16.11.2022

Baum wegen Früchte- und Blattabwurf fällen?

Die Grundstückseigentümer verlangten von einer Gemeinde eine Fällerlaubnis, weil Blätter und Früchte eines Baums die Dachrinnen verstopfen. Weil sich die Gemeinde querlegte, riefen die Eigentümer das VG Weimar an (Urteil vom 03.05.2022, Az. 7 K 1050/20 WE).

Baum fällen Blattabwurf

Eigentümer beantragen Fällerlaubnis

Auf einem Grundstück steht eine Schwarznuss mit einem Stammumfang von ca. 134 cm. Die Eigentümer des Grundstücks stellen einen Antrag auf Fällen des Baums. Die Gemeinde lehnte nach Durchführung eines Ortstermins den Antrag ab. Der Baum weise keine Schäden auf, Laub- und Fruchtfall seien kein Grund zum Fällen des Baums. Laub und Früchte können vom Dach entfernt werden, um Verstopfungen zu vermeiden.

Im Widerspruchsverfahren ergänzten die Eigentümer ihren Antrag um das Argument, aufgrund des Abstands des Baums zum Haus von ca. 4 m seien Schäden am Gebäude zu erwarten. Der Wurzeldruck könne die Vertikalsperre des Kellerfundaments beschädigen und zu Wasserschäden führen. Zudem hätten sie zum Ausgleich fünf Bäume als Ersatz gepflanzt. Damit nicht genug: Nach Mitteilungen der Stadtwerke sei der Mindestabstand des Baumbestands zu der Gas-Hauptleitung, die zwischen 0,95 bis 1,00 m tief im Abstand von ca. 2,50 m zum Baum verlaufe, nicht gewahrt.

Der Widerspruchsausschuss ließ sich erweichen und verpflichtete die Gemeinde, die Fällgenehmigung zu erteilen. Die Gemeinde rief das VG Weimar an.

Unsere Empfehlung
Ordnungsamtspraxis von A-Z online

Ordnungsamtspraxis von A-Z online

Unter dem Stichwort „Verkehrssicherungspflichten“ finden Sie Fallbeispiele und Musterschreiben zum Thema.

€ 669.00Jahrespreis zzgl. MwSt.

Online-Version

Besteht eine Gefahr für Personen oder Sachen von bedeutendem Wert?

Das VG prüfte, ob die Voraussetzungen zum Erteilen der Fällgenehmigung vorliegen:

Landesnaturschutzgesetz i.V.m. der Baumschutzsatzung

Die Rechtsgrundlagen für eine Fällgenehmigung ergeben sich aus dem Landesnaturschutzgesetz (hier: § 14 Abs. 1 ThürNatG) i.V.m. der Baumschutzsatzung der Stadt.

Geschützte Bäume i.S.d. Satzung sind Einzelbäume mit einem Stammumfang gleich oder größer als 50 cm. Weil die Schwarznuss (Wuchs bis 20 m, Alte: bis 250 Jahre) einen Stammumfang von mindestens 134 cm aufweist, ist sie ein geschützter Baum.

Nach der Satzung ist es verboten, geschützte Bäume i.S.d. Satzung ohne Genehmigung zu entfernen, zu zerstören, zu beschädigen oder ihren Aufbau wesentlich zu verändern oder Maßnahmen vorzunehmen, die zum Absterben der Bäume führen.

Ausnahmegenehmigung vom Fällverbot

Eine Ausnahmegenehmigung vom Fällverbot kann erteilt werden, wenn von dem Baum eine Gefahr für Personen oder Sachen von bedeutendem Wert ausgeht und die Gefahr nicht auf andere Weise mit zumutbarem Aufwand beseitigt werden kann.

Es ist nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die Schwarznuss bei Unwetter, speziell durch Stürme, entwurzelt werden oder der Stamm durchbrechen könnte und es dadurch zu einem Folgeschaden an dem Haus kommen könnte. Allein der mit dem Klimawandel verbundene Anstieg der Zahl entsprechender Unwetterereignisse rechtfertigt noch nicht die Annahme der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts. Derartige Unglücksfälle gehören zum allgemeinen Lebensrisiko.

Soweit die Eigentümer befürchten, die Früchte der Schwarznuss würden bei Weiterwachsen des Baums das Dach des Hauses beschädigen, so liegt auch darin keine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines alsbaldigen Schadenseintritts, der nicht mit zumutbarem Aufwand beseitigt werden kann.

Frucht- und Blattabwurf sowie Astabbrüche sind hinzunehmen

Frucht- und Blattabwurf sowie Astabbrüche sind von Bäumen typischerweise ausgehende Lebensäußerungen, die regelmäßig hinzunehmen sind und allenfalls Belästigungen darstellen. Sie betreffen weitgehend auch nur eine überschaubare Vegetationsperiode. Insoweit ist es zumutbar, situationsbedingt verstärkte Anstrengungen zu unternehmen, um die Verkehrssicherheit aufrechtzuerhalten.

Gleiches gilt im Ergebnis für den Vortrag, dass der Frucht- und Laubabfall die Regenrinnen verstopfen würde. Auch dies stellt keine Gefahr dar, zumal diese Belästigung durch regelmäßige Reinigung mit zumutbarem Aufwand beseitigt werden kann.

Nähe der Wurzeln zu Gasleitungen

Eine hinreichende Gefahr besteht auch nicht bezüglich der Nähe der Wurzeln der Schwarznuss zu den Gasleitungen. Nach dem DVGW-Regelwerk gibt es konkrete Anhaltspunkte dafür, wann ein Handlungsbedarf bei der Interaktion von Baumwurzeln und Gasrohrleitung besteht (vgl. DVGW-Regelwerk – Technischer Hinweis – Merkblatt, DVGW GW 125-B1). Danach ist die Schwarznuss keine kritische Baumart, die nach dem Regelwerk ein erhöhtes Risiko für die Gasrohrleitung darstellt. Ferner ist dem Regelwerk zu entnehmen, dass kein Handlungsbedarf bei unkritischen Baumarten besteht, wenn der Abstand Baumstammmitte zu Gasleitungsaußenkante bis 2,5 m beträgt.

Ergebnis

Die Voraussetzungen der Baumschutzsatzung zum Fällen der geschützten Schwarznuss liegen nicht vor. Das VG hob den Widerspruchsbescheid des Widerspruchsausschusses auf. Somit hat das Ablehnen des Antrags der Eigentümer auf Fällen des Baumes weiter bestand.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)