Besteht ein Anspruch der Anwohner auf Einschreiten bei aufgesetztem Gehwegparken?
Weil seit Jahren PKWs auf den Gehwegen einer Wohnstraße den Fußgängerverkehr behinderten, verlangten die Anwohner das Einschreiten der Straßenverkehrsbehörde. Das OVG Bremen (Urteil vom 13.12.2022, Az. 1 LC 64/22) stellte sich auf die Seite der Anwohner.
Aufgesetztes Parken wird nicht behördlich unterbunden
Auf beiden Seiten einer Straße mit Wohngebäuden parken seit Jahren PKWs aufgesetzt auf den Gehwegen, obwohl dies nicht durch Verkehrszeichen erlaubt wird. Die Anwohner verlangten das Einschreiten der Straßenverkehrsbehörde, die jedoch nichts unternahm.
Sie klagten und machten geltend, dass die Straßenverkehrsbehörde geeignete Maßnahmen gegen das aufgesetzte Gehwegparken ergreifen müsse. Das VG Bremen gab ihrer Klage im Wesentlichen statt. Die Straßenverkehrsbehörde klagte lieber, als Abhilfe zu schaffen, und rief das OVG des Landes an.
Was bedeutet das Zeichen 315?
Das Zeichen 315 (Parken auf Gehwegen Fahrtrichtung rechts) stellt dar, wie ein Fahrzeug unter 2,8 t auf einem Gehweg geparkt werden darf, und stellt mithin eine Ausnahme von dem Verbot dar, auf Gehwegen zu parken.
Das Parken auf Gehwegen darf mit diesem Zeichen nur zugelassen werden, wenn genügend Platz für den unbehinderten Verkehr von Fußgängern, gegebenenfalls mit Kinderwagen, oder Rollstuhlfahrern auch im Begegnungsverkehr bleibt.
Aufgesetztes Parken verstößt gegen die StVO
Das aufgesetzte Parken verstößt gegen das aus § 12 Abs. 4 und 4a StVO abzuleitende Verbot, Gehwege ohne spezielle Erlaubnis zum Abstellen von Kraftfahrzeugen zu nutzen, belehrte das OVG die Straßenverkehrsbehörde. Dieses allgemeine Verbot wird in den betroffenen Wohnstraßen offensichtlich nicht beachtet.
Ermessen der Straßenverkehrsbehörde
Die Parkvorschriften in § 12 Abs. 4 und 4a StVO dienen in erster Linie der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs und damit grundsätzlich dem Interesse der Allgemeinheit. Wird aufgesetzt geparkt, ohne dass dies durch das Zeichen 315 erlaubt ist, kann die Straßenverkehrsbehörde unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit straßenverkehrsrechtliche Anordnungen treffen. Zudem liegen bei dem verbotswidrigen Parken die Voraussetzungen für eine Abschleppmaßnahme vor.
Verbot des Gehwegparkens beinhaltet eine individualschützende Funktion
Das OVG stellte weiter klar, dass den Verboten aus § 12 Abs. 4 und 4a StVO auch eine individualschützende Funktion zukommt, da sie erkennbar den Interessen derjenigen dienen, die den Gehweg zulässigerweise benutzen.
Ein solcher Schutz besteht aber nur, wenn die Belange der Nutzer in einer qualifizierten und individualisierten Weise betroffen sind. Dies ist nicht mehr der Fall, wenn eine für die Betroffenen unzumutbare Funktionsbeeinträchtigung des Gehwegs eintritt.
Anspruch der Anwohner auf Ausüben des Ermessens
Die Gehwege in der Wohnstraße der Anwohner sind eingeschränkt nutzbar und Rechtsgüter von überragender Bedeutung wie etwa die Gesundheit sind nicht konkret gefährdet. Somit ist die Straßenverkehrsbehörde nicht verpflichtet, gegen die verkehrsordnungswidrig parkenden Fahrzeuge einzuschreiten. Die Anwohner haben aber aus der individualschützenden Funktion heraus einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung, ob die Behörde einschreiten will.
Ergebnis
Das OVG verpflichtete die Straßenverkehrsbehörde, ihr Ermessen auszuüben und eine fehlerfreie Ermessensentscheidung zu treffen.