13.01.2023

Raserei: Anlieger verlangt Einrichten einer Tempo-30-Zone

Das Urteil des VG Schleswig vom 18.10.2022 (Az. 3 A 228/20) dokumentiert, welche starke Positionen die Gemeinden bei der Entscheidung über das Einrichten von Tempo-30-Zonen haben.

Anlieger verlangt Tempo-30-Zone

Behauptete Raserei nicht erwiesen

Ein Anlieger einer Gemeindestraße, in der die zulässige Höchstgeschwindigkeit 50 km/h beträgt, wurde bei der Gemeinde vorstellig und beantragte eine verkehrsberuhigende Maßnahme. Als Grund gab er an, er sei von einem ca. 60 km/h fahrenden SUV angefahren worden, dessen rechter Seitenspiegel seine Hundeschleppleine erfasst habe. Die Nachbarn, so sein Argument, würden die Straße „rauf und runter rasen“. Die Gemeindevertretung lehnte den Antrag ab.

Daraufhin wandte er sich an den Landkreis. Bei einer Geschwindigkeitsmessung fuhr das schnellste Fahrzeug 31 km/h. Der Anwohner bestritt das Ergebnis der Messung und blieb bei seiner Forderung. Der Kreis erläuterte ihm, eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h kann ausschließlich durch das Einrichten einer Tempo-30-Zone erreicht werden. Hierfür sei das Einvernehmen der Gemeinde erforderlich, dass diese aber nicht erteilen werde.

Der Anwohner rief nach einem für ihn erfolglosen Widerspruchsverfahren das VG Schleswig an.

Kreis und Gemeinde lehnen Tempo 30 ab

Das VG hörte die Gemeinde und den Landkreis an. Die Gemeinde betonte, die betreffende Straße liegt nicht in einem Wohngebiet. Sie ist von keinem Bebauungsplan erfasst, das Gebiet ist deutlich geprägt von land- und forstwirtschaftlicher Nutzung. Daher mangelt es an der Voraussetzung eines „Wohngebiets“ i. S. von § 45 Abs. 1 StVO. Zudem ist die Anordnung einer Tempo-30-Zone nicht zwingend geboten.

Die Straßenverkehrsbehörde des Landkreises erklärte, über Jahre habe man sich mehrfach und eingehend mit dem Thema auseinandergesetzt. Verkehrsbelastung und örtliche Straßensituation wurden mehrfach betrachtet. Es bleibt daher bei dem Entschluss, dass keine objektiv zwingenden Gründe zum Einrichten einer Tempo-30-Zone vorliegen.

VG setzte sich mit diesen Argumenten auseinander

§ 45 Abs. 1c StVO

Nach § 45 Abs. 1c StVO ordnen die Straßenverkehrsbehörden innerhalb geschlossener Ortschaften, insbesondere in Wohngebieten und Gebieten mit hoher Fußgänger- und Fahrradverkehrsdichte sowie hohem Querungsbedarf, Tempo-30-Zonen an.

§ 45 Abs. 1c Satz 1 StVO enthält zum Schutz der Gemeinde als Selbstverwaltungskörperschaft ein Vetorecht mit Abwehr- und Sperrwirkung gegenüber bestimmten, ihr nicht erwünschten Anordnungen der (staatlichen) Straßenverkehrsbehörde.

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Tempo-30-Zone nur im Einvernehmen mit Gemeinde

Eine Tempo-30-Zone kann nur im Einvernehmen mit der Gemeinde angeordnet werden. Einvernehmen bedeutet, dass die Gemeinde der Maßnahme förmlich zustimmen muss (vgl. ebenso § 36 BauGB zum notwendigen gemeindlichen Einvernehmen, dessen Versagen das Erteilen einer Baugenehmigung verhindert).

Die Entscheidung der Gemeinde, ihr Einvernehmen im Rahmen des § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO zu verweigern, ist gerichtlich nicht überprüfbar. Zum einen enthält § 45 Abs. 1b Satz 2 StVO eine drittschützende Komponente („zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm und Abgasen“). Zum anderen haben Betroffene die Möglichkeit, bei tatsächlich bestehenden Gefahren das Anordnen geeigneter Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen unter Berufung auf § 45 Abs. 9 StVO von der Straßenverkehrsbehörde zu verlangen.

Das Einvernehmen zwischen Landkreis und Gemeinde besteht in diesem Fall nicht. Die StVO enthält keine Vorschrift, ein versagtes Einvernehmen durch die Straßenverkehrsbehörde zu ersetzen, auch wenn die Versagung rechtswidrig sein sollte.

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Ergebnis

§ 45 Abs. 1c Satz 1 StVO räumt der Gemeinde ein Vetorecht gegen die Anordnung von Tempo-30-Zonen ein. Das Ersetzen des gemeindlichen Einvernehmens durch die Entscheidung der Straßenverkehrsbehörde ist gesetzlich nicht vorgesehen. Das Ablehnen der Anordnung einer Tempo-30-Zone durch den Kreis ist rechtmäßig und der Anwohner deshalb nicht in seinen Rechten verletzt. Die Klage des Anwohners wurde abgewiesen.

>>> Tipp der Redaktion: Lesen Sie auch den Beitrag „Anwohner erzwingt Tempo 30 auf Bundesstraße wegen Luftreinhalteplan“

Autor*in: Uwe Schmidt (Uwe Schmidt unterrichtete Ordnungsrecht, Verwaltungsrecht und Informationstechnik.)