04.03.2024

Anordnung der Ersatzzwangshaft zur Durchsetzung der Schulpflicht?

Das VG Schleswig hatte darüber zu entscheiden, ob eine Mutter inhaftiert werden darf, damit sie künftig ihren Sohn in die Schule schickt (Beschl. vom 26.01.2024, Az. 9 E 3/23).

Verletzen der Schulpflicht

Eine Mutter weigerte sich, ihren schulpflichtigen Sohn an einer öffentlichen Schule oder einer Ersatzschule anzumelden und für die Teilnahme des Kindes am Unterricht zu sorgen.

Sie wurde mit einem Bescheid verpflichtet, ihren Sohn an einer öffentlichen Schule oder einer Ersatzschule zum Schulbesuch anzumelden und dafür Sorge zu tragen, dass er regelmäßig am Unterricht und an den sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen teilnimmt. Für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung dieser Verpflichtung wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 300 Euro angedroht.

Weil die Mutter dem nicht nachkam, wurde ihr erneut ein Zwangsgeld angedroht, nunmehr in Höhe von 800 Euro. Sie wurde zugleich auf die Möglichkeit der Anordnung der Ersatzzwangshaft hingewiesen.

Das Kind wurde aber weder an einer Schule angemeldet noch das Zwangsgeld gezahlt.

Behörde beantragt die Ersatzzwangshaft

Die Behörde ließ sich nicht auf der Nase herumtanzen und beantragte bei dem Verwaltungsgericht

  1. zum Zweck der Durchsetzung sowohl der Pflicht zur Schulanmeldung als auch des regelmäßigen Schulbesuchs Ersatzzwangshaft anzuordnen,
  2. zum Zweck des Vollzugs der Ersatzzwangshaft Haftbefehl zu erlassen und
  3. die Ersatzzwangshaft durch die Justizverwaltung zu vollstrecken.

Die gerichtliche Entscheidung

Nach dem VwVG des Landes (hier § 240 Abs. 1 des LVwG S-H) kann das Verwaltungsgericht auf Antrag der Vollzugsbehörde die Ersatzzwangshaft anordnen, wenn das Zwangsgeld uneinbringlich ist und bei Androhung des Zwangsgelds hierauf hingewiesen worden ist.

Diese Vorschrift prüfte das VG wie folgt:

  • Es liegt ein unanfechtbarer Verwaltungsakt vor, der konkret die Verpflichtung der Mutter regelt, für die Teilnahme ihres Kindes am Schulunterricht zu sorgen.
  • Dieser Verpflichtung ist die Mutter auch nach dem Androhen und Festsetzen von zwei Zwangsgeldern nicht nachgekommen.
  • Das Zwangsgeld hat sich als uneinbringlich erwiesen. Der Einziehungsversuch war erfolglos, weil das Girokonto ein Pfändungsschutzkonto ist.
  • Auf die Möglichkeit einer Ersatzzwangshaft bei der Uneinbringlichkeit des Zwangsgeldes ist die Mutter hingewiesen worden.
  • Eine Anwendung unmittelbaren Zwangs kommt hier hinsichtlich der Schulanmeldung nicht in Betracht, weil zur Abgabe von Erklärungen unmittelbarer Zwang von vornherein weder angewendet noch angedroht werden darf.
  • Auch eine Ersatzvornahme scheidet hinsichtlich der Verpflichtung zur Schulanmeldung aus. Eine Ersatzvornahme ist nur dann möglich, wenn Dritte die Handlung rechtlich und tatsächlich vornehmen können. Bei der Schulanmeldung handelt es sich um keine vertretbare Handlung, denn die Pflicht zur Schulanmeldung ist als Teil der elterlichen Sorge gemäß § 1626 BGB höchstpersönlicher Art und kann in rechtlich zulässiger Weise nur von den Eltern selbst vorgenommen werden.
  • Die Anwendung unmittelbaren Zwangs zum Durchsetzen der Verpflichtung zur Teilnahme am Unterricht verspricht keinen dauerhaften Erfolg.
  • Dasselbe gilt auch für die zwangsweise Durchsetzung der Schulpflicht (hier § 28 SchulG S-H). Diese Maßnahme steht im Ermessen der Behörde und müsste sich zudem gegen das Kind selbst nicht gegen die Mutter richten.
  • Hinsichtlich der Verpflichtung, für eine Unterrichtsteilnahme Sorge zu tragen, scheidet auch die Ersatzvornahme als milderes Mittel aus, da es sich hierbei um keine vertretbare Handlung handelt.

Zwischenergebnis: Ein anderes Zwangsmittel kommt nicht in Betracht.

Daraus folgt: Die Anordnung der Ersatzzwangshaft ist auch wegen der Schwere des Grundrechtseingriffs (Art. 2 Abs. 2, Art. 104 Abs. 1 GG) geeignet, erforderlich und angemessen.

Ergebnis

Das Gericht stellte einen Haftbefehl als Ausfertigung der vorliegenden Haftanordnung aus. Die Verhaftung der Mutter erfolgt auf Antrag der Vollzugsbehörde an die Justizverwaltung durch einen Gerichtsvollzieher (hier nach § 240 Abs. 2 LVwG S-H i.V.m. § 802g Abs. 2 ZPO.

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)