1992, 799).
Fazit
Den Ausführungen des OVG Lüneburg kann nur zugestimmt werden. Somit ergibt sich im oben gewählten Beispiel folgende Berechnung:
Zur Post | 14.02.2007 | Dies ist das Datum, welches auf der Durchschrift des Bescheids als Postausgang vermerkt ist. | |
Bekanntgabe | § 41 Abs. 2 VwVfG | 17.02.2007 | Nach der „Drei-Tage-Regel“ ist die gesetzliche Fiktion unabhängig vom Wochentag der Bekanntgabe. |
Fristbeginn | § 70 VwGO | 18.02.2007 | Die Frist beginnt nicht am 17.02., weil die Bekanntgabe ein Ereignis ist, das in den Lauf eines Tags fällt. Somit beginnt der Fristlauf erst am folgenden Tag um 0:00 Uhr (§ 187 Abs. 1 BGB). |
Fristende | § 70 VwGO, § 188 Abs. 2 BGB | 17.03.2007 | Eine nach Monaten bestimmte Frist endet im Fall des § 187 Abs. 1 mit dem Ablauf desjenigen Tags des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. |
Endet die Frist an einem Sonnabend, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag? Ja! | § 31 Abs. 3 Satz 1 VwVfG | 19.03.2007
24:00 Uhr |
Somit verschiebt sich das Fristende auf den Ablauf des nächstfolgenden Werktags. |
Achtung:
Beachten Sie hierbei, dass Fristen vollständig ausgeschöpft werden dürfen. Somit wäre auch noch ein Widerspruch zulässig, der am 19.03.2007 um 23:59:59 Uhr per Fax (nicht per Computerfax) erhoben wird.