04.03.2024

Befreiung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans für die Außengastronomie?

Verletzt die Außengastronomie in einem Allgemeinen Wohngebiet das Rücksichtnahmegebot (VG Münster, Urteil vom 01.02.2024, Az. 2 K 3416/22)?

Antrag auf Bestuhlung einer Freifläche

Ein Gastwirt beantragte die Genehmigung für die Bestuhlung mit 15 Sitzplätzen auf einer Freifläche von 36 m2. Ein Schallgutachten kam zu dem Ergebnis, dass unter der Bedingungen einer an der Grundstücksgrenze zu errichtenden 1,80 m hohen Mauer mit einer Überdachung die Lärmimmissionsrichtwerte nach der TA Lärm für das Grundstück der Nachbarn eingehalten würden.

Die Bauaufsicht erteilte die Befreiung für die Nebenanlage einer Schank- und Speisewirtschaft, die nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO in einem allgemeinen Wohngebiet zur Versorgung des Gebiets allgemein zulässig ist. Ein Anwohner klagte mit der Begründung, er befürchte unzumutbare Lärmbelästigungen durch die von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreite Außengastronomie.

Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der für die Gaststätte ein Allgemeines Wohngebiet festsetzt, für das Grundstücks des Anwohners ein reines Wohngebiet.

Gilt das Rücksichtnahmegebot?

31 Abs. 2 BauGB als Grundlage für Ausnahmen und Befreiungen von Festsetzungen des Bebauungsplans hat für die Nachbarn drittschützende Wirkung. Der Umfang des Rechtsschutzes eines Nachbarn bei Befreiungen und Ausnahmen richtet sich danach, ob die Festsetzung, von denen eine Befreiung erteilt werden soll, dem Nachbarschutz dient oder nicht. Bei einer Befreiung oder Ausnahme, die nicht (auch) den Zweck hat, die Rechte der Nachbarn zu schützen, sondern nur dem Interesse der Allgemeinheit an einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung dient, richtet sich der Nachbarschutz hingegen (lediglich) nach den Grundsätzen des Rücksichtnahmegebots (§ 31 Abs. 2 BauGB in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO). Letzteres ist hier der Fall, befand das VG.

Fachlich korrekte Schallprognose

Schalltechnische Gutachten im Vorfeld von Bauvorhaben stellen lediglich eine Prognose dar, die ein Gericht nur darauf zu prüfen hat, ob sie mit den im maßgebenden Zeitpunkt verfügbaren Erkenntnismitteln unter Beachtung der für sie erheblichen Umstände sachgerecht erarbeitet worden ist.

Weil das schalltechnische Gutachten nach dem Regelwerk der TA Lärm erstellt wurde und der Gutachter die gesamte Grundstückssituation einschließlich der Gastronomieaußenfläche betrachtet hat, wurde es vom Gericht akzeptiert.

Ergebnis

Die Befreiung nimmt die gebotene Rücksicht auf die Interessen der Nachbarn. Deren Klage wurde abgewiesen.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)