Corona-Pandemie: Keine Außervollzugsetzung der Bayerischen Verordnung über vorläufige Ausgangsbeschränkung
Der VerfGH München hat es abgelehnt, die Bayerische Verordnung über eine vorläufige Ausgangsbeschränkung anlässlich der Corona-Pandemie durch einstweilige Anordnung außer Vollzug zu setzen (BayVerfGH, Entscheidung vom 26.03.2020, Az. Vf. 6-VII-20).
Rechtsgrundlage
Die vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege erlassene Verordnung über eine vorläufige Ausgangsbeschränkung anlässlich der Corona-Pandemie hält die Menschen an, physische und soziale Kontakte zu anderen Menschen außerhalb der Angehörigen des eigenen Hausstands zu reduzieren und räumlichen Abstand einzuhalten, untersagt Gastronomiebetriebe jeder Art sowie Besuche bestimmter Einrichtungen und – beim Fehlen triftiger Gründe – das Verlassen der eigenen Wohnung.
Sachverhalt
Der Antragsteller ist der Auffassung, die Verordnung greife in unverhältnismäßiger Weise in Freiheitsrechte der Bürger ein, die die Bayerische Verfassung garantiert. Er hat deshalb Popularklage erhoben mit dem Ziel, dass die Verordnung vom VerfGH München für verfassungswidrig und nichtig erklärt wird. Zugleich will er mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erreichen, dass die angegriffene Verordnung sofort außer Vollzug gesetzt wird.
Präsident des BayVerfGH lehnt Erlass einer einstweiligen Anordnung ab
Der Präsident des VerfGH München, der in besonderen Eilfällen selbst zur Entscheidung berufen ist, hat den Erlass einer solchen einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Nach Auffassung des Präsidenten des VerfGH kann im gegenwärtigen Stadium des Verfahrens bei der aufgrund der Eilbedürftigkeit nur möglichen überschlägigen Prüfung nicht von offensichtlichen Erfolgsaussichten, aber auch nicht von einer offensichtlichen Aussichtslosigkeit des Hauptantrags im Popularklageverfahren ausgegangen werden. Die Entscheidung über den Erlass einer einstweiligen Anordnung sei deshalb anhand einer Folgenabwägung zu treffen.
Die Folgenabwägung
Erginge die beantragte einstweilige Anordnung nicht und hätte die Popularklage im Hauptsacheverfahren Erfolg, wären Gastronomiebetriebe mit entsprechenden wirtschaftlichen Folgen zu Unrecht untersagt und Personen zu Unrecht von den genannten Verhaltensweisen abgehalten worden; ferner wären etwaige Verstöße letztlich zu Unrecht geahndet worden. Neben den Einschränkungen für die unmittelbaren Adressaten der Regelungen gebe es auch umfangreiche mittelbare Auswirkungen (z.B. auf Menschen, die sich in Einrichtungen aufhielten, die nicht besucht werden dürften, wirtschaftliche Betriebe, die zwar geöffnet seien, wegen der Bewegungseinschränkungen aber weniger frequentiert werden etc.). All dies wiege schwer, insbesondere deshalb, weil es sich teilweise um tiefgreifende Grundrechtseingriffe handle, eine Vielzahl von Personen betroffen sei und die Eingriffe partiell irreversibel seien.
Erginge dagegen die beantragte einstweilige Anordnung und hätte die Popularklage im Hauptsacheverfahren keinen Erfolg, würde es mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer Vielzahl von sozialen Kontakten kommen, die die Verordnung unterbinden wolle. Hierdurch würde die Gefahr der Ansteckung mit dem Virus, der Erkrankung vieler Personen, einer Überlastung des Gesundheitssystems und schlimmstenfalls des Todes von Menschen erhöht. Ziel müsse es sein, die weitere Ausbreitung des Virus so weit wie möglich zu verzögern.
Ergebnis
Angesichts der überragenden Bedeutung von Leben und Gesundheit der möglicherweise Gefährdeten überwögen die Gründe gegen das Außerkraftsetzen der angegriffenen Verordnung.
Quelle: Pressemitteilung des VerfGH München
Hinweise
VG Leipzig, Beschluss vom 3. April 2020, Az. 3 L 177/20: Das VG hat vorläufig entschieden, dass die anlässlich der Corona-Pandemie erlassene Allgemeinverfügung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt rechtmäßig ist.
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23.03.2020, Az. 11 S 12.20: Eilantrag gegen Coronavirus-Verordnung Brandenburg erfolglos
VG Saarlois, Beschluss vom 30.03.2020, Az. 6 L 340/20: Die vorläufigen Ausgangsbeschränkungen im Saarland zur Verzögerung der weiteren Ausbreitung des neuartigen, hochinfektiösen Coronavirus und der Verlangsamung des Infektionsgeschehens in der Handlungsform einer Allgemeinverfügung sind voraussichtlich rechtmäßig und nicht unverhältnismäßig.
Sächs. OVG, Beschluss vom 07.04.2020, Az. 3 B 111/20: Eilantrag gegen Sächsische Corona-Schutz-Verordnung erfolglos
VerfGH Berlin, Beschluss vom 14.04.2020, Az. VerfGH 50 A/20: keine verfassungswidrige Freiheitsbeschränkung durch Berliner Corona-Verordnung
OVG Rhl.-Pf., Beschluss vom 16.04.2020, Az. 6 B 10497/20.OVG: Normenkontrollantrag gegen Corona-Bekämpfungsverordnung Rheinland-Pfalz unzulässig
OVG Lüneburg, Beschluss vom 17.04.2020, Az. 13 MN 67/20, 13 MN 77/20, 13 MN 79/20, 13 MN 82/20, 13 MN 84/20: niedersächsische Corona-Verordnung voraussichtlich rechtmäßig